piwik no script img

Kolumne So nichtLeitfaden für den Wahlabend

Doris Akrap
Kolumne
von Doris Akrap

Aufgeregt wegen der Wahl? Froh, dass es bald vorbei ist? Es gilt: Letzte Gelegenheit, nochmal loszuwerden, was sowieso die ganze Zeit gesagt wurde.

Für einige war der US-Wahlkampf eine einzige Party. Wohl dem, der am Mittwoch noch Grund zum Feiern hat Foto: ap

1 .) Machen Sie sich locker, morgen ist endlich alles vorbei: die USA, wie wir sie kannten. Die freie Welt. Der Westen. Der Dienstag. Der Trump. Die Clintons. Das Establishment. Die Republikaner. Die Texte darüber, warum es eine Katastrophe ist, wenn Trump gewinnt. Und die Texte darüber, warum es überhaupt nicht so schlimm ist, wenn Trump gewinnt.

2.) Atmen Sie noch mal tief ein und aus, morgen ist nichts mehr wie heute: Es ist entweder Faschismus oder Bürgerkrieg oder Mittwoch.

3.) Bereiten Sie sich auf alle Eventualitäten vor: Der rote Knopf wird gedrückt, Moskau bombardiert oder Mittwoch, der 9. November 2016, wird schwärzester 9. November seiner Generation.

4.) Wenn Sie das Gefühl haben, Ihr Partner, Freund, Kuscheltier könnte Sie mit Argumenten schlagen, rufen Sie, so lautes geht: „Ich kenne deine E-Mails!“

5.) Benutzen Sie in allen Diskussionen und so oft sie können das Wort „Establishment“. Vorteil: Wer und was das Establishment so genau ist (Banken, Reiche, Mächtige, Wichtige, die Clintons …), bleibt in diesem Wort so schwammig wie in dem Wort „Linke“. Und deswegen:

6.) Machen Sie in allen Diskussionen die Linken für Trump und überhaupt alles, was rechts ist, verantwortlich. Kommt gerade super an. Auch bei den Linken. Als links bezeichnet sich sowieso niemand mehr, der bei Trost ist (außer denen, deren Partei so heißt), und deswegen ist das ein super Sündenbock, weil der beste Sündenbock ist immer noch der tote. Zum Erhalt der eigenen Glaubwürdigkeit sollten Sie es aber nicht übertreiben. Hitler, Klimawandel und Kitamangel können Sie auch der CSU anlasten.

7.) Bei Witzen, über die Sie nicht lachen wollen, sagen Sie: „Das hätte auch von Donald Trump kommen können.“

8.) Formulieren Sie Sätze, deren Aussage Sie bei Bedarf schnell auch ins Gegenteil verkehren können:

1.) Wir werden Barack Obama noch vermissen. Ich vermisse ihn jetzt schon. (Wofür hat Obama noch mal den Friedensnobelpreis gekriegt?)

2.) Dieser Wahlkampf war der schlimmste aller Zeiten. (Dieser Wahlkampf war schlimm. Aber es gab schon schlimmere.)

3.) Am Erfolg von Trump sind die Linken schuld. (Am Erfolg von Trump sind die Rechten schuld.)

4.) Es war der vorhersehbarste Wahlkampf aller Zeiten. (Es war der überraschendste Wahlkampf aller Zeiten.)

5.) Der Wahlkampf hatte keinen Inhalt. (Es war der erste Wahlkampf, in dem es endlich mal um Grundsätzliches ging: die Demokratie.)

6.) Ich hab ja schon immer gesagt hat, dass Trump niemals Präsident wird. (Ich hab ja schon immer gesagt, dass Trump es schaffen könnte.)

7.) Wie konnte Trump überhaupt so weit kommen? (Einer wie Trump hätte es in Europa niemals so weit gebracht.)

8.) Seit ich mal mit einem Schüleraustausch in den USA war, wundere ich mich nicht, dass einer wie Trump da gewinnen kann. (Ich war noch nie in den USA. Und ich will auch gar nicht hin).

Schönen Mittwoch.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Doris Akrap
Redakteurin
Ressortleiterin | taz zwei + medien Seit 2008 Redakteurin, Autorin und Kolumnistin der taz. Publizistin, Jurorin, Moderatorin, Boardmitglied im Pen Berlin.
Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
  • Zitat: "Als links bezeichnet sich sowieso niemand mehr, der bei Trost ist".

     

    Vielleicht fällt das ja unter "neue Ehrlichkeit". Dass jemand "links" ist, der lieber an die unbegrenzte Macht einer/eines Einzelnen glaubt als an die (begrenzte) Vernunft Vieler, hätte ohnehin niemand geglaubt.

     

    Bleibt nur zu klären, was "bei Trost" sein meint. Ich schätze, es ist die vornehme Umschreibung für das, was früher Selbstbetrug aus Egogründen hieß.

  • Ha ha ha... Wie amüsant dat Ganze...

    Wat nu? Is´ wohl so, dat die Amis erstmal genug mit sich selber zu tun haben...

    Und eigentlich haben die USA, mit diesem Wahl/Politik Szenario ihren bisherigen Status als "Weltmacht für den Frieden" verspielt...

    Wat nu? Die EU tut gut daran, sich zu besinnen auf kommende globale Aufgaben, ohne zu sehr den Imperativen der USA zu gehorchen...

  • Ich vermisse hier wichtige Angaben im Artikel. Es gibt keine Angaben wieviel Bier oder Rotwein ich konsumieren soll, um dieses Geschehen ohne größeren (geistigen) Schaden verarbeiten zu können (abgesehen vom körperlichen Schaden durch die Substanzen). Es feheln hier wichtige Telefonnummern, der psychologischen Beratungsstellen, die ich anrufen kann, wenn ich verzweifle wegen dem ganzen Bockmist, der heute Abend gesendet wird. Was kann ich tun nach der Wahl ? Bitte geben Sie mir 2 alternative Handlungsanweisungen, je nachdem ob die große oder ganz große Katastrophe die Wahl gewinnt. Wo bestelle ich mein Apokalypse Notfall-Set? Fragen über Fragen!?!