Kolumne Roter Faden: Spaß an der Farce
Durch die Woche gesurft: Snowden im russischen Fernsehen, Kerry in Genf, das Wahlbusiness der Diktatoren und Vergewaltigung in Deutschland.
N ichts als Außenpolitik und böse Überraschungen dieser Tage: Allen voran Putin weiß den Spielraum zu nutzen, den ihm die verwirrte EU und der Demokratieverfall in den USA – siehe Snowden – eröffnen. Der nun wurde von Putin zu dessen TV-Spektakel zugeschaltet und stellt fest, dass die Ausspähung in Russland längst kein amerikanisches Ausmaß erreicht habe.
Wir wissen nicht, was Snowden denkt. Aber wir wissen, dass Putin sich mühelos Personen entledigt, die ihm in die Quere kommen. Insofern zeigt das Statement, wie erpressbar Snowden ist. Höchste Zeit, ihn nach Deutschland zu holen, um ihn sowohl vor den USA als auch Russland zu schützen. Ob sich das deutsche Parlament zu einer solchen Verteidigung der Demokratie durchringen kann? Immerhin ist sie mit einem Risiko behaftet. Vielleicht reagieren die Großmächte verärgert.
Putin verkündete diese Woche auch, das russische Parlament habe ihn ermächtigt, gegebenenfalls militärisch in der Ostukraine zu intervenieren. Das liest sich wie eine augenzwinkernde Inversion von Obamas vergeblichem Versuch, sich im US-Kongress Unterstützung für eine Intervention in Syrien zu holen.
Ein Putin aber scheitert nicht am Parlament, wie auch? Jeder einzelne Minister hängt am seidenen Faden, dessen Enden er in den Händen hält. Nähmen es die hiesigen Medien mit Worten etwas genauer, dürften sie das Gremium im Kreml niemals Parlament nennen und die alle paar Jahre wiederholte Stimmzettelabgabe nicht Wahlen. Dass die Sprachregelungen der Machthaber gern distanzlos übernommen werden, ist ein Symptom einer grassierenden Fantasielosigkeit, die zwischen Diktatur und Demokratie nicht mehr unterscheidet, sich aber stets an den Autoritäten ausrichtet.
Wahlen im Bombenregen
Ja, und auch Assad bereitet dieser Tage seine Wiederwahl vor. Am Spaß an der Farce mangelt es weder ihm noch seinen Kollegen im Diktaturengeschäft. Indessen lässt das syrische Militär Fassbomben auf die noch Lebenden in Aleppo und Homs regnen, und es wurde diese Woche in einem Dorf in der Nähe der syrischen Stadt Hama wieder Giftgas eingesetzt. Kein Diktator, wohl aber ein Präsident hat eine Schutzverantwortung für die Bevölkerung. Doch an dieser Selbstverständlichkeit werden Putin und Assad nicht gemessen, wer wird denn blauäugig sein?
Das hat Folgen auch für die Demokratien. Der hilflose Umgang mit der Ukraine und mit Syrien zeigt, wie weit die Orientierungslosigkeit reicht, in der sich die Demokratien befinden. Von der Orientierungslosigkeit der Linken nicht zu reden.
In Syrien selbst fragen sich viele, wer eigentlich noch wählen gehen soll: 9 Millionen, also knapp jeder Zweite, ist auf der Flucht, grob geschätzte 150.000 SyrerInnen wurden bereits ermordet. Übrigens kontrolliert Assad nur noch knapp die Hälfte des Landes. In diesen Gebieten könnte es allerdings sein, dass die Bevölkerung gezwungen wird, wählen zu gehen. In Damaskus zum Beispiel geht es heute wieder zu wie in den 1980er Jahren. Alle mussten ihre Fensterläden in den Farben der syrischen Flagge anmalen, da hat der Geheimdienst ein Auge drauf. Auch die Altstadt leuchtet nun in Schwarz, Grün, Rot – mit weißen Sternchen.
Auf zu viel Brot steht Gefängnis
Weniger lustig sind die zahllosen Checkpoints, die den Damaszenern den Alltag verelenden. Immer mühseliger wird es, sich von A nach B zu bewegen, und sei es nur, um Brot zu kaufen. „Sie haben haben fünf Laibe dabei, braucht Ihre Familie so viel oder helfen Sie jemandem?“ Humanitäre Hilfe hat Assad zum terroristischen Akt erklärt. Da kennt er keinen Spaß.
Und was gab es Erfreuliches diese Woche? Immer mehr Frauen erstatten in Deutschland bei Vergewaltigung Anzeige. Die Emanzipation schreitet voran. Gleichzeitig werden immer weniger Verfahren zugunsten der Klägerin entschieden. Der durchaus umstrittene Direktor des Kriminologischen Instituts Niedersachsen, Christian Pfeiffer, hat eine Studie vorgestellt.
Emanzipation in Deutschland
In den 1990er Jahren wurden noch knapp 22 Prozent der Beklagten verurteilt. Im Jahr 2012 waren es rund 8 Prozent. Diese Zahl blieb bislang unwidersprochen. Womöglich seien Polizei und Staatsanwaltschaft überlastet. Dank der 1997 durchgesetzten Strafbarkeit von Vergewaltigung in der Ehe hat sich etwas verändert: Frauen zeigen Männer an, mit denen sie in einer Beziehung stehen. Da steht dann häufig Aussage gegen Aussage, und die Beschuldigten leugnen auch gar nicht, Sex gehabt zu haben – nur sei der eben einvernehmlich gewesen.
DNA-Analysen helfen da bei der Klärung der Schuldverhältnisse nicht weiter. Es ist komplizierter geworden. Und für die betroffenen Frauen fast aussichtslos. Denn noch immer hat man keine Fragetechnik entwickelt, die den Zeitpunkt, an dem Einvernehmlichkeit in Gewalt kippte, juristisch eruierbar macht.
Zeit, sich den Ostereiern zuzuwenden. So viel Elend erträgt ja niemand ohne irgendetwas Nettes im Bauch.
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