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Kolumne Pflanzen essenSehnsucht nach Tier

Kolumne
von Ariane Sommer

Fleischesser sind ständig genervt von Veganern, die Fleischersatz essen. Das ergibt keinen Sinn. Veganer dürfen Fleisch vermissen.

Schnitzelersatz hat wahrscheinlich genauso viele ungesunde Zusatzstoffe wie tierisches Schnitzel Bild: dpa

W arum essen Veganer andauernd Pflanzenprodukte, die aussehen und schmecken wie Fleisch? Eine Freundin mokierte sich neulich im Supermarkt über den Hühnchenersatz in meinem Einkaufswagen. Über veganen Fleischersatz regen sich Fleischesser mit Vorliebe auf.

Was sie dabei gern vergessen: Die meisten Veganer sind es aus Überzeugung und nicht, weil Fleisch ihnen nicht schmeckt. Fast drei Jahrzehnte meines Lebens war Fleisch mein Lieblingsessen. Eines meiner Leibgerichte waren in Leberwurst getunktes Wiener Würstchen. Bis mir beim Ansehen des Dokumentarfilms „Earthlings“ der Zusammenhang zwischen meiner Ernährung und dem immensen Leid der Tiere klar wurde. Da ist mir die Fleischeslust im Hals stecken geblieben. Wie viele Veganer vermisse ich ab und zu Fleisch.

Besonders am Anfang meiner Ernährungsumstellung war es nicht immer einfach. Fleisch setzt opiatähnliche Stoffe frei, vergleichbar mit Käse. Vegane Mortadella ist sozusagen veganes Methadon. Aber es ist nicht nur eine gewisse körperliche Sucht oder die geschmackliche Sehnsucht. Essen hat auch eine emotionale Komponente. Bestimmte Gerichte verbindet man mit bestimmten Erinnerungen, Traditionen und Gefühlen. Und mit lieben Menschen, mit denen man jene teilt.

Deshalb feiere ich gelegentlich Fleischersatz-Fress-Feste. Mit Vackbraten, Spaghetti Volognese und Chicken-less Chicken Strips. „Ist das nicht ganz schön unnatürlich?“, fragte meine Freundin. Ungefähr genauso natürlich wie ihre geliebten Chicken-Nuggets, die schließlich auch nicht auf Bäumen wachsen. Und die, dem Hinzupanschen der ganzen künstlichen Inhaltsstoffe sei Dank, bestimmt bald genauso wenig Fleisch enthalten wie mein Hühnchenersatz.

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4 Kommentare

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  • 8G
    849 (Profil gelöscht)

    Diese Pflanzenprodukte sehen vielleicht aus wie Fleisch, sie schmecken aber selten danach. Ferner wird man ja leider mit dem "Übertritt" zum Veganismus nicht automatisch zum Feinschmecker, sonst würde man sich diese überwiegend pappige und teure Fleischimitatspampe auch sparen können.

     

    Ich finde Veganer, die nur tierische Produkte weglassen und sonst weiteressen wie bisher, haben den innewohnenden Gedanken des Veganen noch nicht so recht zu Ende gedacht.

     

    Es geht doch nicht darum, sich mit dem symbolischen Verzicht von Tierprodukten aus der Verantwortung zu stehlen, sondern die fängt damit erst an.

     

    Nichts mehr vom Tier zu essen, aber sonst alles wie bisher, ist wie SUV zu fahren und nicht bei Shell tanken!

  • "Die meisten Veganer sind nicht Veganer, weil sie Fleisch nicht mögen sondern aus Überzeugung."

     

    Ich dachte immer, zwischen Veganern und Vegetariern gäbe es einen Unterschied - so wie zwischen fundamentalen Christen und gelegentlichen Kirchgängern eben.

     

    ... Der Vergleich mit der Religion stellte sich dabei für mich ganz unbedacht her - denke ich aber darüber nach, so ist er wohl nicht einmal so ganz daneben:

     

    Der Veganer als der bessere Mensch; Essensvorschriften, denen die Metaphysik abhanden gekommen ist; Weltrettung via Salatbesteck; eine arme, verfolgte Gemeinschaft der Seligen -

     

    nicht umsonst kommt die Bewegung der Veganer aus dem messianisch-puritanischen Amerika ...

     

    ... über all das k ö n n t e man a u c h einmal nachdenken, statt nur über In- und Out-Group Wehwehchen ....

    • 8G
      849 (Profil gelöscht)
      @Hunter:

      Der Veganismus geht auf Indien und den Mittelmehrraum zurück und hat Wurzeln u.a. bei Pythagoras oder Plato.

       

      Dass sich Veganer angeblich als bessere Menschen fühlen, ist offenbar der Bedrohung zuzuschreiben, die sie für Fleischesser darzustellen, denn sobald sich jemand als Veganer zu erkennen gibt, gehen die Fleischesser in Habachtstellung und fangen mit billigen Diskreditierungen an. Dazu braucht der Veganer seinen Mund erst gar nicht aufzumachen. Es reicht schon, sich als solchen zu "outen".

       

      Es gibt im Veganismus keine Essensvorschriften, sondern ein Inventar von Sachen, die man isst. Diese Sachen bestehen aus Pflanzen. Nicht viel anders verhält sich dies für den Fleischesser, der allerdings inkonsequent in seinen "Essensentscheidungen" ist, insofern er z.B. seine Haustiere nicht verspeist, sondern sie lieber nach ihrem mehr oder minder natürlichen Ableben beerdigt wie einen menschlichen Angehörigen, während ihm Tiere, zu welchen er kein Verhältnis entwickelt, lediglich nachwachsende Rohstoffe oder Ware sind. Wenn das nicht pervers ist! :-)

       

      Der Schlechtmensch, dessen Haltung notwendig impliziert, die Welt ginge ihm am Allerwerteten vorbei, benötigt offenbar den Gutmenschen, den er glaubt, für einen Arsch halten zu dürfen, weil er die existierende und zunehmende Verköstigung der Weltbevölkerung mit Fleisch als unökologisch brandmarkt. Aber argumentativ hat der Schlechtmensch nichts entgegenzusetzen als dümmliche Floskeln, auf die er sich in Spießermanier einen abfeixt.

       

      Ob da nicht eine fleischlich induzierte "arteriosclerosis praecox" vorliegt...?

  • Warum machst du das?

     

    Aber das schmeckt doch so gut!

     

    Das könnte ich nicht. Das könnte ich NIE!

     

    Aber das Tier is doch schon tot, hahaha...

     

    Also Vegetarier sind ja noch ok, aber Veganer, das kann ich nicht verstehen, das finde ich nicht gut.