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Kolumne Melodien aus Malmö #1Krasse Klimaänderung

Jan Feddersen
Kolumne
von Jan Feddersen

Malmö, wo in acht Tagen der 58. Eurovision Song Contest stattfindet, feiert sich selbst als multikulturell. Jüdisches darf dabei nicht so zum Vorschein kommen.

Hat mehr zu bieten als einen Ikea: Malmö. Bild: dpa

M ALMÖ taz Die Veränderungen sind wirklich enorm. Vor 21 Jahren, als gegenüber von Kopenhagen bereits einmal ein Eurovision Song Contest stattfand, war die gastgebende Stadt kaum mehr als ein Ort, wo drei dutzend europäische TV-Stationen unter Federführung des schwedischen Senders SVT eine internationale Fernsehshow inszenierten.

Damals war Malmö noch am Rand des Landes, ganz unten an der Ostsee. Die Industrie schrottreif, Fabrikanlagen ungenutzt, weil deren Firmen bankrott oder, der Globalisierung wegen, ins Ausland abwanderten. Malmö – das war eine graue Vorhölle. Das schönste an diesem Flecken war die Fähre in die dänische Hauptstadt: In einer Stunde war man dort, wo es nicht trist und zukunftsarm ist.

Aber wie hat sich das geändert. Die Stadt hat im vorigen Jahr, nach Loreens Sieg im aserbaidschanischen Baku, den Zuschlag erhalten, den nächsten Eurovision Song Contest ausrichten zu können. Anders als einst lohnt es sich für einen Ort, diesem Festival einen schmückenden Rahmen zu geben. Man kann sich als Stadt präsentieren, wird europäisch und streckenweise auch global bekannt – und darf auf Touristen und Investoren hoffen.

taz
JAN FEDDERSEN

Jahrgang 1957, Autor und Redakteur der taz, schreibt über den Eurovision Song Contest seit vielen Jahren. Er hat Bücher zum Thema geschrieben, seit 2005 und auch momentan bloggt er auch unter eurovision.de, der ESC-Plattform des in der Bundesrepublik federführenden Senders NDR/ARD, zum Event. Die politischen Begleit- wie Kehrseiten des ESC sind Thema dieser taz-Kolumne.

Stockholm (ESC-Gastgeber 1975 und 2000) und Göteborg (1985) waren früh aus dem Rennen – in der Hauptstadt war die Stadionmiete zu hoch, in Göteborg gab es keine geeignete Location. Für Malmö sprach obendrein, dass der Flughafen von Kopenhagen inzwischen in einer Viertelstunde erreichbar ist: Nach Kastrup fährt man inzwischen mit einer Art S-Bahn.

Dass das alles so funktioniert, liegt an einem Bauwerk, das nicht nur symbolisch für die Renaissance Malmös steht: Die 2000 eröffnete Brücke (bekannt auch aus einer gleichnamigen Krimiserie, die das ZDF ausstrahlte) zwischen Dänemark und Schweden hat die 300.000-Einwohner-Stadt vom Rand ins Zentrum befördert. Diesem Bau verdankt diese ESC-Stadt inzwischen fast alles. Auf den Brachflächen zwischen Innenstadt und Ostsee sind Wohnsiedlungen errichtet und ein Konferenzzentrum, in dessen Mittelpunkt eine Halle steht, in welcher am 18. Mai das Finale des ESC gegeben werden wird.

ESC-Motto „We Are One“

Malmö preist sich nun hochherzig unter dem ESC-Motto „We Are One“. Wir sind eins! – was sich im Symbol des Schmetterlings ausdrückt, mit dem die Innenstadt und das Konferenz- und Einkaufszentrum versehen worden sind. Und so preist sich die Stadt selbst: 180 Nationen lebten dort (wie auch immer man das zählt), eine Universität sei gegründet worden (die ehrwürdig-traditionelle im benachbarten Lund sollte ohnehin erweitert werden), alle seien glücklich und zufrieden, Kultur und Soziales stimmten.

