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Kolumne Pflanzen essenIm Zweifel ein entschlossenes Jein

Wer vegan leben will, kann jede Menge Fehler machen. Das schreckt ab, manche Leute versuchen es erst gar nicht. Ein Plädoyer gegen den Perfektionismus.

Und wenn doch mal eine aus Fleisch dabei ist? Dann ist es wurst! Foto: dpa

W er nur Pflanzen futtert, bleibt ewig jung. Und hat dabei noch eine Superfigur. Und niemals Schnupfen.

So mancher verspricht sich wundersame Dinge von veganer Ernährung. Hat große Erwartungen, manchmal auch zu große: an den Lifestyle, an andere und an sich selbst. Stellt sich dann heraus, dass positive Effekte nicht sofort und nicht für jeden eintreten, verlieren viele den Glauben – und springen ganz ab.

Viele Veggie-Veteranen haben aber auch zu große Erwartungen an Neuveganer. Haben vergessen, dass aller Anfang schwer ist und dass eine Totalumstellung der Ernährung den wenigsten ohne Probleme gelingt. Dass es bei Neulingen halt manchmal hakt und sie doch mal Hack essen.

Anstatt alle, die bewusst oder unbewusst mal „Fehler“ machen, durch den verbalen Fleischwolf zu jagen, wäre es hilfreicher, ihre Bemühungen anzuerkennen. Der Weg ist das Ziel. Absolute Perfektion in der Sache ist für fast ausnahmslos alle unerreichbar.

Kürzlich schrieb der von mir geschätzte Micky Beisenherz über Bär Läskers Kritik an Frank Zanders Weihnachtsgänseessen für Obdachlose: „Wer immer gut sein will, sollte sich besser mit dem Scheitern vertraut machen – es wird sein ständiger Begleiter sein. Smartphones zum Beispiel enthalten Kupfer. Dessen Herstellung wiederum benötigt tierischen Knochenleim als Hemmstoff.“ So sieht’s aus.

Apropos Perfektionismus: Die Angst, einem Ideal nicht entsprechen zu können, hält viele davon ab, es mit dem Veganismus überhaupt zu versuchen. Weshalb ich in der Sache für ein entschlossenes Jein plädiere, basierend auf meiner Philosophie: Go AVAP (as vegan as possible).

Sprich: Wer ab und zu mal Ausnahmen macht oder Ausrutscher hat, muss nicht gleich vom veganen Wagen springen. Einfach wieder rauf auf das Ding und weitermachen.

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6 Kommentare

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  • Es ist doch schon ein Fortschritt und positiv, wenn weniger tierische Produkte konsumiert werden. Belehrungen oder gar Beschimpfungen bewirken das Gegenteil.

  • Aber sowas wie der Knochenleim für Kupfer kommt ja nur von Antiveganern. Sobald es Smartphones ohne Knochenleim gibt werden Veganer auch diese kaufen, wenn es denn mal ein neues Smartphone sein soll. Gibt's aber bisher nicht.

    Vegane Schnitzel gibt's aber schon lange, auch wenn die vielleicht bald anders benannt werden müssen. Das macht's aber auch längst nicht so kompliziert, wie manche behaupten.

     

    "as vegan as possible" ist auch Unsinn, da redundant.

    Denn "as far as is possible and practicable" war immer schon in der offiziellen Definition der Vegan Society drin. Aber von Kolumnisten kann man ja nicht erwarten sich zu informieren.

     

    Mit "Ausnahmen" und "Ausrutscher" hat das aber wenig zu tun. Man kann nicht behaupten antirassistisch zu sein, aber manchmal "Ausnahmen" und "Ausrutscher" zu haben.

     

    "Ich bin Antirassist, aber bei Türken mach ich manchmal eine Ausnahme und ein 'Neger' rutscht mir schon ab und zu mal raus."

     

    Nein, so geht das nicht.

