Kolumne Press-Schlag: Ein Grüßaugust ohne Befugnisse
Infantino ist der neue Blatter. Als Grüßaugust ohne Befugnisse entspricht er voll den neuen Reformen der Fifa. Der Dreck passiert auch ohne ihn.
D as Erstaunen ist groß. Wie konnte mit Gianni Infantino nur ein Wiedergänger von Sepp Blatter zum Chef der Fifa gewählt werden? Wie konnte beim Weltfußballverband, wo seit Monaten die Notwendigkeit des Neuanfangs mantrahaft beschworen wird, die alte Blatter-Masche so verfangen? Allen viel Geld und mehr WM-Startplätze versprechen, sich mit seinen multiplen Sprachkenntnissen als Weltmann und Präsident aller zu präsentieren und den Fußball global ins Herzschmerzhafte zu überhöhen.
Er wolle, so Infantino in seiner Bewerbungsrede, die Fifa zu einer Organisation entwickeln, „die hilft, den Fußball zu entwickeln, die Kindern hilft, ihr Lächeln zu finden“. Infantino verschwand derart hinter der Blatter-Schablone, dass er nach seiner Wahl klarstellen musste, dass da tatsächlich zwei Menschen existieren: „Infantino ist Infantino, Blatter ist Blatter.“
Diese erfolgreiche Strategie, im alten Gewand für einen Neuanfang zu werben, ist genau besehen überhaupt nicht erstaunlich. Das neueste Reformwerk der Fifa ist darauf ausgelegt, dass der Chefposten künftig am besten von jemandem mit Blatter’schem Amtsverständnis bekleidet wird.
Für Sepp Blatter wäre diese neue Fifa – wenn man einmal von der eingeführten Amtszeitbeschränkung absieht – ein Traum gewesen. Er hätte endlich ausschließlich das tun dürfen, was er sowieso am liebsten gemacht hat: mit dem Papst um die Wette reisen, den Fußball in der Welt repräsentieren, über den sinn- und friedensstiftenden Auftrag einer Ballsportart predigen (“Wenn alle Menschen Fußball spielen würden, gäbe es keine Kriege – aber es spielt nicht jeder Fußball“). Und er wäre vom schmutzigen Geschäft und der Verantwortung für die Machenschaften seiner korrupten Funktionäre entbunden gewesen. Sein diesbezügliches Desinteresse wäre strukturell legitimiert gewesen.
Dafür sind jetzt die mit externen Experten besetzten Kontrollgremien zuständig. Der Fifa-Präsident ist vom schmutzigen Geschäft des Machtzentrums, das nun unter der Aufsicht des Generalsekretärs getätigt wird, abgekoppelt. Er ist eine Art Grüßaugust, der sich dennoch bedeutend fühlen darf. Schließlich kann der Präsident den Generalsekretär benennen und absetzen.
Wie Blatter ist Gianni Infantino ein Mann, der sich vom Krisengerede überhaupt nicht beeindrucken lässt: „Es ist vorbei, wir blicken nach vorn.“ Er ist kein Mann fürs Kleinkarierte, sondern für die großen Worte: Sein Twitter-Account läuft derzeit über mit unzähligen pathetischen Dankesbekundungen. Es ist, als wollte er nur sagen: „Danke, dass ich Danke sagen darf.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Pistorius lässt Scholz den Vortritt
Der beschädigte Kandidat
Haftbefehl gegen Netanjahu
Begründeter Verdacht für Kriegsverbrechen
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Krieg in der Ukraine
USA will Ukraine Anti-Personen-Minen liefern
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu
Wanted wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen