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Kolumne SternenflimmernDas Ende der Geschichte wählen

Ariane Lemme
Kolumne
von Ariane Lemme

Das Ende von Game of Thrones ist schrecklich, klar. Aber notwendig. Wie bei Europa ging es schließlich auch hier darum, die Macht an sich zu besiegen.

Kein Held, aber die richtige Wahl Foto: ap

I ch war natürlich genauso traurig, wütend und entsetzt über das Serienfinale von Game of Thrones wie alle – wirklich alle! – anderen auch. Nicht nur trostlos darüber, dass eine Wahnsinnsgeschichte geendet ist, sondern auch darüber, wie sie geendet ist. Kein Triumph für niemanden!

Nach all dem Schwitzen und Sterben für eine bessere Welt – vor allem von Danaerys noch bei ihrem stalinesken Auftritt und auch davor in schöner Regelmäßigkeit proklamiert – scheint keiner wirklich glücklich zu sein. Danaerys, selbsternannte Breaker of Chains, tatsächlich aber die nächste in der Kette der Tyrannen, ist tot, immerhin. Die Stark-Kinder in alle Winde verstreut.

Bis auf Brandon Stark, der eigentlich kein Stark-Kind mehr ist, sondern „something else“, wie er selbst sagt. Er ist jetzt so etwas wie König, Diener des Reiches trifft es aber eher. Er erscheint mehr als Verwalter denn als Herrscher. Das macht das Ganze so frustrierend: Man betrachtet ihn mit derselben emotionalen Taubheit wie die EU.

Ja, man könnte sagen: Bran ist ein bisschen wie die EU. Irgendwie komplex. Irgendwie unverständlich. Er herrscht – zwar nicht über 28 Mitgliedsstaaten – aber immerhin über die sieben vereinigten Königreiche (minus 1, dem abtrünnigen Großbritannien – Verzeihung: dem Norden). Er trifft teils unergründliche Entscheidungen, wie etwa die, seinen Bruder auf einen völlig sinnlosen Posten in einer sinnlos gewordenen Institution (the great Wall) zu schicken.

Helden vergessen, Gleichmut wählen

Und statt Leidenschaft, Hingabe und skandalträchtiger Schwächen legt er eine geradezu buddhistische Gleichmut an den Tag. Er hat, das ist das Wichtigste, keinerlei Machtambitionen. Er ist das verkörperte historische Bewusstsein und damit die logische Konsequenz aus den Jahrhunderten des Terrors.

Er ist, das muss man leider auch sagen, ein langweiliger Typ geworden, kein bisschen Held, kein bisschen Drama, das ihn mehr umweht. Trotzdem stimmt, womit er die Wahl für seinen Posten gewonnen hat: Er hat buchstäblich alles gesehen, er hat tatsächlich die beste Geschichte.

Und wie Tyrion, sein Berater und Fürsprecher, sagt: Es gibt nichts Mächtigeres als eine gute Geschichte. Geschichten wecken die Leidenschaft in uns, den Kampfmut. Aber, liebe enttäuschte EU- und Game-of-Thrones-Fans, wenn die Geschichte uns eins gezeigt hat, dann doch, dass Macht eben nie zu was Gutem führt. Dass sie selbst die mit den besten Absichten (siehe Danaerys) korrumpiert. Und dass wir deshalb für eine bessere Welt die gute Story und die großen Gefühle mal vergessen müssen.

Wenn die Serie – und wenn die Geschichte – auf ein Ziel zulaufen musste, dann auf die Zerschlagung jeder Macht. Auf Verwalten statt Herrschen, auf Vernunft statt Emotion. Dafür sollten wir am kommenden Sonntag früh aufstehen. Geschichten können wir uns dann abends erzählen.

