Kolumne Press-Schlag: Und niemand wollte heulen

Bei der Rückkehr des ehemaligen Mainzer Trainers Jürgen Klopp in schwarz-gelbem Trainingsanzug flossen keine Tränen. Und selbst der Fußball wehrte sich vor der Seifenoper.

Es ist angerichtet. Der verlorene Sohn kehrt zurück in die Heimat. Dorthin, wo er immer noch verehrt wird wie ein Heiliger. Diesmal allerdings sitzt er im Bus des Gegners. Beim Abschied vor zwei Jahren waren Tränen geflossen, erwachsenen Männern war reihenweise die Rührung verrutscht, als das Ziehkind seine geliebte Familie verließ, um ein neues Glück in der Fremde zu suchen. Oder im Klartext: Jürgen Klopp ist zum ersten Mal als Dortmunder Trainer zu Gast im Mainzer Stadion am Bruchweg, dort, wo er 18 Jahre lang Spieler und Trainer war. Und der Fußball wird zur Seifenoper.

Sollte er jedenfalls. Wollte er aber nicht. Der Fußball hat einfach nicht mitgespielt.

Niemand hat geheult in Mainz. All die rührenden Geschichten, die vorbereitet waren, die schönen, aus dem Archiv gekramten Bilder vom flennenden "Kloppo" und der Mainzer Massenhysterie, die pathetischen Anmoderationen und die mit Klavier unterlegten Einspielfilmchen, all das lief - ins Leere. Der Fußball konterte die mediale Kitschoffensive mit einem sturzöden 1:0 einfach aus.

Nein, da war nichts zu machen, die avisierten Emotionen waren dem tatsächlichen Ereignis nicht abzuquetschen. Ein denkbar unspektakulärer Sieg, drei Punkte für eine Mannschaft im Tabellenniemandsland und selbst für den Verlierer ist alles beim Alten, die Dortmunder Champions-League-Chancen weiter intakt. Also hat Klopp ein paar alte Anekdötchen erzählt, später dann auch noch im "Aktuellen Sportstudio", wo er eingeladen war und Michael Steinbrecher noch einmal verzweifelt versuchte, aus dem langweiligsten Spiel des Spieltags eine beim besten Willen nicht vorhandene Dramatik zu melken.

Das geht aber auch anders: In Hannover traf der Lehrling auf seinen Lehrmeister, der von einem tragischen Selbstmord geschüttelte Abstiegskandidat auf den überraschenden Meisterschaftsanwärter, ein umstrittener Trainer auf einen Heilsbringer, ein verstoßener Übungsleiter auf den Club, der ihn einst in Schimpf und Schande davonjagte. Doch in diesem Fall hielt der Fußball all seine Versprechen: Ein aussichtsloser Rückstand wird schnell aufgeholt, doch der taumelnde Außenseiter bricht nicht zusammen, sondern bäumt sich, mit dem Rücken zur Wand, auf und zieht den Kopf aus der Schlinge. David gewinnt gegen Goliath, sechs Tore, ungezählte abgekaute Fingernägel.

Das ist eben das Schöne am Fußball. Da können die Vermarkter und Medienmenschen, die Spin-Doktoren und Drehbuchautoren noch so viel schrauben und planen: Schlussendlich weiß man dann halt doch nie, wies ausgeht.

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