Kolumne Macht: Hunger als Waffe
In der kenianischen Provinz Laikipia wird die Dürre für politische Ziele missbraucht. Trotzdem muss man den Notleidenden vor Ort helfen.
W orum es bei einer Geschichte im Kern geht, hängt fast immer davon ab, wer sie erzählt. Das Thema Hunger ist dafür ein gutes Beispiel. Aus der Entfernung betrachtet, scheint die Situation da stets ganz einfach zu sein: Menschen sind in Not, ihnen muss geholfen werden. Aus der Nähe ist es fast nie so unkompliziert.
In Zeiten der schnellen Kommunikationswege und gut vernetzter Hilfswerke genügen noch so ungünstige Witterungsbedingungen allein nicht mehr, um eine humanitäre Katastrophe auszulösen. Hinzu muss der feste Wille einer mächtigen Gruppe, Organisation oder politischen Kraft kommen, Hunger als Waffe zu benutzen – eine besonders zynische, aber auch erprobte Methode, eigene Interessen durchzusetzen.
In der kenianischen Provinz Laikipia halten seit Ende letzten Jahres mehrere Tausend Hirten, viele von ihnen mit Kalaschnikows bewaffnet, Farmland besetzt. Wegen der anhaltenden Dürre in Ostafrika haben sie ihre Herden aus ihren trockenen Heimatgebieten auf der Suche nach Wasser und Weideland dorthin getrieben. Seither terrorisieren sie die ortsansässige Bevölkerung.
„Ich träumte von Afrika“
Der Rest der Welt interessiert sich nicht besonders für Laikipia. Verständlicherweise. Um die Folgen einer Hungersnot zu illustrieren, gibt es eindrucksvollere Bilder. Nur die Meldung, dass die Bestsellerautorin Kuki Gallmann – „Ich träumte von Afrika“ – auf ihrer Farm angeschossen worden war, sorgte kurzfristig für Schlagzeilen. Aber sie hat ja überlebt. Das ließ das Interesse schnell erlöschen.
Praktisch für diejenigen, die in Laikipia eigene Ziele verfolgen. Wer ist das? Wer ist Täter, wer Opfer? Alles eine Frage des Standpunkts.
![](https://taz.de/picture/1980779/14/wochenendkasten.png)
Die Berliner Polizei macht mit, die Polizei Hamburg auch. Seit Kurzem ist auch die Wache in Franken auf Facebook und Twitter. Werden Ordnungshüter jetzt #likeable? Außerdem in der taz.am wochenende vom 13./14. Mai: die Wahl im Iran. Präsident Rohani hat gute Chancen auf eine zweite Amtszeit. Eine Reportage aus Teheran und Karadsch. Und: Diana Kinnert ist 26, tätowiert, lebensfroh, lesbisch und das It-Girl der CDU. Ein Gespräch über Partys, Politik und Tod. Das alles – am Kiosk, eKiosk oder im praktischen Wochenendabo.
Je nach Blickwinkel droht in Laikipia – ähnlich wie vor einigen Jahren in Simbabwe – weißen Großfarmern die Vertreibung. Unfug, niemand wolle irgendjemanden vertreiben, so eine andere Lesart. Vielmehr sei den traditionell lebenden Hirten, die von der Dürre in ihrer Existenz bedroht würden, gar nichts anderes übrig geblieben, als ihre Herden auf Farmland zu treiben.
Die ganze Situation habe sich überhaupt nur so zugespitzt, weil lokale Politiker versuchten, im Vorfeld der Wahlen durch Polarisierung und Aufrufe zur Gewalt ihre Position zu verbessern, betonen wieder andere. Da sei etwas dran, wird diesen entgegnet, aber das Hauptproblem sei die Kombination aus Unfähigkeit und Desinteresse der Regierung in Nairobi, die es nicht schaffe, die Lage in den Griff zu bekommen.
So viele Analysen, so viele Meinungen. Und alle stimmen. Zumindest ein bisschen.
Wahr ist: Die britische Regierung hat seinerzeit bei den Verhandlungen über die kenianische Unabhängigkeit gut für die Briten, die im Land bleiben wollten, gesorgt und ihnen Privilegien gesichert, die erst vor wenigen Jahren abgeschafft wurden. So etwas ist dem sozialen Frieden nicht dienlich. Laikipia ist eine Region mit besonders vielen Großfarmen, die von Weißen betrieben werden.
Wahr ist jedoch auch: Diejenigen, die heute dort Farmland besitzen, können nicht für die kolonialen Sünden ihrer Vorväter verantwortlich gemacht werden. Sie haben einen Rechtsanspruch auf Schutz. Und: Kleinbauern werden derzeit ebenfalls von den Hirten bedroht, die ihrerseits allerdings auch einen Anspruch auf Hilfe in der Not haben.
Was folgt daraus?
Wen kümmert’s? Mit Hetzparolen gegen unbeliebte Gruppen wie die weißen Farmer können regionale Politiker vor den Wahlen gut auf Stimmenfang gehen. Und die Zentralregierung in Nairobi möchte sich die Finger nicht verbrennen.
Was folgt daraus? Dass alles so unglaublich kompliziert ist, dass lieber überhaupt nicht für Notleidende gespendet werden soll, weil ja gar nicht klar ist, wer am Ende davon profitiert? Nein. Daraus folgt: unbedingt helfen, aber eben nicht blind und blauäugig.
Die politischen Kräfte vor Ort müssen ernsthaft in die Pflicht genommen werden, wollen sie Unterstützung erhalten. Dafür muss man sich allerdings eben doch für die Verhältnisse vor Ort interessieren.
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