Kolumne Press-Schlag: Säbener-Sigi spricht Tacheles
Der FC Bayern macht Theo Zwanziger zur Schnecke, obwohl der doch eigentlich recht hat. Man fährt nicht zu den Saudis, findet der Altfunktionär.
W ir wissen, wer Loden-Kalle ist. Den Steuer-Strolch und Power-Pep kennt man auch. Aber wer ist noch gleich der Säbener-Sigi, der beim FC Bayern München eine Kolumne mit dem sehr treffenden Titel „Rot & Spiele“ verfasst? Mit dem Säbener-Sigi ist nicht zu spaßen, er ist so etwas wie die Einmann-Pegida-Bewegung des FC Bayern, denn der Sigi sagt, was sich viele beim Rekordmeister denken, aber nicht zu sagen trauen. Wenn man so will, ist der Säbener-Sigi das Volk, also das bayernbewegte Fußballvolk.
Jetzt hat der Sigi dem Theo Zwanziger, diesem Altfunktionär mit der großen Klappe, mal eine ordentliche Watschn verpasst. Einer musste es ja machen. Ging ja auch eindeutig zu weit, Zwanzigers Kritik an der Reise des FC Bayern nach Saudi-Arabien, in ein Land, das Kritiker auspeitscht, Frauen in kein Stadion und schon gar nicht hinters Steuer lässt und den Staat Israel gar nicht mag. „Ich weiß schon länger, dass bei den Bayern Kommerz Ethik schlägt und sich im Zweifel auf die Seite des Geldbeutels gestellt wird. Das ist schade, aber überrascht mich nicht“, hatte der Ex-DFB-Präsident gestänkert.
Der Säbener-Sigi, laut Loden-Kalle ein „unabhängiger Satiriker“ aus Bayern, antwortet in seiner aktuellen Kolumne in souveräner Bayern-Manier: „Ach, Theo, geht’s Dir gut? Fehlt Dir was (außer öffentlicher Aufmerksamkeit)? … Braucht der Dr. einen Doktor?“ Penibel listet der Sigi auf, wie super der Theo den FC Bayern früher fand. Und außerdem sei ja auch die Auswahl des Deutschen Fußball-Bundes 1998 zum „Freundschaftsspiel“ ins König-Fahd-Stadion von Riad gereist.
Im Grunde lässt der Säbener-Sigi nichts unversucht, aus Zwanziger einen Lügen-Theo zu machen. Er betreibt sozusagen pegidistische Hermeneutik. Das ist die hohe Dresdner Deutungskunst. Ähnliche Versuche der Verächtlichmachung hat es früher schon gegeben, als Zwanziger noch Fußballchef war, nur sprach man da vom „falschen Fuffziger“.
Satirische Wunderwuzzi
Mittlerweile ist Zwanziger, der seine Machtbasis im Amateurfußball hatte, ein Außenseiter im großen Fußballbusiness, weswegen es auch Loden-Kalle leicht fällt, Zwanziger anzugehen wie ein Kampfhund den Abrichter. „Unter der Gürtellinie“ seien Zwanzigers Einlassungen: „Natürlich hätten wir ansprechen müssen, dass in Saudi-Arabien die Menschenrechte nicht immer so gehandhabt werden, wie man es sich wünscht. Das ist aber kein Grund, dass man so nachtritt.“ Echt nicht?
Aber wie, fragt man sich, passt es zusammen, wenn Deutschlands führender Klub in ein Land fährt, in dem der Antisemitismus praktisch Staatsräson ist – und der gleiche FC Bayern heute eine Ausstellung eröffnet über Juden im deutschen Fußball und im eigenen Verein? Der Säbener-Sigi, dieser satirische Wunderwuzzi, wird es uns sicher bald erklären.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
Schwedens Energiepolitik
Blind für die Gefahren