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Ariane Lemme
Redakteurin
schreibt vor allem zu den Themen Nahost, Antisemitismus, Gesellschaft und Soziales
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3 Kommentare

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  • Da ist doch gar kein Widerspruch, liebe enttäuschte Serien-Fans. Lasst euch das bloß nicht einreden. Gute Geschichten gibt es durchaus auch in guten Zeiten. Und Dramen gibt es sowieso genug, auch wenn die Macht sich nicht in euer Leben drängelt. Fast jede Liebe endet irgendwann. Und jeder Mensch stirbt. Auch der, den man ganz doll liebt. Von Hunden, Katzen oder Meerschweinen ganz abgesehen.

    Gute Geschichten sind ja nicht zwingend die, in denen die Vernunft gar keine Rolle spielt. Ein irrer Küchenchef ist ja auch kein Garant für gutes Essen. Es ist einfach nur eine dieser blöden Moden, dass neue Serien mehr Tote haben müssen als die alten hatten. Das ist wie mit den Unterröcken. Es gab schon Zeiten, wo die Frauen sich nicht setzen konnten, so viele Röcke haben sie getragen. Und jeder, der was auf sich hielt, hat diesen Irrsinn tapfer mitgemacht.

    Nein, die EU ist nicht Westeros. Und es ist auch keine fremde Macht, die uns bedroht. Es ist die eigene, die sich im Mittelalter wähnt. Und sich auch so verhält. Weil sie nicht ganz zu Unrecht glaubt, dass wir gerade das von ihr erwarten. Von einer Macht, die vielen fremder ist, als jeder Streifen Made in Hollywood.

    Ihr wollt-sollt-dürft euch wie in der TV-Serie fühlen. Wie echte Stars also. Und das ist cool, wenn eure (Spießer-)Leben mal wieder etwa dröge sind. Was gar nicht sein müsste, wenn ihr euch nicht benehmen würdet wie Kinder, die unters Bett kriechen, wenn jemand an die Tür klopft, den sie noch nicht kennen.

    Ihr braucht ganz sicher keine (Krieger-)Könige. Ihr braucht nur Leute, die koordinieren. Das aber richtig, findet ihr nicht auch? Und das heißt: Ihr müsst kontrollieren. Die Leute, etwa, die ihr an die Spitze wählt. Ja, das ist ätzend und es kostet Zeit und Kraft. Es ist auch gar nicht glamourös. Es ist nur das, was die Erwachsenen so tun.

    Das Leben ist nicht nur kein Ponyhof. Es ist auch keine Dauer-Drogenparty. Es ist aus Live-Geschichten konstruiert. Ich hoffe, ihr seid nicht zu feige, sie zu leben.

  • Vor knapp zwei Jahren, am 27.09.2017 veröffentlichte Lalon Sander, der Chef vom Dienst von taz.de hier folgenden Artikel:

    "Merkel ist eine Khaleesi"



    www.taz.de/Kolumne...klaerung/!5450493/

    Ich antwortete darauf:



    "Merkel ist keine Khaleesi! Sie lässt ihre Feinde nicht foltern und verbrennt sie auch nicht bei lebendigem Leib auf dem Scheiterhaufen. Sklavenhaltung und Vergewaltigungen durch ihre Anhänger lehnt Merkel ab. Sie führt auch keinen Krieg gegen Russland und Frankreich, um Ostpreussen und das Elsass zurück zu holen. Merkel ist keine Tyrannin oder Kriegsverbrecherin, sie ist einfach nur eine Mutti."

  • Unterschied GOT und EU, wir haben die Macht. Uns wird wohl erst jetzt klar, dass die EU mehr mit unserer Zukunft anrichtet, als wir wollen. Zu lange wurde das europäische Parlament belächelt, Politiker abgeschoben, ohne die Konsequenzen zu bedenken. Die EU trifft Entscheidungen deren Auswirkungen jedes einzelne Land betrifft, ohne wenn und aber! GOT wurde von anderen entworfen, über das europäische Parlamente entscheiden wir... Gute Wahl!