    • @Claude Martin:

      es geht nicht ums komplizierte sondern um die rein menschliche neigung zu durchhaltedurchhängern und rückfällen. das passiert. sollen jetzt alle diejenigen, die sich auf dem weg zum veganer befinden und so leben möchten, nach rückfällen sofort aufgeben, weil scheiße, und wieder brav fleisch essen? ich verstehe ihre intention nicht. das ist strunzedämliches 150-prozenter-geblubber. hilft echt jedem "neuling" ungemein. (ich bin seit 7 jahren vegan, bevor es noch in die richtung abgeht)

       

      zum rassismus: wer sich nicht mal vor sich selbst eingestehen kann, dass jeder, ausnahmslos jeder mensch so seine stereotypen im kopf hat, mit denen man lernen muss umzugehen und es da quasi als erster schritt echt hilfreich ist, sich damit konsequent ehrlich auseinanderzusetzen, kann niemals wirklich richtig antirassistisch sein. man muss sich die eigenen kleinen rassismen eingestehen. klappt bei manchen so garnicht. ist dann in der konsquenz manchmal schlimmer als thilo sarrazins dummes rumgepaule.

       

      insofern: nobodys perfect. das zu akzeptieren hilft wirklich weiter. da entkrampft sich dann die po-muskulaturganz von selbst. ein ideal anzustreben kann ein ansporn sein. man sollte sich aber auch klarmachen, dass man es selbst nie erreichen wird und die menschheit sowieso nicht. das sollte einen niemals abhalten aber daran hindern, sich selbst aufzureiben. das hilft nämlich echt keinem.

  • Der Ansatz "ganz oder gar nicht" hat schon so manchen verzweifeln lassen, was mich bereits vor Jahren während meinern ersten Kontakte mit dem Thema ziemlich verwundert hat, Stichwort "Kupfer". In letzter Konsequenz findet man immer einen Bestandteil, der als Argument ins Feld geführt werden kann.

     

    Mit Veganismus ist es wie mit vielen anderen -ismen auch, denn was ist eigentlich die genaue Definition, und welchen Spielraum läßt sie dem Menschen im Alltag, welcher sich ihr unterwirft?

    "go AVAP" sehe ich als besten Ansatz im Rahmen der Möglichkeiten, die in Mitteleuropa gegeben sind, denn sein wir ehrlich: ohne Kupfer ... ?

     

    Mich stört an der Gesamtdiskussion jedoch die zunehmende Politisierung. Es wird mit Begriffen um sich geschmissen, daß es nicht mehr feierlich ist.

    "Missionar" - Viele Omnivoren ordnen Veganismus entweder den Religionen zu oder sie greifen verteidigend an, weil die Befürchtung, der eigene Lebensstil könnte bedroht werden, naheliegt. Mir ist bisher jedenfalls nicht ganz klar, woher dieser, nennen wir es, Reflex rührt.

    "Öko-Faschismus" - Jutta Ditfurth hantiert mit diesem Begriff in "Entspannt in die Barberei".

    "Soja-Salafist" - Neuschöpfung von Micky Beisenherz im verlinkten Artikel? Legt gleich wieder das radikal-religiöse Element rein. (siehe "Missionar")

     

    Neben "go AVAP" gehört also sicherlich auch etwas Entspannung in die Wahl der Waffen und auf welchen Ebenen man argumentiert.

    Geht man runter bis zum Kupfer und führt damit auf den puren Veganismus zurück, der in einigen Gegenden Indiens verbreitet ist? Priester der Jain fegen vor sich her, um keine Insekten zu zertreten ...

    Oder konzentriert man sich nicht doch besser auf Inhalte, nimmt Abstand davon zu kritisieren, wie man ethisch-korrekt caritative Events durchführt, läßt ab vom Whataboutism und fragt sich, was diese neue unselige Debatte um die Benamsung und Deklarierung, die von Politikfachkraft Schmidt losgetreten worden ist, eigentlich soll.

    • @4therecords:

      Die Diskussion um vegane Ernährung war IMMER schon politisch - ganz einfach weil es nicht allein um Ernährung geht sondern um Rechte und Pflichten des ethisch handelnden Individuums gegenüber anderen Lebewesen. Veganismus ist etwas für Menschen, die die Rechte nichtmenschlichen Lebens und die Pflichten der Menschen ihm gegenüber hoch genug einschätzen, um ihre alltäglichen Essgewohnheiten nach dieser Ideologie auszurichten. Nur hilft das eben keinem Masthähnchen, wenn der nächste Fleischesser schon bereitsteht, um sich an ihm zu laben. Von daher: Wie kann Veganismus NICHT politisch sein?

