Kolumne Marx 2.0: Deutschlands neuer Ego-Star

Locker wie Kennedy reist Wirtschaftsminister Guttenberg in die USA und tut so, als wolle er Opel retten.

Karl-Theodor Freiherr von und zu Guttenberg verhandelt gerade in Amerika über Opel, angeblich. Man sieht ihn im riesigen Regierungsflugzeug, offenes Hemd, locker wie Kennedy, nasses Gel in den zurückgekämmten schwarzen Haaren, vor ihm beeindruckte Journalisten im verschwitzten Sakko, die gebückt mitschreiben und auf die er hochtrabend einredet, 10.000 Meter über den Wolken. Unser herrlicher junger Wirtschaftsminister! Deutschlands neuer Ego-Star.

Es geht um Opel, um "Antworten", die die USA ihm geben sollten. Wirklich? Schon nach dem ersten Gespäch mit GM-Chef Wagoner heißt es, ohne einen neuen privaten Investor werde es keine Hilfe geben. Und seit seinem Amtsantritt wird im Umfeld des CSU-Ministers das Gerücht gestreut, Opel sei nicht zu retten. Daran hätten BMW und die gesamte deutsche Auto-Lobby auch nicht das geringste Interesse.

Im Gegenteil. Ohne den amerikanischen Mitkonkurrenten Opel würden die übrig gebliebenen deutschen Hersteller genau die 10 bis 20 Prozent mehr Autos verkaufen, die gerade jetzt auf Halde stehen. Es wäre die perfekte Krisenbereinigung. Und Guttenberg, der fast im Wochentakt zweistellige neue Milliardenbeträge in die bayerische Hypo Real Estate pumpt, könnte plötzlich den "Standhaften" spielen: Der Staat helfe nicht immer. Der Staat habe die Courage, auch einmal Nein zu sagen.

Danach kann er umso leichter die nächsten 100 Milliarden an die eigene Klientel und die maroden Banken verpulvern. Opel, das Unternehmen, das langfristig wohl gar kein Geld gebraucht hätte und jetzt nur 3 Milliarden, das im Kern gesünder ist als BMW und Mercedes, das die sparsamsten, ökologisch modernsten Fahrzeuge baut, und vor allem: das Sonderschichten fährt, während alle anderen unter Kurzarbeit leiden, wird kaltblütig zerschlagen. Das Warum wird wieder offenbleiben.

Auf Nachfrage gibt es die ein oder andere Denkrichtung, die aber nur bis zur nächsten Kreuzung führt. Die Firma sei zu eng mit der Konzernmutter verflochten. So? Na und? Was heißt das konkret? Werden etwa nicht alle Teile in der EU gefertigt?

Oder ist die abenteuerliche und undurchschaubare Finanzakrobatik gemeint, mit der unzählige reale wie Schein- und Schwindelfirmen im Gesamtkonglomerat General Motors miteinander verwoben sind? Dann sollte man erst recht Opel da rausholen. Guttenberg, ohne wirtschaftliche Kompetenz - er wollte Außenminister werden -,wird sich nicht die Finger schmutzig machen wollen.

Ihm sekundiert einmal wieder - natürlich, möchte man sagen - Hermann Otto Prinz zu Solms-Hohensolms-Lich von der FDP, der nicht mal die Verstaatlichung des ewigen Fasses ohne Boden Hypo Real Estate erlauben möchte. So etwas könne man mit "Eigentümern" nicht machen. Das sei ein Folterinstrument aus der sozialistischen Planwirtschaft. Logisch also, dass der Staat auch nicht bei Opel einsteigen darf. An die (mit Zulieferern) über 100.000 Beschäftigten, also die samt Angehörigen 400.000 betroffenen und sozial abstürzenden Menschen wird von und zu Guttenberg und Solm-Hohensolms-Lich keine Sekunde gedacht haben. Und mit den Amerikanern dürfte er nicht über die Rettung von Opel sprechen, sondern darüber, wie eine Rettung verhindert werden kann.

Schließlich gibt es ja durchaus Interessenten, die bei Opel einsteigen möchten, die Händler zum Beispiel, oder asiatische Hersteller. GM würde gutes Geld für die solide Tochter bekommen. Aber bei GM geht es, bei 30 bis 60 Milliarden Schulden, nicht mehr ums Geld. Da ist ohnehin alles verloren. Da geht es nur um Politik. Weswegen Guttenberg vor allem mit Politikern redet. Heute mit dem Wirtschaftsminister Geithner. Der wird ihn hübsch über den Tisch ziehen.

Doch Guttenberg freut sich schon auf den Rückflug. Da steht er wieder mit gelockerter Krawatte vor den Spiegel- und Focus-Knechten und kriechenden Fotografen in der Kanzlermaschine und füttert die privilegierte Meute mit Interna aus den Höhen der Macht. Viel Blabla über den Spirit Obamas und wohl kaum noch ein Wort zu Opel.

JOACHIM LOTTMANN

MARX 2.0Fragen zum Minister? kolumne@taz.de Morgen: Kirsten Reinhardt KATASTROPHEN

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