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Kolumne Press-SchlagArm dran, wer Arme hat

Kolumne
von Markus Völker

Es steht wieder ein Fußball-Wochenende mit Handelfmeter-Diskussionen bevor, Besserung ist nicht in Sicht. Was ist Hand, was nicht?

Schwer zu sagen, ob der Ball zum Spieler findet oder umgekehrt Foto: dpa

S eit geraumer Zeit sieht man Verteidiger merkwürdig verkrampft im Strafraum herumlaufen. Wenn sie mit einem Schuss des Gegners rechnen, schnellen ihre Arme ruckartig nach hinten. Die Extremitäten werden für ein paar Augenblicke auf dem Rücken geparkt. Es geht darum, nur ja nicht den Ball zu berühren.

Manchmal rennen diese armlosen Torsi sekundenlang neben einem Außenstürmer her, was nicht nur lächerlich aussieht, sondern auch mit einem Handicap verbunden ist. Der Angreifer darf mit seinen Armen durchschwingen und Tempo aufnehmen, der Defensive muss als Karikatur seiner selbst nebenherlaufen. Das ist unfair, aber genau so von den Regelhütern des Fußballs gewollt.

Sie haben das Handspiel im Strafraum zu einem Seminar in Anatomie für Fortgeschrittene gemacht. Keiner weiß mehr, was gehauen und gestochen ist. Was ist Hand, was nicht? Jedes, wirklich jedes Bundesliga-Wochenende wird über Sinn und Unsinn eines Hand-Elfmeterpfiffs diskutiert.

Die Schiris beugen sich mit heiligem Ernst über die Vergehen der Handdeliquenten und entscheiden nach ihren Ausflügen zum Bildschirm zumeist gegen die ­vermeintlichen Täter, die sich möglicherweise fragen, ob es nicht besser wäre, sich die Hände präventiv abzuhacken. Mal ist ein un­absichtliches Handspiel strafbar, ein andermal nicht. Die Willkür hat Einzug gehalten in die Stadien.

In der guten alten Zeit galt die Regel: Absichtliches Handspiel wird geahndet, unabsichtliches nicht. Aber auch diese Vorgehensweise hat ihre Tücken, denn es liegt im Ermessen des Schiedsrichters, ob der Spieler seine Hand bewusst zum Ball führt – oder der Ball auf verschlungenen Pfaden seinen Weg an die Hand des armen Kickers findet. Nun ist wohl im Handbuch der Regelhüter – so genau weiß man es nicht – festgeschrieben, dass jedes Handspiel, bei dem der Arm über der Schulter den Ball berührt, ein Delikt ist.

Aber auch unterhalb wird vogelwild drauflosgepfiffen. Schiri A sagt: Gnade vor Recht. Schiri B meint: Jedes Handspiel führt zum Strafstoß, egal, ob der Ball mit 100 Sachen aus zwei Meter Entfernung kam und der Innenverteidiger nur hilflos im Weg stand. Das ist absurd, denn der Ball ist in so einem Fall nach 0,07 Sekunden am Körper des Verteidigers, was unter der Reaktionsschwelle liegt. Meistens wird der Verteidiger unschuldig verhaftet.

Das Regelwerk zum Themenkomplex Handspiel ist zu einer Farce verkommen – und der Schiedsrichter zum Handlanger einer bizarren Regelauslegung.

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