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Kolumne MachtDer Lack ist ab

Bettina Gaus
Kolumne
von Bettina Gaus

Die USA sind schon lange nicht mehr das, was sie mal waren. Sieht es so aus, wenn eine Weltmacht von der Bühne abtritt?

Uff, Bahnfahren in den USA. Hoffentlich wird es nicht zu mühsam. Bild: dpa

D er Supermarkt war riesig und glitzerte. Eigentlich glitzerte alles in den USA, als ich mit 17 Jahren zum ersten Mal dort war. Mein Freundeskreis stand den Vereinigten Staaten überwiegend kritisch gegenüber. Der Putsch in Chile war ein großes Thema, Watergate sowieso, und auch der Vietnamkrieg war im Gedächtnis lebendig. Was alles nichts daran änderte, dass ich tief beeindruckt war.

Rund zehn Jahre später bewunderte ich die breiten, gepflegten Straßen, den Komfort der Motels, den schnellen, zuverlässigen Service. Heute sind die USA nicht mehr das, was sie einmal waren. Sie glitzern nicht mehr. Die Straßen der Hauptstadt Washington sind mit Schlaglöchern und Bodenwellen übersät. Die einst so modernen Badezimmer vieler Motels sind in die Jahre gekommen, die Teppiche sind abgewetzt. Wer etwas anderes als Junk Food essen will, muss viel Geld ausgeben.

Wenn man ein festes Bild im Kopf hat, dann dauert es lange, bis einem auffällt, dass man davon Abschied nimmt. Ich habe es erst gemerkt, als ich jetzt in den USA einen Zug genommen habe. Und mein erster Gedanke war: „Großer Gott, ich hoffe, es wird nicht allzu mühsam.“

Nicht allzu mühsam? Im amerikanischen Serviceparadies? Seltsame Überlegung. Aber berechtigt. Nein, es war nicht allzu mühsam. Nur schwieriger als in Deutschland. Keine Sitzplatzreservierung in der voll belegten Bahn, ziemlich langsam, kein Kaffee am Platz. Aber ich hatte ja auch nichts anderes erwartet. Wie mir dann bewusst wurde.

„Bäng, bäng“

All das ist nicht besonders wichtig. Es gibt Schlimmeres – und leider gibt es tatsächlich Schlimmeres. In den letzten 30 Jahren sind die Kosten für einen Universitätsabschluss in den USA infolge von Kürzungen staatlicher Zuschüsse um 360 Prozent gestiegen. Inflationsbereinigt. Hochschulabsolventen beginnen ihr Berufsleben oft mit einer Schuldenlast von mehreren zehntausend Dollar, nicht wenige müssen sogar mehr als 100.000 Dollar abtragen. Eine Freundin meiner Tochter hat eine notwendige Operation aufs nächste Frühjahr verschoben. Wenn sie sich wieder eine Krankenversicherung leisten kann.

Diese Entwicklung bedeutet den Bruch des verlockendsten Versprechens, das die USA je zu geben hatten: dass es nämlich mit genügend Fleiß jeder und jede nach oben schaffen kann. Ganz gestimmt hat das nie, aber doch mehr als in vielen anderen Ländern auf der Welt. Leute lassen sich erstaunlich viel gefallen, solange sie hoffen können, dass ihre Kinder es einmal besser haben werden. Diese Hoffnung schwindet gerade in den USA.

Auch früher schon sind unbewaffnete schwarze Jugendliche von Polizisten erschossen worden. Die Tatsache, dass Schwarze unverhältnismäßig häufig kontrolliert werden, bei Straftaten härtere Urteile zu gewärtigen haben als Weiße, auch eher Gefahr laufen, unschuldig im Gefängnis zu landen: All das ist nicht neu. Es gibt Studien darüber, Statistiken – sogar bitterböse Sitcoms. Bemerkenswert ist also nicht, dass es geschieht. Bemerkenswert ist, dass es nicht mehr hingenommen wird wie ein unabwendbares Schicksal.

