Kolumne Macht: Hier kommt eine Warnung
Niemand hat es so leicht, seine Existenz durch öffentliche Mitteilungen zu rechtfertigen wie Geheimdienste: Wenn was passiert, war es richtig, wenn nicht, auch.
G eheimdienste haben die Fantasie schon immer angeregt, aber derzeit braucht man ziemlich viel davon, um sich die Arbeit dieser Institutionen auszumalen. Sicher, unter einem abgehörten Telefongespräch zwischen Terroristen kann man sich etwas vorstellen. Aber wie mag sich das konkret anhören?
Vielleicht so: „Salam alaikum, kannst du mir ein bisschen mehr erzählen über das, was so in nächster Zeit geplant ist?“ – „Alaikum salam, das wird ein Riesending, mit einem ganz schnellen Zug, irgendwo in Europa.“ Oder so: „Ich habe die Adresse des toten Briefkastens vergessen, kannst du mir die noch mal sagen?“ – „Sicher, kein Problem. Hinter der gelben Tonne im Innenhof der Veilchengasse 42. Da findest du dann Einzelheiten zu den Aktionen in Schnellzügen.“ Oder so: „Fährt das Kaninchen mit der Eisenbahn?“ – „Ja, und es wird das Feuerwerk irgendwo in Europa zünden.“
Was für eine Freude muss ein Agent empfinden, der ein solches Gespräch belauscht! Vielleicht war es derselbe, der einst die Vorwahl der US-Hauptstadt Washington mit der von Ägypten verwechselt hat. Nach Angaben des Geheimdienstes NSA war das ja einer der Hauptgründe dafür, dass tausendfach Amerikaner versehentlich und illegal überwacht worden sind.
Die Demokratie hat ein Nachwuchsproblem. Heißt es. Dabei gibt es sie: Junge Menschen, die in eine Partei eintreten. Die sonntaz hat sechs von ihnen begleitet – bis zu ihrem ersten Wahlkampf. Die Titelgeschichte „Wer macht denn sowas?“ lesen Sie in der //www.taz.de/Ausgabe-vom-24/25-August-2013/!122345/:taz.am wochenende vom 24./25. August 2013. Darin außerdem: Ein Gespräch mit der Ethnologin Yasmine Musharbash über Monster, und ein Porträt über Wolfgang Neskovic, der einst aus der Linksfraktion ausbrach. Außerdem der sonntaz-Streit zur Frage: Braucht Deutschland Coffeeshops? Am Kiosk, eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo.
Aber nun gab es eine Chance, die Scharte auszuwetzen – und auch noch die Verbündeten zu alarmieren, von denen ja einige zurückhaltende Irritation darüber gezeigt hatten, dass US-Dienste auch in ihren Ländern alle möglichen Daten sammeln, derer sie habhaft werden können. Jetzt konnten sie mal sehen, wie nützlich das ist, wenn Freunde wachsam sind.
Es muss eine bittere Enttäuschung gewesen sein, dass beispielsweise die deutsche Bundesregierung nicht sofort eine dringende Empfehlung ausgesprochen hat, ab sofort auf Bahnfahrten zu verzichten. Die USA sind da weniger leichtsinnig. Die warnen bei Bedarf ihre ganze Bevölkerung vor Reisen aller Art, weltweit. Und erinnern daran, dass „Terroristen ganz unterschiedliche Mittel und Waffen benutzen“ und sowohl öffentliche wie auch private Ziele ins Visier nehmen könnten. Da weiß man doch, woran man ist.
Über Terrorwarnungen zu spotten, ist heikel. Wenn etwas passiert, dann wirkt jeder Sarkasmus im Rückblick zynisch. Und wenn nichts passiert, dann – ja, dann ist das vermutlich der unermüdlichen Arbeit der Geheimdienste geschuldet.
Keine andere Institution hat es so leicht wie ein Geheimdienst, seine eigene Existenzberechtigung durch geschickte Öffentlichkeitsarbeit – ausgerechnet! – nachzuweisen. Wer will denn hinterher behaupten, irgendeine Warnung sei unberechtigt oder hysterisch gewesen? Das lässt sich ja nicht nachweisen. Ohnehin ist unbestreitbar richtig, dass es terroristische Organisationen gibt, die auf der ganzen Welt immer wieder Anschläge verüben, und dass diese sich unterschiedlicher Methoden bedienen. Das ist keine Nachricht, sondern eine Binsenweisheit. Weswegen sich derartige Hinweise auch jederzeit beliebig wiederholen lassen.
Es funktioniert ja. Die Bereitschaft, aus Angst vor Terror jede noch so unsinnige Vorschrift zu akzeptieren, lässt sich täglich bei den Sicherheitskontrollen an Flughäfen besichtigen. Vor ein paar Monaten ist einem kleinen Jungen vor mir in der Schlange eine große Schneekugel weggenommen worden. Sie enthielt zu viel Flüssigkeit.
Mag sein, dass diese Maßnahme einen grässlichen Anschlag verhindert hat. Ich halte es allerdings für unwahrscheinlich. Und ich halte es auch nicht für einen Zufall, dass die NSA ausgerechnet jetzt so wertvolle Hinweise durch abgehörte Telefonate gewonnen hat. Seit nämlich die Kritik an den Abhöraktionen lauter wurde.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
US-Interessen in Grönland
Trump mal wieder auf Einkaufstour
Täter von Magdeburg
Schon lange polizeibekannt
Abschiebung erstmal verhindert
Pflegeheim muss doch nicht schließen
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Slowakischer Regierungschef bei Putin im Kreml