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Kolumne StaralbumEine extreme Frau

Kolumne
von David Denk

Sandra Hüller - die Entdeckung der Berlinale 2006 - ist "prädestiniert für Borderline-Charaktere", meint einer ihrer Kollegen bei der Pressekonferenz zum Film "Über uns das All".

Eine mutige Frau: Sandra Hüllers erster öffentlicher Auftritt nach der Geburt ihres Kindes. Bild: dapd

D er Kontrast könnte größer kaum sein. Auf der Berlinale 2006 wurde Sandra Hüller mit dem Silbernen Bären für die beste Hauptdarstellerin ausgezeichnet, war die Entdeckung des Festivals, und jetzt, fünf Jahre später, sitzt sie an diesem Montagmittag hier im ungewohnt überdimensionierten Pressekonferenzraum, in dem sich keine 20 Journalisten verlieren und sogar die jungen Frauen mit den Mikros die seltene Gelegenheit nutzen, während der Arbeit auch mal zu sitzen.

Es ist die Pressekonferenz zu Jan Schomburgs Langfilmdebüt "Über uns das All" (Panorama Special) und einer der ersten öffentlichen Auftritte der 32-Jährigen nach der Geburt ihres Babys. Es spielt sogar mit: In der letzten Szene von "Über uns das All" ließ sich ihr Schwangerschaftsbauch nicht mehr kaschieren. Sandra Hüller ist wieder da - auf der Berlinale mit gleich zwei Filmen. In dem anderen, "The Brownian Movement" von Nanouk Leopold, spielt Hüller eine Ärztin, Ehefrau und Mutter, die in einer eigens dafür angemieteten Wohnung Sex mit Männern hat, die nicht unbedingt dem gängigen Schönheitsideal entsprechen.

Wie schon die Michaela Klingler in Hans-Christian Schmids auf der Berlinale gefeiertem Exorzismusdrama "Requiem" ist auch Martha Sabel aus "Über uns all das All" eine extreme Frau: Nach dem Suizid ihres Ehemanns Paul und der Erkenntnis, dass dessen Leben eine Lüge war, "will sie ihr Leben zurück", so Hüller. Als sie in der Zufallsbekanntschaft Alexander ein Stück von Paul entdeckt, verliebt sie sich ihn und macht da weiter, wo sie mit Paul aufgehört hat. "Aber kennt sie den, den sie liebt?", fragt der Pressetext. "Oder liebt sie den, den sie kennt?"

Bild: privat

David Denk ist Redakteur im taz-Medienressort.

"Prädestiniert für solche Borderline-Charaktere" nennt einer der Kollegen Hüller bei der Pressekonferenz - auch wenn es zunächst womöglich nicht so klingt, ist es doch ganz eindeutig als Kompliment gemeint. Denn Hüller hat bei ihrer Rollenauswahl und der späteren Ausgestaltung den Mut, Frauenfiguren zuzulassen, die nicht so leicht einzuordnen und abzustempeln sind. "Ich weiß gar nicht, ob es so was wie eine runde Person gibt", sagt sie. "Ich bin ja auch immer anders." Pathologisch sei Marthas Verhalten mitnichten, sondern "eine kraftvolle, bewusste Handlung". Und als einsame, verlassene Frau will sie ihre Figur schon gar nicht sehen. Sie ist kein Opfer, eher Täter - eine Frau der Tat. Martha nimmt sich, was sie will. Und ist darin ihrer Darstellerin wohl nicht gerade unähnlich.

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