Das mag genau beurteilen wer will, gleichwohl: Im Stadtbild, wo in diesen Tagen feine 20-Grad-Temperaturen sehr viele Menschen anregen, beinkleiderfrei zu gehen, sieht es tatsächlich mulkulturell aus. Der Held all dieser Communities heißt Zlatan Ibrahimovic, ist Fußballspieler hochdotiertester Art, hat neulich der Jogi-Löw-Auswahl schwer einen eingeschenkt und ist durch eine monströse bollywoodeske Villa an der Ostsee von Malmö auch architektonisch verewigt.

Ja, diese Stadt blüht, alles ist schwedisch-international. Aber sind es wirklich alle, die sich glücklich schätzen, im neuen, im modernen Malmö zu leben?

Womit ich auf die Menschenrechtslage zu sprechen kommen muss. Jüdische Schweden, für die dieses Land immer sicher war, fühlen sich mittlerweile genötigt, öffentlich keinen Davidstern zu tragen: Kommt gerade nicht gut an – man identifiziert Juden mit Israel und dieses mit Juden. In Malmö scheint es besonders prekär, sich zu zeigen. Aldo Keel recherchierte für die NZZ Ende vorigen Jahres ein feines Panorama aus diesem Winkel der Welt. 3SAT hatte schon im Jahr zuvor auf das Problem der mainstreamig antiisraelischen und antijüdischen Haltung aufmerksam gemacht: Das sind Nachrichten aus Malmö, die nicht so recht passen in das Glückspanorama von der wiederauferstandenen Stadt.

Von Israels ESC-Delegation geht die undementierte Nachricht um, man habe mit dem Gedanken gespielt, Quartier für die eurovisionären Tage lieber in Kopenhagen zu nehmen, da sei man sicherer. Am Donnerstagabend sah man ziemlich stylishe, junge, gut gelaunte Israelis im Euroclub (wo die Social Events des ESC aus der Fan- und Delegiertenperspektive stattfinden), die keineswegs leise Hebräisch sprachen. Ja, sie wohnten natürlich in einem Malmöer Hotel, sagte ein Fotograf – man fühle sich beschützt.

Was wäre das auch für eine Multikulturalität, die mit der zeitgenössischen Form des Antisemitismus erkauft würde – dem Hass auf Israel (und nicht allein Opposition gegen dessen aktuelle Regierung)?

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Jan Feddersen
Redakteur für besondere Aufgaben
Einst: Postbote, Möbelverkäufer, Versicherungskartensortierer, Verlagskaufmann in spe, Zeitungsausträger, Autor und Säzzer verschiedener linker Medien, etwa "Arbeiterkampf" und "Moderne Zeiten", Volo bei der taz in Hamburg - seit 1996 in Berlin bei der taz, zunächst in der Meinungsredaktion, dann im Inlandsressort, schließlich Entwicklung und Aufbau des Wochenendmagazin taz mag von 1997 bis 2009. Seither Kurator des taz lab, des taz-Kongresses in Berlin,und des taz Talks, sonst mit Hingabe Autor und Interview besonders für die taz am Wochenende. Interessen: Vergangenheitspolitik seit 1945, Popularkulturen aller Arten, besonders des Eurovision Song Contest, politische Analyse zu LGBTI*-Fragen sowie zu Fragen der Mittelschichtskritik. RB Leipzig-Fan, aktuell auch noch Bayer-Leverkusen-affin. Und er ist seit 2011 mit dem in Hamburg lebenden Historiker Rainer Nicolaysen in einer Eingetragenen Lebenspartnerschaft, seit 2018 mit ihm verheiratet. Lebensmotto: Da geht noch was!
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11 Kommentare

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  • H
    Harald

    – man identifiziert Juden

  • D
    D.J.

    @iwern,

     

    ist das nun ironisch? Wenn nicht, was hat das nun mit Übergriffen auf schwedische Juden zu tun?

     

    @S.K.,

    dto.

     

    Übtigens immer wieder beeindruckend zu sehen, wie nahe sich der abgrundtief dumme Teil der so genannten Linken und die NPD sich in manchen Fragen sind.

    Immer noch dieselbe K...e am Dampfen wie zu RAF-Zeiten.

