piwik no script img

Kolumne Nach GeburtDanke! Danke! Danke!

Jürn Kruse
Kolumne
von Jürn Kruse

Weihnachtslieder – das Thema ist durch? Von wegen: Es wird Zeit für ein Eingreifen der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien!

Weihnachten in Afghanistan. Bei Mutti ist es auch nicht harmlos Foto: dpa

K ennen Sie Simone Sommerland? Nein? Dann haben Sie wohl keine Kinder. Oder kein Internet. Denn wer online nach Kinderliedern sucht, stößt unweigerlich auf „Simone Sommerland, Karsten Glück und die Kita-Frösche“. Die Kombo heißt wirklich so. Bei Vollplayback sitzt sie im Kindergarten, um sich herum ein paar Kleinkinder und ist unverschämt fröhlich dabei.

Sie ist nicht auszuhalten, diese sommerlandsche Glückseligkeit. Gegen sie wirkt jeder Plastikmüllteppich im Atlantik natürlich. Richtig hart wird es, wenn dann auch noch ein Text dazu kommt, schlimmer als jede Umweltverschmutzung. Vorhang auf für „Liebe Mama“: „Liebe kleine Mama, das woll’n wir Dir mal sagen / Und hoffen doch, Du kannst mit uns das Leben gut ertragen“.

Die Antwort jeder Mutter müsste jetzt schon lauten: Ne, kann ich nicht. Doch es geht noch weiter: „Danke, dass Du mich früh weckst, sonntags mit uns Kuchen bäckst / Auch fürs Stullen schmier’n und Puppen reparieren / Weißt du, wer mich morgens kämmt und hilft, wenn die Hose klemmt? / Wer hält die Zimmer rein? Das kann nur Mami sein.“

Alter! Das ist ein legitimer Grund, um die eigenen Kinder zur Adoption freizugeben, wenn sie dir so was sagen.

Ignorante Wessis

Aber – Quelle: Internet – mittlerweile weiß ich, dass der Song gar nicht von Simone Sommerland ist, sondern von Frank Schöbel. Gesungen von seinen beiden Töchtern Dominique und Odette Lacasa ist er Teil des 1985 erschienenen Albums „Weihnachten in Familie“. Das heißt wirklich so. Weiß natürlich jede oder jeder Ostdeutsche, denn „Weihnachten in Familie“ soll mit 1,4 Millionen verkauften Platten der meistverkaufte Amiga-Tonträger in der DDR sein.

Und ich, als ignoranter Wessi, so: What?!? War nicht die Erzählung immer, dass in der DDR die Mütter eine ganz andere Rolle hatten? Ein Kollege sagte mir, dass die Frauen halt gearbeitet und den Haushalt gemacht hätten. Da ist ein bisschen Dank natürlich angebracht. Die Frage ist, ob er so gehen muss: „Ist die Schule endlich aus, riecht es gut bei uns zu Haus / Auch bei den Schularbeiten, hilfst du uns beizeiten / Wenn du mich ins Bettchen bringst, streichelnd ein Gut-Nacht-Lied singst / Denk ich, in Wirklichkeit ist immer Weihnachtszeit.“

Wem dieser Song gefällt, der mag auch: Wandtattoos, wenn die Kleinen zum Muttertag mal den Geschirrspüler ausräumen; alle Bilder von Ikea; Julia Engelmann. Simone Sommerland aber schien der Song schlüssig und zeitgemäß genug, um ihn für ihr Album „Die 30 besten Weihnachts- und Winterlieder“ auszuwählen. Erschienen 2011.

Wo ist die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien, wenn man sie braucht? Denn dafür hat meine Mutter meinen großen Bruder nicht in den Hörsaal mitgenommen, um für Kinderbetreuung an der Uni zu protestieren. Dafür hat mein Vater nicht die Wäsche gemacht. Dafür wurde Youtube nicht erfunden.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Jürn Kruse
Ist heute: Redaktionsleiter bei Übermedien und freier Autor. War mal: Leiter des Ressorts tazzwei bei der taz. Davor: Journalistik und Politikwissenschaft in Leipzig studiert. Dazwischen: Gelernt an der Axel Springer Akademie in Berlin.
Mehr zum Thema

7 Kommentare

 / 
  • Manche schmunzeln über den Quatsch andere schreiben verbissen darüber.

     

    Und schert es? Ein bisschen schon - der da schreibt könnte sich mal locker machen... nicht so verkrampft.

