Kolumne Macht: Man wird ja bescheiden
Gemessen an den mittlerweile äußerst niedrigen Erwartungen: Trumps erste Auslandsreise hätte schlimmer verlaufen können.
E igentlich ist doch alles ganz gut gelaufen, jedenfalls gemessen an dem, was hätte schief gehen können. Donald Trump hat schwierige Stationen seiner ersten Auslandsreise gemeistert ohne einen Aufschrei zu provozieren. Die Ansprüche waren allerdings nicht besonders hoch gewesen: „Die Latte liegt so erstaunlich niedrig, dass es schon ein Triumph ist, wenn Trump deutlich macht, dass er weiß, in welchem Land er sich befindet“, war in einem bissigen Kommentar der New York Times zu lesen.
Den Eindruck konnte er erwecken, durchaus. Schon wahr: Die Atmosphäre bei EU und NATO in Brüssel war weniger herzlich als Diplomaten aller Seiten das im Vorfeld geplant hatten, aber aber die Verbündeten haben dem US-Präsidenten dennoch signalisiert, dass sie zu Zugeständnissen bereit sind. Trump und die Seinen dürften das als Erfolg sehen. Und ja, der Eintrag ins Gästebuch der israelischen Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem war unangemessen flapsig, stellte aber wenigstens keine Verhöhnung der Opfer dar. Man wird ja bescheiden.
Das ist genau das Problem. Wenn jemandem erst einmal alles zugetraut wird, dann kommt der oder diejenige auch mit ziemlich vielem einfach so durch. Der Auftritt von Donald Trump in Saudi-Arabien ist dafür ein gutes Beispiel. Es ist dem US-Präsidenten dort gelungen, eine Rede vor islamischen Staats-und Regierungschefs zu halten, ohne deren Religion ein einziges Mal zu verunglimpfen. Immerhin. Angesichts seiner kruden Sprüche in der Vergangenheit kann man das als beachtliche Leistung werten.
Gut gegen Böse
Donald Trump ging es angeblich allein um den Kampf von Gut gegen Böse, und er rief seine Zuhörer dazu auf, alles zu tun, um Terroristen zu bekämpfen. Viele im Publikum werden das gerne gehört haben. Nichts tun sie lieber als den Kampf gegen Terroristen zu führen, und Terroristen sind in den Augen von Diktatoren – und davon waren für die Rede von Trump viele nach Saudi-Arabien gereist – auch jene Leute, die anderswo Oppositionelle genannt werden und keine anderen Waffen benutzen als Wort und Schrift.
Die Botschaft des Präsidenten der Vereinigten Staaten war unmißverständlich: Ihm ist es egal, mit welchen Mitteln die Herrscher ihre Politik in den eigenen Ländern durchsetzen, so lange sie in Fragen der Sicherheitspolitik die Interessen der USA – oder was Trump dafür hält – vertreten. Kein noch so harmloses Lippenbekenntnis zu den Menschenrechten hat er abgelegt, und seine Haltung noch durch ein eindrucksvolles Waffengeschäft mit Saudi-Arabien im Umfang von 110 Milliarden Dollar unterstrichen.
Helfen will jeder, aber wie ist es, einen geflüchteten Syrer bei sich zu Hause aufzunehmen? Taz-Autor Hannes Koch teilte über ein Jahr lang Küche und Bad. In der taz.am wochenende vom 27./28. Mai erzählt er von dieser Erfahrung. Außerdem: In Polen trainieren immer mehr Paramilitärs für die Verteidigung der Nation. Warum machen die das? Und: Halligalli. Warum das Sgt. Peppers-Album der Beatles ein Meilenstein der Pop-Geschichte ist. Das alles am Kiosk, eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo
Ausgerechnet Saudi-Arabien. Dessen radikale Auslegung des Islam Pate stand bei der Entwicklung des Terrorismus, das den Jemen mit westlichen Waffen in eine der schlimmsten humanitären Katastrophen der Gegenwart bombt und wo Enthauptungen und Auspeitschungen ganz selbstverständlich zum Strafkatalog gehören.
Fällt das jemandem in den USA auf? Ja, natürlich fällt das auch in den Vereinigten Staaten auf. Zum Beispiel Fachleuten für den Nahen Osten, Menschenrechtsaktivisten und Außenpolitikern. Aber sonst? In der breiten Öffentlichkeit interessieren sich dafür erheblich weniger Leute als für die Russland-Affäre oder die Entlassung des FBI-Chefs.
Die Rechtsanwaltsgehilfin Jen Kenyon-Griesbaum aus Buffalo – keine Anhängerin von Trump, aber überzeugte Republikanerin – erschrickt, als ich sie sie frage, wie sie das Schweigen ihres Präsidenten zur Menschenrechtslage findet: „Ich schäme mich dafür, aber ich habe das bisher gar nicht gemerkt“. Sie fände es völlig unakzeptabel, aber sie sei nur dankbar gewesen, dass Donald Trump im Ausland sich keine Peinlichkeiten geleistet habe.
Niedrige Erwartungen können mächtige Verbündete sein. Die Popularitätswerte des Präsidenten steigen gerade. Nur ein bißchen, aber immerhin.
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