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Kolumne Wir retten die WeltFaul sein ist gut fürs Klima

Bernhard Pötter
Kolumne
von Bernhard Pötter

Die beste Öko-Dienstleistung ist immer noch das Nichtstun, und zwar nicht nur in den Sommerferien. Aber das ist harte Arbeit.

Manche Exemplare der Gatttung Folivora sind sogar schlicht zu faul zum Schwimmen Foto: dpa

M ein Schwiegervater hat mit Karl Marx eher wenig gemeinsam. Der Opa meiner Kinder ist CDU-Mitglied, sitzt im Kirchenvorstand und hat in seinem Arbeitsleben als Regionalleiter einer Bank DAS KAPITAL sicher anders eingesetzt, als es der Godfather of Communism gewollt hätte. Aber beide haben das gleiche Problem: einen Schwiegersohn, der die Faulheit preist.

Bei Karl Marx war das Paul Lafargue, der sich 1883 bei den französischen Sozialisten und seiner Familie mit dem berühmten Buch „Das Recht auf Faulheit“ unbeliebt machte. Mich dagegen hält mein Schwiegervater eher für einen harmlosen Spinner, der für Niedriglohn arbeitet und seine Enkelkinder mit Tofu-Würstchen quält.

Aber auch wenn das manchmal arbeitsintensiv ist: Für uns alle wäre es das Beste, wir würden ab und zu einfach mal – gar nichts tun. Und zwar nicht nur mal zur Entspannung in den großen Ferien. Sondern immer und überall. Nicht konsumieren, nicht produzieren, nicht durch die Welt fliegen, nicht shoppen, nicht am Rechner sitzen, keine Kolumnen schreiben. Das ist harte Arbeit, ich weiß. Wahrscheinlich würde ich dabei versagen. Aber es würde etwas erreichen.

Zum Beispiel beim Klima. Statt Mais für die Biogas-Anlage anzubauen, sollte man den Boden einfach in Ruhe lassen, sagen Experten. Wenn er eigentlich aus Moor besteht, wäre es das Beste, den Sumpf wieder in Sumpf zu verwandeln. Man hört die Trägheit ja schon im Wort: Mooooor. Moooor. Schnarch. Schon ist man eingenickt und hat vergessen, den Flug nach Marokko zu buchen.

Gerade in diesem fleißigen Land geht das ja eigentlich gar nicht: per Nichtstun die Welt retten! Geben wir Deutschen dafür jedes Jahr 4 Milliarden Euro für Klimaschutz aus? Machen wir dafür eine Energiewende, wenn die bessere Alternative wäre, einfach NICHTS zu tun? Den Fetisch Wachstum aus der Hängematte zu bekämpfen?

Unser Leben ändern

Ich habe einen virtuellen Kleiderschrank, in den ich die Klamotten hänge, die ich mir gerade wieder nicht gekauft habe. So wie letztens diese wirklich schöne rostrote Hose meines schwedischen Lieblings-Outdoor-Ausrüsters Fjällräven: Passte gut, sah schick aus, fühlte sich gut an. Aber dann dachte ich: Warte mal, die brauche ich eigentlich nicht.

Die Wissenschaft ist auf meiner Seite. Es gibt Studien, nach denen der CO2-Ausstoß der USA sofort um 20 bis 30 Prozent sinken würde, wenn sie nur so viel (oder: so wenig) wie wir Europäer arbeiten würden. Also immer noch viel zu viel.

Und all die großen Öko-Herausforderungen (Schluss mit Kohle und Öl, Rettung der letzten Arten, Sicherung der Ozeane) sind natürlich nur zu lösen, wenn wir – psst, das jetzt nur flüstern – unser Leben ändern.

Ja, ja, klar, irgendwo muss das Sozialprodukt schließlich herkommen. Aber Minuswachstum ist derzeit nicht das Problem, wo sich Energie- und Ressourcenverbrauch beschleunigen wie nie. Da ist Bremsen die erste Bürgerpflicht.

