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Kolumne Nach GeburtStift falsch, Papier falsch, alles falsch

Kolumne
von Imke Ankersen

Wenn sich Zweijährige plötzlich in Diven mit seltsamen Spleens verwandeln, dann – ja dann: sollte sich niemand zusammenreißen müssen.

Da lachen sie noch, die kleinen Terror-Fürstinnen Foto: dpa

W ir haben mit unseren Töchtern großes Glück gehabt. Sie waren zufriedene Säuglinge, haben selten geschrien und gut geschlafen.

Bei Müttertreffen saß ich entspannt mit einem Stück Kuchen auf dem Sofa und konnte mich unterhalten, während die meisten anderen Mütter mit übertrieben großen Wiegeschritten durchs Zimmer stapften und beruhigend auf die zeternden, aufgebrachten kleinen Wesen einredeten. Meine Töchter lagen zufrieden auf dem Boden und spielten mit einem Fussel oder machten Spuckeblasen.

Alle haben mich beneidet. Und irgendwann kam die Rache.

Über Nacht verwandelten sich alle Zweijährigen in meinem Umfeld in kleine Diven mit merkwürdigen Spleens. Der eine mag keine Knöpfe, die andere rastet aus, wenn man ihr die Schuhe in vermeintlich falscher Reihenfolge anzieht. Und diesmal gehört meine Tochter auch zu den Wutbürgern.

Ich würde sagen, sie gehört zu den Anführern. Sie leidet mit großer Geste an fürchterlichem Weltschmerz, wenn irgendwas nicht so läuft, wie sie will. Griechisches Klageweib nennt meine Mutter sie gern.

Wenn zum Beispiel der Cheddar alle ist, dann weint sie dicke Krokodilstränen der Verzweiflung. Aber am schlimmsten ist es, wenn der Regenschutz an ihrem Fahrradsitz nicht ihren hohen Ansprüchen genügend verstaut ist und sie ihn mit ihrer Fußspitze noch leicht berührt. Sobald sie das bemerkt, verfällt sie in derartiges Wehgeschrei, dass ich jedes Mal vor Schreck fast in den Graben fahre, weil ich denke, es sei etwas wirklich Schlimmes passiert. „Mach das da weg!“

Lose-lose-Situation

Zu Hause angekommen, wollen wir etwas basteln, aber nach fünf Minuten rastet sie komplett aus, weil das Papier aus irgendeinem mir unerklärlichen Grund „falsch“ ist, und sowieso sind alle Stifte falsch, die Schere ist falsch. Alles falsch.

Den Kopf rot vor Wut, schmeißt sie alles beiseite. „Willst du ein Stück Banane?“, frage ich. Das hilft eigentlich immer. Sie nickt stumm und ich breche ihr ein Stück ab. Doch das Wutgeheul steigert sich urplötzlich wieder in ungeahnte Höhen. „Ich will die ganze Banane. Mach das wieder dran!“ Dann will sie puzzeln. Ich soll unbedingt mitmachen.

Doch sobald ich ein Puzzleteil in die Hand nehme, keift sie: „Nein! Das kannst du noch nicht. ICH mache das.“ Gut, denke ich und lege das Teil resigniert wieder hin und schiele auf das neue Zeit Magazin. Aber kaum, dass ich die erste Seite aufschlage, werde ich scharf von der Seite angefahren: „Du darfst nicht lesen, du sollst puzzeln!“ Klassische Lose-lose-Situation.

„Ich bin einfach nicht so drauf“, seufzt sie irgendwann erschöpft, und ich frage, was denn eigentlich los sei. „Ich weiß das nicht“, schluchzt sie und klettert auf meinen Schoß: „Ich will nur in Ruhe ein bisschen jaulen.“

Und plötzlich finde ich ihr Verhalten total verständlich, weil es mir doch oft genauso geht, ich habe nur verlernt, das so rauszulassen. „Das ist okay“, sage ich und drücke sie an mich und nehme mir ganz fest vor, in solchen Situationen nie „Jetzt reiß dich mal zusammen!“ zu sagen.

Rollentausch: Normalerweise schreibt an dieser Stelle Jürn Kruse. Der ist aber gerade in Elternzeit, also muss seine Freundin ran.

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7 Kommentare

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  • 1.Trotzphase.

     

    Das Kind erlernt gerade, dass die Wünsche von ihm und seiner Umwelt nicht gleich sind. Hinzu kommt das Erlernen von Sprache in diesem Zusammenhang, weil man ja auch mal lernen muss, das auszudrücken, was man sagen will. Deshalb weiß das Kind das ja auch selber noch nicht so ganz genau.

    Deshalb sagt es mal, Mama darf nicht puzzeln und will dann doch, dass Mama nix anderes macht. Mal schauen, wie weit meine Wünsche identisch mit der meiner Umwelt (hier = Mama) sind. Und man muss eben lernen, auszudrücken, was an einem Papier "falsch" ist oder an einem weggepackten Regenschutz. Da kann man mal ein wenig Sprache üben, wenn das Kind gerade nicht in der Wutphase ist. (In der Wutphase ist das zwecklos, da arbeitet das Sprachzentrum miserabel.)

     

    Mama sollte aber mal nachdenken, warum sie in ihrem Alter auch noch nicht weiß, was ihr nicht gefällt und was sie eigentlich will.

    • @Age Krüger:

      Jau & Mit Verschlauch -

      Papa auch - unbedingt!

      Damit die Rotte Cora -

      Dich doch noch gut gelingt!

      Manchmal aber denk ich lose -

      Was da so alles geht inn - Hose

      Geschuldet der Kolumne auch -;)

      Ständen sonst ja auf - Dem Schlauch!

      • @Lowandorder:

        & nochens

         

        Familientherapeuten kenn dess schon.

        Eltern komm' genervt mit Sohn!

        Na & kluge FrauMann hört sich's an!

        & Dann¿ - "Gehnmer mal bei Ihne dran!"

  • Erst dacht ick - "'s Mowgli macht dat schon - "

    Doch den las ick - "…also muss seine Freundin ran." & da dacht ick -

    "Ick wundre mir über jarnichts mehr"

    by Otto Reuter!

  • Das mit den Bananen kenne ich! Das macht meine Tochter auch!

  • Interessant. Was genau glauben Sie über die Kindheit des amtierenden US-Präsidenten zu wissen? Ihre Infos weichen offenbar von meinen sehr stark ab. Nach allem, was man mir erzählt hat, hat dieser Mann den "guten Rat", sich zummenzureißen, jeden Tag mehrmals bekommen. Verständnis hingegen gab es nicht für ihn. Seine Erziehung soll ein einziges, nie endendes Bootcamp gewesen sein. Vermutlich fordert er ja gerade deswegen jetzt dermaßen penetrant das von der Welt ein, was er für Respekt hält. Er hat einfach etwas nachzuholen. Übrigen hält sich Trump nicht nur für einen Präsidenten. Er IST ein Präsident. Und zwar vermutlich deswegen, weil viele US-Bürger genau so autoritär aufgewachsen sind wie er. Aber das kann ein Mensch wie sie vermutlich nicht verstehen bzw. glauben. Dafür können Sie natürlich nichts, nicht wahr.

  • Interessant, dass kleine und grosse Tyrannen aus dem gleichen Grund so sind wie sie sind: man lässt es zu und zuckt vielleicht noch mit den Schultern. Bei manchen wird das wieder von alleine, und andere halten sich irgendwann für den Präsidenten der Vereinigten Staaten.