  • Früher waren Erzählungen über homosexuelle Paare auf dem Index - zumindest für Jugendliche und davor für alle. Heute sollen Lieder über ein veraltetes Rollenbild sein. Ich habe mich noch einmal vergewissert: Hier handelt es sich nicht um die "Wahrheit"-Seite. Das ist keine Satire. Das ist ernst gemeint. Nicht alles was wir verkehrt finden, müssen wir allen Kindern verbieten. Mir scheint, von faz bis taz hat die Republik das Zensurfieber gepackt: Alles Texte, die wir nicht gut findet, müssen verboten werden. Dafür haben wir ja jetzt die Ehe auch für Homosexuelle und vielleicht auch die Entkriminalisierung von Marihuana. Wer einfach nur die Engstirnigkeit seiner Großeltern durch die eigene Engstirnigkeit ersetzt, hat von Freiheit nichts verstanden. Die Diktatur wird immer hoffähiger in Deutschland. Freiheit und Demokratie schaffen wir selber ab - dazu brauchen wir keine Rechtsextremen, die dienen nur als Vorwand (was nicht heißt, dass ich von denen mehr Respekt vor der Freiheit erwarten würde).

    • @Velofisch:

      Alles richtig - aber wie meinen¿!;)

  • Gehn'mer für diese - Langversion des Schreckens -

    - Gern auch eingedenk unseres FDJ-Winkelements aka " das Mädchen"

    Doch mal auf der Zeitachse rückwärts - wa!

     

    Willy Brandt " Jetzt wuchert zusammem -

    Was nicht zusammengehört!"

    Er & H&M Kohl & Übelkrähe ~> Nationalhymne - best version ever! https://m.youtube.com/watch?v=-Vmz7Jz_nzY

    Herbert Wehner "Das wird ein Heulen & Zähneklappern!

    Als wenn man die Grabplatte über einer Gruft beiseite schiebt!"

    Margot Honecker - war von 1963 bis 1989 Ministerin für Volksbildung der DDR.

    "Ab 1963 krempelte sie das Bildungssystem in der DDR ideologisch im

    Sinne der orthodoxen Lehre des Realsozialismus um.…"

    (Details - könnten echt verunsichern! Newahr.)

    "Hände falten - Köpfchen senken!

    Immer nur an Stalin denken!"

    Kurt Schumacher "Rotlakierte Faschisten!"

    &

    Die 12tausendjährige Geschichte zuvor - der

    Deutschen Jugend ist bekannt.

     

    Na Mahlzeit!

    Keine weiteren Fragen!

    • @Lowandorder:

      So? Sie enttäuschen mich, verehrteR LOWANDORDER. Keine Fragen mehr zu haben, stelle ich mir richtig traurig vor. Zu traurig, um mit dem Gedanken einen Menschen ihrer Kreativität zu verbinden.

       

      Wobei - mitunter glaube ich, Sie haben es doch eher mit Autoritäten. Notfalls auch mit solchen, die deutlich jünger sind als Sie selbst. Auch, wenn ihre (eine) Oma darüber vielleicht nicht wirklich erfreut wäre. Und wenn Jürn Kruse postuliert: "Hab ich es nicht gewusst? Sie sind noch schlimmer, als die 'ignoranten Wessi', diese verlogenen Ossis, und zwar alle miteinander!", dann haben Sie halt keine Fragen mehr.

       

      Entlastet ja auch super, wenn man nicht zu fragen braucht: "Warum?" Sie sind vermutlich richtig froh, dass sie diese angebliche Kinderfrage (ja, ja, schon lästig ab und an!) längst hinter sich gelassen haben, richtig? Lieber gar keine Fragen mehr, als die falschen.

      • @mowgli:

        Ironie - können doch grad Sie!;)

         

        Irgendwie müssen ja die - mutigen -

        "Wir sind Volker "

        Herbeisozialisiert worden sein.

        Newahr.

        & icke ~>

        Alters&familienbedingt sicherlich scho -

        Autoritär strukturierte Persönlichkeit!

        A weng. Das ja.

        Aber. Bleibt gut mehr als ansatzweise -

        Bisher gelebt - doch doch ~>

        "Keine Angst vor Fürstenthronen!";)

        Alter verläßlich - wumpe.

         

        (ps Fragen? Da kann ich Sie ganz sicher beruhigen.

        Meine Eltern würden sicherlich auch heute noch einer - immer erwogenen -

        Umtaufe in Thomas - nähertreten wollen.

        Neben "Arthur ärgert alle Leute" -

        Naturellement!;))

        • @Lowandorder:

          & der aber doch noch beigepaßt -

           

          Jörn Kruse - für mich eine was…?

          Mach Bosse!;))