       

      Ob jetzt die moralisierende Einwirkung auf Nicht-Veganer oder deren aggressive Verteidigung ihrer Essgewohnheiten zuerst kam, klingt ein wenig nach der Diskussion um Henne und Ei. Allerdings gibt es schon Indizien, wer hier stärker auf den jeweils Anderen einzuwirken versucht:

       

      1. Ich habe noch nie erlebt, wie jemand versucht hat, einem Veganer zu verklickern, er habe ien moralische Pflicht zum Fleischkonsum - Umgekehrt hingegen ist das Regel.

       

      2. Warum sollte ein Omnivorer missionieren? Fleisch und andere Tierprodukte essen zu "dürfen", macht aus der Ablehnung von Fleisch keine Sünde, die es zu bekämpfen gälte.

       

      3. Diese Kolumne wäre komplett aus der Luft gegriffen, wenn es nicht in der Tat eine nicht unerhebliche Anzahl von selbst erklärten Gralshütern des Veganismus gäbe, die sich anmaßen, über andere und deren Auffassung "richtiger" veganer Ernährung urteilen zu dürfen. Sonst würde nämlich einfach Jeder essen, was er für richtig hält, und die Diskussion, ob das jetzt wirklich den Namen "vegan" verdient oder nicht, käme gar nicht erst auf.

      • @Normalo:

        Was ist "politisch", was ist "gerecht"? Themen die das Sozialgefüge betreffen, in den meisten Fällen politischer Natur; sie sind jedoch kein Persilschein für populistisches Vokabular. Das war mit "zunehmender Politisierung" gemeint, da ich das Gefühl nicht loswerde, daß im Zeitalter von Industrie 4.0 das Recht des Lauteren und Unverschämteren mehr denn je gilt. Sachlich kann ich daran nichts finden.

         

        1.: Moralische Pflicht betreffend kommt es darauf an, wie der Veganer im Rahmen einer solchen Diskussion "Moral" auslegt. Kommt er mit "Du sollst nicht töten!" (mööp, Religion), oder welcher Art von Moral(en) bedient er sich?

        Andersherum habe ich es schon oft erlebt, daß Omnivore durchaus mit ebenjener "Pflicht" aufwarten, weil "war ja schon immer so". Ahnliche Argumente, die näherer Betrachtung absolut nicht standhalten können wie "Evolution des Gehirns", "Reißzähne beim Menschen" usw., wir kennen sie alle, entstehen aus eben jenem vorgenannten Sozialgefüge.

         

        2.: Wie Missionieren funktionert und daß eine Einbahnstraße ist, ist bekannt. Damit dürfte aber auch klar werden, daß man bei diesem Setting in nur eine Richtung diskutieren kann. Man drängt den anderen zurück, und das ist von Anfang an die falsche Richtung.

        Der Begriff ist das Übel, denn wer "missioniert" bekämpft die "Sünde", gut erkannt. Damit ist das Terrain abgesteckt und die Diskussion endet passend zu den postfaktischen Zeiten in Glaubensfragen.

        Ich kenne es eher so, daß man beim Sozialgefüge "Essen" gefragt wird, ob man denn keines von den leckeren Schnitzeln haben möchte. Und schon ist das Thema da, und bereits eine erste Erklärung, egal welche, läßt das Gegenüber auf Abwehr schalten und das Gespräch als "ist ein Missionar" zusammenfassen, ohne daß ein Kampfbegriff oder anderes gefallen wäre.

         

        3.: Gralshüter à la Wer-nix-wird-wird-Wirt-Hildmann?

         

        Es geht nicht um das Eßverhalten einzelner, Vorschriften wie den Veggie-Day o.ä., sondern ums Aufhalten des Raubbaus an unserer Lebensgrundlage.