  • I
    iwern

    ich muss noch mal nachhacken Herr Feddersen, ich habe den Link gelesen, den sie zu dem 3Sat- Artikel gesetzt haben, und da geht es so gar nicht um mainstreamigen Schwedischen Antisemitismus oder Antiisraelismus, wie sie sagen. Es geht da um massive Übergriffe auf Schwed. Juden von Muslimischen Migrannten u dass die Schweden in ihrer demokratisch- toleranten Allseligkeit mittlerweile zu konfliktscheu geworden seien, um gegen solche Übergriffe vorzugehen und den Migranten, die es aus ihren Ländern nicht kennen, ihre demokratischen Werte im Umgang miteinander zu lehren. Der NZZ- Artikel macht die Ereignisse und sozialen Umstände in der Stadt nochmal wesentlich deutlicher und beschränkt sich nicht auf Andeutungen. Unter anderem macht er auch deutlich, was hier immerzu negiert wird, was für eine Ausstrahlung der israelisch- palästinens. Konflikt hat. Rassismus und Gewalt (dort) bedingen sich gegenseitig. Es ist nicht einfach nur der Rassismus und die Gewalt der Araber, der die Israelis daran hindert die Besatzung zu beenden und Frieden zu machen, die Gewalt u der Rassismus der Israelis bestätigt die Araber immer wieder in der antisemit. Hetzpropaganda ihrer polit. Führer. Mit einem Wort es ist ein vicious circle, ein Teufelskreis, und es sind beileibe nicht allein die Araber die nachgeben müssen.Aber einer der beiden Seiten muss den ersten Schritt tun.Und nach der Lage der Dinge sind es die Palästinenser, die ungerecht behandelt werden u die militär. besetzt sind, psycholog. ist es nicht sehr einleuchtend von ihnen zu fordern nachzugeben. Sie haben schon mit ihrem Land bezahlt. Was sollten sie noch geben? Ruhe? SOS Rassismus beitreten? Gewinnen würden sie damit bei Netanjahu wahrscheinlich nichts. Wenn Frieden da ist müssen sich auch die Muslime hier wieder mit ihrem eigenen Leben hier konfrontieren u es gibt keine Entschuldigung mehr. Das es überhaupt zu solchen Übertragungen des Konflikts von arabischen Einwanderern auf nicht- israel. Juden hier kommt ist alles erklärbar (es ist eben leider nicht allen soviel Unterscheidungsvermögen gegeben, so ist der Mensch) aber eben v.a. aus dem Nahostkonflikt heraus, wenn sie diese Übertragung anstellen ist das falsch aber es ist so, und der Konflikt dort beruht nicht auf Weltverschwörungstheorien von den blutsaugenden, brunnenvergiftenden Juden, wie bei uns damals, wo alles nackter Rassismus war. Der Konflikt dort ist real, und er hat eine reale Wurzel: militär. Dominierung und Besetzung v Land. Dass man sich dann in der Propaganda gegen den Feind wieder der altgedienten Propagandafiguren europ. Provinienz bedient kann man aufs tiefste bedauern und aufs schärfste verurteilen, dass sie hier Juden angreifen darf nicht geduldet werden, aber alles lamentieren und v.a. den Rassismus der Araber u Juden durch den Halo unserer Geschichte zu betrachten, abgesehen davon das es schlicht falsch ist, ändert letztlich nichts an der unumgänglichen Tatsache, dass die beiden Parteien ihren Konflikt dort beilegen müssen. Vllcht können wir, bzw, unsere Politik, mit einem bisschen mehr Vermittlungseinssatz helfen, statt mit UNSERER Konfliktscheuheit, der deutliche Worte vor das Verlangen setzt statt als Judenmörder nun als ihre treuesten Freunde dazustehen.

  • I
    iwern

    ceterum censeo: Die Besatzung muss beendet werden. Rassismus jeglicher Art sowie Gewalt ist abzulehnen. Gegen Beteiligte wie Unbeteiligte. Und wenn nun noch die bedingungslosen Verteidiger Israels damit aufhören ihre hippen, stylischen Lieblinge unentwegt zu knuddeln kommen die vllcht zur Besinnung und der Frieden kommt endlich, vllcht erkennen dann vllcht auch mehr Israelis ihren Rassismus gg Araber, von denen es auch ne ganze Menge geben soll, dann kommen die Araber von dem ihren runter und erkennen, dass die Juden gar keine schlechte Type sind. Happy End. Und wir werden in der Zeitung lesen, dass Israelis wieder in einer europäischen Stadt offensiv mit dem Ansinnen belästigt worden umarmt zu werden. Und auch die letzten Taz- Reporter werden sich ihr Sabbatical bei einem Rabbe in Gottes eigenem Land nehmen. Es wird so kommen.