Das kann natürlich auch schiefgehen. Vor ein paar Jahren habe ich auf einer Recherchereise am Amazonas mal zusammen mit Kollegen ein nasses Fellbündel aus dem Wasser gezogen. Es war ein Faultier, kurz vor dem Ertrinken. Mein Eindruck von jenem nassen Wischmopp war: Dieses Exemplar der Gatttung Folivora war schlicht zu faul zum Schwimmen. Das würde meinem Schwiegervater nie passieren.

Jetzt denken aufmerksame Leser dieser Kolumne: Hat der Pötter nicht noch vor ein paar Wochen eine ökologische Leistungsgesellschaft gefordert? Stimmt. Aber manchmal ist es eine Riesenleistung, das Falsche nicht zu tun. Und außerdem: Um das richtig zu erklären, bin ich jetzt einfach zu träge.

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Bernhard Pötter
Redakteur für Wirtschaft und Umwelt
Jahrgang 1965. Seine Schwerpunkte sind die Themen Klima, Energie und Umweltpolitik. Wenn die Zeit es erlaubt, beschäftigt er sich noch mit Kirche, Kindern und Konsum. Für die taz arbeitet er seit 1993, zwischendurch und frei u.a. auch für DIE ZEIT, WOZ, GEO, New Scientist. Autor einiger Bücher, Zum Beispiel „Tatort Klimawandel“ (oekom Verlag) und „Stromwende“(Westend-Verlag, mit Peter Unfried und Hannes Koch).
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4 Kommentare

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  • Ja, Herr Pötter,

    mit dem Nichtstun als echte Alternative Sie sind auf dem richtigen Weg. Ich selbst arbeite im Gebäudebereich und musste schon häufig mitansehen, wie viel Geld, Energie und Ressourcen in "Energieeffizienzmaßnahmen" gesteckt wurden, die hinterher nicht annähernd das brachten, was sie (rechnerisch) sollten. So manches mal wäre Nichtstun eindeutig besser gewesen, meist sieht eine ehrliche Bilanz zumindest sehr kritisch aus.

    Persönlich entscheide ich mich immer häufiger für die lass-mal-Variante.

    Fühlt sich gut an.

  • Der emsige Großvater hat seinen Pascal gelesen und weiß, dass das Unglück der Menschen daher rührt, das sie nicht ruhig in einem Zimmer sitzen bleiben können.

    Er versucht daher alles Überflüssige zu vermeiden... Die Konsequenz dieses Gedankens möge sich jeder selber erschließen.

    Ist dumm aus der Wäsche gucken nichts tun?

  • Mal unabhängig von allen sonstigen Meinungsdifferenzen zu Herrn Pötter: Für diesen Text volle Zustimmung! Die manische "Tätigkeit" des "zivilisieten Menschen" ist das Grundübel, an dem die gesamte Menschheit zugrunde gehen könnte. Fallen wir diesen bescheuerten "Leistungsträgern" endlich in den Arm! (Und, wenn sie anderen Sinnes geworden sein sollten, gern auch in die Arme.)

  • Ich wünschte wirklich, meine fünf Etagen Führungskräfte würden ausnahmsweise auch einmal in Sachen Faulheit mitreißend voranschreiten!

     

    Würde sich die Zahl der Fehlentscheidungen dadurch, dass nur noch halb so oft entschieden würde, um, sagen wir, 20% verringern, wäre das ein spürbarer Gewinn. An Geld, an Lebensqualität und auch an Zukunft. Es gibt nur ein Problem dabei: Die Führungsspitze kann sich Faulheit gar nicht leisten. Es geht dabei nicht mal ums Geld. Es geht um ein Gefühl. Man will sich schlich nicht nutzlos fühlen. Lieber ist man kontraproduktiv als überflüssig.

     

    Irgendwie, scheint mir, hab alle Leute, die bei uns das Sagen haben, den selben (Urgroß-)Vater. Den von Bernhadr Pötter nämlich. Man fragt sich nur, wo der Mann die Zeit her hatte bei all seinem Fleiß... :-)