Kolumne Macht: Europäischer Werteverlust
In Dänemark sollen Flüchtlinge nun ihre Habseligkeiten abgeben. Eheringe dürfen sie behalten – so sie einen „angemessenen Wert“ haben. Immerhin.
E s ist erstaunlich, wie erfindungsreich – und geschichtsvergessen – manche politischen Führungskräfte sind, wenn es um den Zustrom von Flüchtlingen nach Europa geht. Von der dänischen Regierung könnte selbst die CSU noch etwas lernen. Die möchte Asylsuchenden nämlich gern ihre letzten Habseligkeiten wegnehmen.
Noch im Januar soll das dänische Parlament über einen Gesetzentwurf beraten, der vorsieht, dass Flüchtlingen alle Besitztümer weggenommen werden, die einen Wert von umgerechnet rund 400 Euro übersteigen. Um sich damit an den staatlichen Aufwendungen für ihren Lebensunterhalt zu beteiligen. Sollte der Entwurf eine Mehrheit finden, dann tritt er im Februar in Kraft.
Nein, auch in Dänemark sind nicht alle Leute von allen guten Geistern verlassen oder haben niemals Geschichtsunterricht genossen. Es gibt empörte Reaktionen auf den Gesetzentwurf, gelegentlich wird an die Enteignung von Juden unter dem NS-Regime in Deutschland erinnert.
Was den dänischen Justizminister zu einer – nun, nennen wir es: Klarstellung veranlasste. Er sagte in einer Fernsehdebatte, dass vor allem an Situationen gedacht sei, in denen „ein Mann mit einem Koffer voller Diamanten“ in Dänemark ankomme und dort um Schutz nachsuche. Nett, dass er das erklärt hat. Aber sagt das nun eigentlich mehr über seine Fantasien aus oder über die Realität?
Das Hormonmittel Duogynon galt in den sechziger Jahren als Innovation. Dann kam es zu Fehlbildungen an Kindern. Besteht der von Betroffenen vermutete Zusammenhang? Was unsere Autorin in erstmals geöffneten Akten gefunden hat, lesen Sie in der taz. am wochenende vom 9./10. Dezember. Außerdem: Der Astronaut Alexander Gerst erzählt im Gespräch, wie Krieg aus dem Weltall betrachtet wirkt. Und: Der US-Wahlkampf wird auf dem Rücken illegaler Einwanderer ausgetragen. Warum stört das einen konservativen Farmer? Das und mehr gibt es am Kiosk, eKiosk oder im praktischen Wochenendabo.
Dänische Regierungsvertreter haben übrigens auch betont, dass Eheringe nicht konfisziert werden, jedenfalls dann nicht, wenn sie einen „angemessenen“ Wert haben. Was immer das bedeutet.
Ach so, noch etwas: Erbstücke sollen die Flüchtlinge behalten dürfen, sofern sie deren Herkunft dokumentieren können. Man sieht die Situation einer flüchtenden Familie vor sich: „Ahmed!! AAHHHMMMÄÄÄD!!! Hast du an die Urkunde für Omas Kette gedacht? Nimm die unbedingt mit!“ Meinen Besitzanspruch auf die Stücke, die ich von Großeltern geerbt habe, könnte ich übrigens in keinem einzigen Fall nachweisen. Meine Familie ist nicht so gestrickt, dass wir nach einem Todesfall sofort den Anwalt anrufen. Vielleicht sollten wir das überdenken.
Erfreuliche Verurteilungen
Ist das Thema das Richtige für eine Kolumne in dieser Woche? Haben die Ereignisse in Köln nicht gezeigt, dass Flüchtlinge zunächst ihre Bereitschaft zur Integration nachweisen müssen, bevor sie Ansprüche erheben dürfen?
Nein. Das haben die Ereignisse nicht gezeigt. Dazu einige – sehr knappe – Bemerkungen: Es ist erfreulich, dass sexuelle Übergriffe auf Frauen endlich so scharf verurteilt werden, wie sie das verdienen.
Jeder Versuch, die Herkunft von Sexualstraftätern zu verschleiern, wäre idiotisch – nicht nur, aber auch, weil er Wasser auf die Mühlen derjenigen gösse, die ohnehin glauben, Politik und Medien würden beständig lügen.
Zugleich gilt dennoch: Forderungen nach sofortiger Abschiebung von Kriminellen, deren Taten bislang von Gerichten als Bagatelldelikte eingestuft wurden, sind populistisch und nicht umsetzbar – jedenfalls dann nicht, wenn die Angeklagten aus Kriegsgebieten stammen. Und die Frage, ob jemand seinen Ehering behalten darf, hat nichts, aber schon wirklich gar nichts damit zu tun, ob und wie viele Asylsuchende widerliche sexuelle Übergriffe begangen haben.
Insgesamt lässt sich sagen, dass sich Flüchtlinge in Europa in der Tat dringend in unser Wertesystem integrieren müssen. Und: Einige Europäerinnen und Europäer brauchen da offenbar auch Nachhilfe. Vielleicht könnten gemeinsame Kurse angeboten werden?
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