piwik no script img

Kolumne Press-SchlagIhr müsst leider draußen bleiben

Martin Krauss
Kolumne
von Martin Krauss

Der 1. FC Köln hatte ein Problem mit Fans. Jetzt glaubt der Klub, er wäre es los. Denn er hat die Jungs vor die Tür geschickt.

Fans? „Boyz“? Strahlenschutzexperten? Platzsturm in Köln. Bild: dpa

W arum machen die das? Das ist eine nachvollziehbare Frage, die sich stellen kann, wer die Fangruppe „Boyz“ des 1. FC Köln am letzten Wochenende in Mönchengladbach mit ihren dämlichen weißen Kostümen zunächst auf der Tribüne sitzen und dann auf den Rasen rennen sah. Das Besondere an der naheliegenden Frage nach dem Warum ist aber, dass es in Deutschland völlig reicht, sie zu stellen. Das genügt, wer braucht schon Antworten?

Das Fanprojekt Köln hat sich die Frage gestellt. „Natürlich distanzieren wir uns in aller Form“, heißt es in einer Erklärung, in der auch steht, man verstehe sehr wohl, „wie es zu den Ausschreitungen gekommen ist“. Immerhin das Fanprojekt will also die Frage nach dem Warum beantworten. Das aber ist nicht im Sinne des Vereins, lässt Jörg Schmadtke wissen: „Das verstehe ich nicht“, sagte der FC-Manager. „Das ist mir schleierhaft, dafür habe ich keine Erklärung.“

Er versteht’s nicht, weil er’s nicht verstehen will. Wenn sich der FC das Know-how seiner Fanexperten anhören würde, könnte er ja für die Zukunft etwas lernen. Als mögliche Gründe für die Eskalation wären zu nennen: die völlig überflüssige Terminierung des von Aggressivität begleiteten Derbys auf den Karnevalssamstag oder aber die von manchem als Provokation empfundene Überwachung der Kölner Fans durch einen Hubschreiber, nur weil sie gerade am Aachener Hauptbahnhof umstiegen.

Solche Erklärungen verweisen darauf, dass Fußballgewalt tatsächlich, wie der Name andeutet, nicht nur etwas mit Gewalt, sondern auch mit Fußball zu tun hat.

Das sind keine Fans!

Beim FC aber hat man sich für die Erklärung entschieden, die schon seit Jahrzehnten im deutschen Verbandswesen funktioniert: Das sind keine Fans! Das hat mit Fußball nichts zu tun! Das sind Bilder, die wir nicht sehen wollen! So grandios, wie das Phänomen analysiert wird, so grandios wird auch gehandelt: Die schmeißen wir raus aus dem Verein! Denen erteilen wir Stadionverbot! Über die reden wir doch nicht! Und mit denen schon gar nicht!

Wie toll dieses Vorgehen funktioniert, nämlich gar nicht, kann der 1. FC Köln in seinem eigenen Vereinsarchiv nachgucken: Vor ziemlich genau zwei Jahren hatten Mitglieder des Fanclubs „Wilde Horde“ einen Bus mit Gladbacher Fans angegriffen. Die FC-Führung reagiert so ignorant wie oben beschrieben.

Auch auf die schlimme Kampagne gegen den damaligen FC-Profi Kevin Pezzoni, dem von Fans einmal die Nase gebrochen wurde und dem ein anderes Mal vor seinem Haus aufgelauert wurde, reagierte der FC mit dem kölschen Dreisatz: Kenne mer nit, wolle mer nit, bruche mer nit.

Zur Frage, warum Fans zur Gewalt greifen, gesellt sich also eine andere Warum-Frage: Wenn alle Welt weiß, dass Gewalt nicht vom Himmel fällt oder sich durch unterirdische Gänge ins Stadion vorarbeitet, warum kommen Klubs, DFL und DFB immer noch mit der jeden Intellekt beleidigenden Behauptung durch, sie hätten damit nichts zu tun und das sei ein Problem der Gesellschaft, nicht des Fußballs.

Liebe Fußballklubs! Wenn es Gewalt in der Schule gibt, hat das auch etwas mit der Schule zu tun, und wenn es Gewalt im Stadion gibt, gehört das eben auch zum Fußball. Soll heißen, lieber deutscher Profifußball: Auch du bist die Gesellschaft.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Martin Krauss
Jahrgang 1964, Mitarbeiter des taz-Sports schon seit 1989, beschäftigt sich vor allem mit Fußball, Boxen, Sportpolitik, -soziologie und -geschichte
Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
  • Ein nichtssagender Beitrag, der schön im Ungefähren bleibt. Es gibt leider nur sehr wenige Vereine, die den Mut haben, "Fans" wie die Boyz rauszuschmeißen. Was sollen man auch sonst tun? Sie resozialisieren? Haha. Allerdings ist durchaus denkbar, dass man mit dem Rausschmiss den DFB milde stimmen möchte, denn das Urteil zu den Krawallen steht ja noch aus.

  • Wenn ich, weil 4 Stunden zuvor ein Hubschrauber über mir kreiste, Zäune überrenne und auf Leute losgehe, habe ich ganz andere Probleme, als König Fußball.

     

    Aber das Spektakel habe ich als langjähriger Frankfurter Auswärtsfahrer selbst schon miterlebt. Da pinkeln dutzende ihre Bierbecher bis zum Anschlag voll, um sie über den Zaun auf die Gäste in den "neutralen Blöcken" zu kippen. Und bittet man im Block dann noch Leute, für ihre Bedürfnisse doch das Stadion-WC aufzusuchen, wird man noch von zig zuvor unbeteiligten angefahren, dass wenn man nur schunkeln wolle, doch bitte zum Fernsehgarten gehen möchte.

     

    Das Problem sind nicht nur weitgehend asoziales (Frankfurt) oder gewaltbereites (Köln, Dresden und Konsorten) "treues" Publikum, sondern längst auch die breite Masse, die bei egal welchen Sanktionen immer nur von "Willkür" quatscht, ganz egal, inwieweit ihre Begleiter dem Verein Schaden zufügen.

     

    Da fehlen mir bei der Betrachtungsweise des Autors beinahe die Worte.

  • Selten so etwas Undifferenziertes und mit halbseidenen Vergleichen Gespicktes gelesen. Die Aggressivität Einzelner auf die Umstände einer Großveranstaltung konkret zurückzuführen und diejenigen 98%, die sich an gleichem Ort völlig gesellschaftlich konform im Griff haben, vollkommen zu ignorieren - dazu gehört schon einiges. Bei der nächsten Meldung zu einem Verkehrstoten suche ich die Ursache auch nicht beim Fahrer - ich klage den Autohersteller an. Und das Ministerium für Straßenbau. Bloß keine Eigenverantwortung. Wo gehobelt wird, fallen schließlich Späne.