Hans-Hermann Hirschelmann
Zum Kommentar von Thomsen
"Solidarnosc, Kriegsrecht, schließlich der Zusammenbruch des gesamten Ostblocks und der Fall der Mauer haben dem damaligen linken Weltbild buchstäblich den Boden unter den Füßen weggezogen - und davon hat sich, was in Deutschland so als "links" galt, bis heute nicht erholt.
Das ist schon deshalb nicht richtig, weil es auch damals kein "linkes Weltbild" gab. Außer in der DKP/SEW Presse wurde in den linken Medien etwa über die Streiks und die politischen Forderungen von "Solidarnosc" recht ausführlich und zumindest anfangs mit großer Sympatie berichtet, analoges lässt sich über Kritik am Hinauswurf Biermanns und Bahros oder dem Hausarrest Robert Havemanns sagen. In meinem damaligen Westberliner "linkem Umfeld" wüsste ich außer einigen Personen, die, wie sich später herausgestellt hatte, der Stasi zu Diensten waren, niemand, der dem östlichen "Gartenzwergsozialismus" zugeneigt war. Die meisten von uns waren - zumindest in den 80er Jahren allerdings mittels Einreiseverbot daran gehindert, tiefer gehende Erfahrungen zu machen und trügerische Hoffnungen auf eine Reformierbarkeit des "realen Sozialismus" einem Realitätscheck zu unterziehen.
Richtig ist, dass - nicht nur deshalb - damals (und wohl bis heute) die linke Analyse & Kritik der bisherigen Sozialismusversuche in der Regel zu oberflächlich waren (sind), und wir z.B. so gut wie keine konkreten Vorstellungen davon entwickelten, wie nach einem möglichen Mauerfall hätte mehr (Öko-)Sozialismus gewagt werden können. Wolf Biermann rief bei seinem ersten Ostkonzert nach dem Mauerfall in Leipzig seinem Publikum zu, dass er das Wort "Wiedervereinigung" nicht hören will weil "wir jetzt die einmalige Chance haben, das nur nominale Volkseigentum in wirkliches Volkseigentum zu verwandeln". Doch das war nicht mehr als ein frommer Wunsch. Hatte irgendjemand eine ungefähre Vorstellung davon, was "wirkliches Volkseigentum" bedeuten könnte? Etwa wie weit es das überhaupt geben könne, und für "Sozialismus", (verstanden als Verallgemeinerung der Möglichkeit zur Mitbestimmung der Produktionszwecke), nicht viel mehr "wirkliches Völkereigentum" von Nöten wäre?
Ein Konsens darüber herstellen zu wollen, dass "der Kapitalismus" endlich weg müsse, wie Ulrich Pelzer meint, halte ich wegen dieser ganzen Unklarheiten allerdings auch für kontraproduktiv. Es würde für erste reichen, sich etwa auf die Notwendigkeit eines globalen, ökologischen Ressourcenmanagements zu einigen, darauf, dass diktatorischen Regimes die Chance genommen wird, der Bevölkerung geraubtes Vermögen auf irgendwelche Kanalinseln zu transferieren damit es in postkolonialistisches Ausbeutungsvermögen verwandelt wird, in seriöse Staatsanleihen zugunsten von Bankenrettungsmilliarden oder als "fiktives Kapital" sonstwelche Enteignungsspielchen treiben kann. Und einiges Mehr in diese Richtung einschließlich eines globalen "Green New Deal".
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