Die Wut und die Frustration sitzen tief. Vor einigen Tagen stand ich um die Mittagszeit neben einem schwarzen Mann an der Ampel. Plötzlich richtete er den Zeigefinger seiner Faust auf mich, als sei es eine Pistole, und schrie: „Bäng, bäng.“ Es war nicht lustig, und es war auch nicht lustig gemeint.

Irgendetwas verändert sich gerade in den USA. Ich kann noch nicht definieren, was es genau ist. Aber ich werde den Gedanken nicht los, dass es so aussehen könnte, wenn eine Weltmacht von der Bühne abtritt.

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Bettina Gaus
Politische Korrespondentin
Jahrgang 1956, ist politische Korrespondentin der taz. Von 1996 bis 1999 leitete sie das Parlamentsbüro der Zeitung, vorher war sie sechs Jahre lang deren Korrespondentin für Ost-und Zentralafrika mit Sitz in Nairobi. Bettina Gaus hat mehrere Bücher veröffentlicht, zuletzt 2011 „Der unterschätzte Kontinent – Reise zur Mittelschicht Afrikas“ (Eichborn).
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5 Kommentare

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  • Danke für den eingehend facettenreichen Artikel, Frau Gaus!

     

    Ich glaube nicht, dass wir gerade den Abgang der USA als Weltmacht erleben. Was wir dagegen vor Augen erleben, ist, dass ein Gesellschaftsentwurf United Nation" USA für die gesamte Menschheit, wie 1991 der der UdSSR, 1776 bzw. 1917 als Tiger gesprungen, binnen jahrzehnten zur Kuhhaust geschrumpft, die sich als Gesellschaftsentwurf nicht mehr traut, auf die nichts mehr an Visionen passen will, einmal laut, einmal still vor deem Kamin der Völker als unregierbar unsicheres Staatsgebilde gelandet ist, dessen Zentrifugalkräfte dabei sind, wie in Russland, selbst dieses noch zu sprengen

     

    Joachim Petrick

    https://www.freitag.de/autoren/joachim-petrick/bettina-gaus-kriegsgefahr-fuer-politische-eu/view

    Bettina Gaus "Kriegsgefahr für POLITISCHE EU"

    POLITISCHE UNION Ist Europa mehr als der EURO? Droht mit der Politischen Union Balkanisierung der EU?

    Bettina Gaus ahnt  für den Fall der Fiskal- und POLITISCHEN EU eine Kriegsgefahr!

    Presseclub 24.06.2012

    Ist Europa mehr als der Euro?

    Welches Europa wollen wir?

  • Ich nehme es ähnlich wahr.

     

    Die USA als Vorbild für Freiheit und Demokratie, konnten wir im Politikunterricht beispielhaft bewundern. Ich war im Jahr 2000 das letzte Mal dort, bewunderte die ganze Realität im schönen Kalifornien.

     

    Mit Guantanamo, NSA-Affäre, Waffengesetzen, Todesstrafe, ist es nicht mehr das leuchtende Vorbild, das weiterempfehlenswert ist.

    Ich glaube allerdings nicht, dass diese Weltmacht von der Bühne abtritt. Sie wird weiterhin gute Dienste als schlechtes Beispiel leisten, das aufzeigt was passiert, wenn zuviel Macht im Spiel ist.

     

    DW

    • @dweber:

      Die USA sind eine Plutokratie. Die Großkonzerne, Lobbyisten aber auch das Militär wissen ihre Interessen schon zu sichern.

       

      Außerdem ist es ja de facto Staatsdoktrin, mit allen Mitteln die größte Weltmacht zu sein. Das dürfte m.M.n. auch einer der Gründe für diese massenhafte Internet-Überwachung sein.

  • Dazu kommen 3 Millionen obdachlose KINDER, Über 2 Millionen Straffarbeiter OHNE Lohn in Gefängnissen, ein gigantisches Drogenproblen.

    Wassermagel ....

     

    Ich habe es hier schon mal gesagt:

    Die USA brauchen Kriege zum überleben.

    Warum sollen wir den USA dabei helfen und Deutsche serben lassen?

  • Was kümmern uns schon die Amerikaner? Hauptsache unser Gold und unsere Daten sind dort bis in alle Ewigkeit aufgehoben.