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Kolumne Post aus TeheranAuf der Party mit Kiarostami

Nicht alle finden es gut, dass sich Kiarostami an die persische Hochkultur herangewagt hat

Auf einer Teheraner Privatparty wird der Film "Close-up" von Abbas Kiarostami aus dem Jahr 1991 im kleinen ausgewählten Kreis gezeigt. Die Gäste sind andere bekannte Filmemacher, Künstler und Philosophen. Und sie diskutieren die aktuelle Bedeutung von Kiarostami. Man duzt sich. "Das war ein guter Film von Abbas", sagt eine Filmemacherin, "er ist immer noch aktuell." Dieser Tage sind die Zeitungen voll von Interviews mit Kiarostami. Der Filmer hat kürzlich die Verse von Saadi und Hafes neu ediert herausgebracht, beides Dichter aus dem 13. und 14. Jahrhundert. "Saadi, nacherzählt von Abbas Kiarostami" und "Hafes, nacherzählt von Abbas Kiarostami" lauten die Titel wenig bescheiden.

Kiarostami hat die Verse zum Teil neu interpretiert, manche Verszeilen gestrichen oder umgeschrieben. Die Neuinterpretationen sind in der Presse umstritten. Er solle beim Filmemachen bleiben, sagen manche, während andere loben, dass er sich an die persische Hochkultur herangewagt hat. Kiarostami ist ein sehr vielseitiger Künstler. Seine Fotografien werden in der ganzen Welt ausgestellt, eine Videoinstallation von ihm war letztes Jahr im MoMA in New York zu sehen; auch Gedichtsammlungen sind von ihm erschienen. Als Filmer arbeitet Kiarostami gerne ohne Drehbuch und mit Laiendarstellern, denen er nur vage Vorgaben macht. Die Dialoge in seinen Filmen wirken oftmals sehr authentisch. Diese Technik wurde inzwischen von vielen Regisseuren kopiert.

Der iranische Film von heute lässt sich auch gut über einen kleinen Umweg verstehen. Im Norden Teherans, im Viertel Tajrish, liegt in einer alten Villa aus der Qajar-Dynastie das iranische Filmmuseum. Hier erfährt man eindrücklich, mit welchen Techniken und Apparaten früher hantiert wurde, wer die ersten Tontechniker, Kostümdesigner oder Plakatgestalter waren. Interessant: Auch ein aktuelles Poster von Marjane Satrapis im Iran verbotenem Film "Persepolis" hängt hier an der Wand. Der erste iranische Film wurde 1900 gedreht von Mirza Ebrahim Khan Akkasbashi, der den Schah Muzaffer Al-Din Shah auf seiner Europareise im Sommer 1900 begleitete. 1909 eröffnete in Teheran das erste Kino, das Farous Movie Theater, das noch heute besichtigt werden kann. Doch die heutige iranische Filmwelt ist alles in allem überschaubar: Mohsen Makhmalbaf, Jafar Panahi, und Majid Majidi sind hier verewigt. Und natürlich Abbas Kiarostami.

An einem anderen Abend lädt die junge Schauspielerin und Filmemacherin Mania Akbari zu sich ein. Sie führt stolz durch ihre Wohnung, wo sie ihre eigenen Filmposter aufgestellt hat. Bekannt wurde sie durch den Film "Ten" von Kiarostami, wo Akbari eine Taxifahrerin spielt, die in zehn Szenen die Leidensgeschichten und Schicksale ihrer Fahrgäste erfährt. Auf der Party tummeln sich Schauspieler, Künstler, Teheraner Nacht- und Musikszene. Überall Gespräche über Kiarostami. Er und das gesamte iranische Kino haben wegen der Internationalität eine besonders wichtige Stellung. Kiarostami hatte noch eine Ausbildung an einer Filmhochschule hinter sich gebracht. Jetzt etablieren sich immer mehr Junge auf den regionalen Filmfestivals, ohne eine klassische Filmausbildung zu haben. "Wozu braucht man schon das theoretische Wissen," meint der Dokumentarfilmer Kamran Shirdel. "Filmemachen beginnt im Herz, nicht im Kopf. Fühlen muss man, nicht denken." Und einfach drauf los filmen. Das kann interessant sein, muss es aber nicht.

Als junge Filmemacher, die ebenfalls als Autodidakten angefangen haben, stellen sich Mahmoud Ibrahimi und Habib Bavi Sayed vor. Und sie schwören auf Kiarostami. Ibrahimi behauptet, er sehe durch seine Linse genauso wie der Altmeister. "Kiarostami ist einfach der Größte."

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