  • E
    ello

    Lustig, daß es der Schreiber schafft, mit keinem Wort die zu benennen, die für die "Klimaänderung" verantwortlich sind. Übrigens ein schöner Euphemismus: da ändert sich das Klima ein bißchen, dann muß man sich halt wärmer anziehen. Lächerliche Verharmlosung.

  • S
    S.K

    Ist es verwunderlich, wenn Propagana für den Staat Israel Gegendemonstrationen hervorruft?

     

    Wer unentwegt alles verteidigt, was im israelischen Namen getrieben wird oder die dazu führenden Anschauungen selbst proklamiert, darf sich doch nicht wundern, wenn er Widerspruch erntet.

     

    Man kann hierzulande die Reihe Spiegel, Knobloch, Graumann verfolgen, um sich vorzustellen, was in Schweden abläuft.

  • F
    Franky

    Herr Feddersen, warum sprechen Sie nicht den Grund für den grassierenden Antisemitismus in Malmö und anderswo an? Gerade in muslimischen Bevölkerungsschichten wird mit Leidenschaft eine anti-Isrealische und generell eine gegen alles Andersdenkende gerichtete Kultur gepflegt. "Keine Toleranz der Intoleranz" gilt unter Linken wohl nur für Nazis. Doch sobald der Rassist, Antisemit oder Gewalttäter nicht Heinrich, sondern Mehmet heisst, gelten plötzlich andere Maßstäbe.

  • PM
    Paul M.

    Statt hier wieder den Begriff der Multikulturalität vorzuschieben und damit die antijüdischen Anfeindungen quasi zu einer temporären Erscheinung zu degradieren, die beim gedeihlichen Wachsen des interkulturellen Zusammenlebens der Stadtbevölkerung Malmös sozusagen nur eine vorübergehende Begleiterscheinung ist, hätten Sie die Fakten ruhig benennen können:

     

    Es ist ausschließlich die große Minderheit der Moslems in Malmö, die sich intolerant und offen antisemitisch zeigt und auch vor Gewaltakten gegen jüdische Mitbürger nicht zurückschreckt.

    Ein Skandal, der seit Jahren in Europa bekannt ist.

    Von linken und grünen Moralaposteln, die sonst nach jedem Gummigeschoss der israelischen Armee im Gazastreifen eine Hilfsflottille für die Palästinenser losschicken möchten und hier in Deutschland schon Schnappatmung bekommen, wenn ihren muslimisch-migrantischen Hätschelkindern auch nur das kleinste Unrecht widerfährt, natürlich kein Wort zu diesen Vorgängen in Malmö.

     

    Verwunderlich ist das allerdings nur für Leute, die immer noch glauben, links-grün stünde für Werte wie Freiheit, Gerechtigkeit oder Toleranz.

  • HL
    Hauke Laging

    "man fühle sich beschützt"

     

    Das ist ja fast dasselbe wie sich nicht bedroht zu fühlen...

  • I
    I.Q

    Wenig auf vorgestellt Tatsachen bezogen, die man zu bewerten oder zu verstehen vermöchte, das ist das Fazit über die Aussagen dieses Berichtes.

     

    "Hass auf Israel (und nicht allein Opposition gegen dessen aktuelle Regierung)"

     

    Darf man auch ablehnend gegenüber `Israel´ sein, ohne dass Hass unterstellt wird oder im Spiel sein muss?

     

    Und war jemals eine Regierung in `Israel´ grundlegend anders als die gegenwärtige?

     

    Wer diese Fragen stellt, kann diesen Bericht von Jan Feddersen nicht gerade objektiv über Malmö finden.

  • T
    Teermaschine

    Alter Schwede, wie viele Anläufe brauchte denn diese Kolumne, ehe sie Bax`schen Neusprech-Direktiven genügte? - Das Ding liest sich wie der verzweifelte Hilferuf eines Journalisten auf verlorenem Posten. "Ach", wird sich der am Spieß schmorende Kurt Hager denken,"auch nur ein so ein braves Kollektiv hätte mir seinerzeit wegen Überflüssigkeit den Job gekostet".