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Kolumne Press-SchlagSie haben Wachs in den Ohren

Kolumne
von Markus Völker

Hinweise auf Doping gab es auch im Fußball. Da hätten alle Alarmglocken anspringen müssen. Doch der DFB ließ das lieber alles unter den Tisch fallen.

Die Frage ist, wie der Deutsche Fußball-Bund mit den kickenden Dickblütern umgegangen ist. Bild: dpa

L ance Armstrong hatte von Natur aus eher dünnes Blut. Sein normaler Hämatokritwert lag bei etwa 41. Das heißt: In seinem Blut schwammen gar nicht so viele rote Blutkörperchen, die den so wichtigen Sauerstoff transportieren.

Neben seinem Willen, der Beste zu sein, war sein recht niedriger Hämatokritwert ein Wettbewerbsvorteil. Denn Armstrong konnte sich mit Epo schwungvoll herandopen an den Grenzwert von 50, sprich: sein Blut dicker machen. Erheblich mehr Sauerstoff kam dann in den Muskeln des US-Radlers an.

Nun ist es so, dass jeder Radsportler, bei dem ein Wert über 50 gemessen wird, pausieren muss. Das hat gesundheitliche Gründe: Wenn das Blut zu dick wird, kann es passieren, dass das Herz die zähe Masse nicht mehr in Bewegung halten kann.

Viele Radsportler sind vor allem Anfang der Neunziger an Epo-Überdosierungen gestorben, meist nachts im Schlaf. Von Fußballern, die tot in Hotelzimmern gefunden worden, ist nichts bekannt, und doch beschäftigt man sich dieser Tage mit dem dicken Blut von Fußballspielern.

Der DFB-Arzt Tim Meyer hat 2011 eine Studie im International Journal of Sports Medicine veröffentlicht, zusammen mit Steffen Meister. Titel: „Routine blood parameters in elite soccer players“.

Die Autoren haben Bundesligaprofis Blut abgezapft und unter anderem den Hämatokritwert ermittelt. Acht Hämatokrit-Abweichungen haben die Autoren bei 467 Spielern gemessen, also Werte über 50. Der höchste Hämatokritwert lag bei 54,9.

„Wir hätten Radsportler mit diesen Zahlen geköpft. Ausdauersportler werden mit Schutzsperren belegt, zum Schutz vor ihrem eigenen Doping. Der Fußball verschließt die Augen“, hat der Dopingexperte Fritz Sörgl jetzt zu diesen Zahlen gesagt.

Augen zu und durch

Die Frage ist, wie der Deutsche Fußball-Bund mit den kickenden Dickblütern umgegangen ist. Hat er Ermittlungen eingeleitet? Wurde die Nada informiert? Mussten die betroffenen Spieler pausieren?

Nein, nichts von alledem ist augenscheinlich passiert.

Meyer bestätigte lediglich, die Werte „unter Wahrung der notwendigen Diskretion und Schweigepflicht zeitnah an die Vereinsärzte übermittelt zu haben“. An die Schweigepflicht hat sich dann auch der Verband gehalten, der ja schon den Dopingforschern von der Berliner Humboldt-Uni den Weg zu den DFB-Archiven versperrt hatte.

Das alles hat einen starken Hautgout. Schwaden dieses strengen Geruchs ziehen sich durch alle Etagen des Profifußballs. Bislang konnte die Fußballszene noch immer den Großverdacht auf andere Sportarten lenken. Im Zweifelsfall argumentierte man dreist, Doping im Fußball bringe nichts.

Komplexe Sportart

Nebenbei bemerkt: Fußballer rennen im Spiel 12 Kilometer – und das soll dann kein Ausdauersport sein? Auch Tim Meyer ist offensichtlich ein Freund dieser Schutzbehauptung. In einem Interview, das der DFB auf seiner Homepage veröffentlicht hat, eiert er herum: „Fußball ist eine komplexe Sportart.

Ausdauer spielt natürlich auch eine Rolle, aber nicht die führende, und steht aber nach unserem Dafürhalten im Bereich des Dopings nicht im Vordergrund.“

O mein Gott, möchte man da ausrufen und Meyers ärztliche Kompetenz anzweifeln.

Sicherlich, ein Hämatokrit-Wert von 54,9 ist vielsagend, doch ein Dopingbeweis ist er noch nicht, weil dem ja vielleicht eine seltene genetische Ursache zugrunde liegt. Er lässt aber die Alarmglocken schrillen.

Was in anderen Verbänden zu hektischer Betriebsamkeit und vielleicht sogar zu Presseerklärungen geführt hätte, das lässt der Fußballbund locker unter den Tisch fallen. Im DFB hat man offenbar Wachs in den Ohren.

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Redakteur
Seit 1998 mehr oder weniger fest bei der taz. Schreibt über alle Sportarten. Und auch über anderes.
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