piwik no script img

Kolumne Luft und LiebeEmanzen, die nackt tanzen

Die „Emma“ will für Frauensolidarität stehen und bekommt Kloppe auf Twitter. Da ist mancher Teebeutel schon weiter.

Zur 50. „Luft und Liebe“-Kolumne: Beyoncé mit goldenem Glitzer. Bild: dpa

E s gibt sie, die dummen Fragen. Die Emma fragt auf ihrer aktuellen Titelseite: „Beyoncé: Emanze oder Schlampe?“ Beyoncé Knowles hat bei den MTV Video Music Awards im August vor einer Leinwand gesungen, auf der groß „Feminist“ stand. Hoppla, fragt die Emma, geht das klar? Und bringt – immerhin – zwei Texte, Pro und Contra: Ja, geht klar, schreibt Alexandra Eul (34), „etwas Besseres kann dem Feminismus nicht passieren“. Und nee, geht nicht klar, schreibt Chantal Louis (45), weil Beyoncé halb nackt an Stangen tanzt und aussieht „wie per Photoshop gemeißelt“.

Selten konnte man den Konflikt zwischen altem und neuem Feminismus so schön auf zwei Seiten komprimiert sehen. Wäre die Emma auf dem neuesten Stand feministischer Diskussionen, wüsste sie, dass es Schlaueres gibt, als wenn weiße Frauen women of color sagen, wie sie mit ihren Körpern umzugehen haben.

Gleichzeitig startete die Emma eine Aktion, bei der Leserinnen unter dem Hashtag #EMMAistfürmich sagen sollten, was die Emma für sie ist. „Frauensolidarität“, sagt eine Abonnentin, und das ist im Kontext mit der Beyoncé-Frage natürlich ziemlich witzig.

Und weil so ein Hashtag zweckentfremdet werden kann, schnappten sich Feministinnen, die mit der Emma nicht einverstanden sind, das Hashtag #EMMAistfürmich und schrieben, was sie von der Emma halten: „rassistisch“, „überholt, reaktionär, verletzend“, „nach unten tretend, Leute vor den Bus werfend, paternalistisch“, „sexnegativ“, „transfeindlich, prostituiertenfeindlich“, „supernervig“. Und so weiter.

Ausgerechnet Beyoncé

Während ich das schreibe, trinke ich einen Tee, auf dessen Verpackung steht: „Leave the tea to brew for three to five minutes, or until you think it’s ready.“ Dieser Teebeutel ist politisch weiter als die Emma. Denn es muss ein Hauptanliegen des Feminismus sein, gegen Bevormundung zu kämpfen und Frauen – und alle anderen – selbst entscheiden zu lassen, was sie tun, wie sie aussehen und welche Kulturtechniken sie sich aneignen.

In einer Gesellschaft, in der Frauen immer noch stärker als Männer nach ihrem Äußeren bewertet werden, muss Feminismus bedeuten, keiner einzigen Frau mehr zu sagen: „Ach, guck an, wie du aussiehst, anscheinend bist du untervögelt/überfressen/unterdrückt/übertrieben blöd.“ Freiheit kann verschiedene Formen annehmen. Freiheit kann für eine Frau heißen, nackt zu tanzen. Oder in Hosen zu gärtnern. Oder mit Kopftuch zu lesen.

Beyoncé als Schlampe zu bezeichnen ist sogenanntes „Slut Shaming“; das ist die Unart, Menschen, vor allem Frauen, dafür zu verurteilen, wie und wie oft sie ihre Sexualität ausleben. Ausgerechnet Beyoncé – laut Forbes-Magazine einflussreichste Künstlerin 2014 –, die immer wieder Frauen und ihre Macht, ihr Begehren und ihre Kämpfe thematisiert.

Ich hätte gern meine 50. „Luft und Liebe“-Kolumne über etwas anderes geschrieben, als wie Feministinnen sich kloppen. Frauensolidarität wär schön. Aber von mir aus kann die Emma so weitermachen. Um es mit Beyoncé zu sagen: „Keep talking that mess, that’s fine / But could you walk and talk, at the same time? […] Don’t you ever for a second get to thinking you’re irreplaceable.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Margarete Stokowski
Autorin
Jahrgang 1986. Schreibt seit 2009 für die taz über Kultur, Gesellschaft und Sex. Foto: Esra Rotthoff
Mehr zum Thema

18 Kommentare

 / 
Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Teebeutel und EMMA-bashing, seufz.

    EMMA und weiße Feministinnen haben women of color nicht zu sagen, wie sie mit ihrem Körper umzugehen haben.

    Das ist 100% richtig. Leider steht das hier nur als typische Phrase. Denn eine Auseinandersetzung mit Kommentaren von schwarzen Feministinnen hätte ich gerne gelesen, aber es ist natürlich nicht so einfach, wirklich auf dem neuesten Stand der feministischen Debatte zu sein; EMMA-bashing reicht dazu ja in Deutschland.

    Anderen nicht sagen dürfen, was sie mit ihrem Körper tun dürfen. Bedeutet das auch, nicht das Recht zu haben, "Zeichensysteme" und Botschaften zu analysieren, die über eine öffentliche Inszenierung in den Massenmedien stattfinden und dort massiv beworben werden? Massenmedien, die absolut vorwiegend von weißen "Leuten" (darf "Männer" gesagt werden?), und dabei am wenigsten von weißen (oder anderen) Feministinnen geprägt sind. Aber diese Unterschiede zwischen dem, was eine Frau "mit ihrem Körper macht" oder machen will, und dem, wie es gesellschaftlich vermarktet wird plus die Analyse dessen - wir wären so viel weiter, wenn hier endlich wieder gearbeitet würde.

    Die Kritik soll ja auch nicht women of color sprechen lassen, sondern lediglich Feministinnen verstummen lassen.

    Der entlarvende Clou kommt am Ende:

    "Ausgerechnet Beyoncé – laut Forbes-Magazine einflussreichste Künstlerin 2014 –, die immer wieder Frauen und ihre Macht, ihr Begehren und ihre Kämpfe thematisiert."

    Na mal gut, dass Forbes von women of color bestimmt wird. Voll die höchste Instanz bei der Analyse feministischer Zusammenhänge.

    Zu Beyoncé: Vielleicht, falls sie euch wirklich interessiert oder ihre community, kommt ja mal ein Artikel, der sich mit diesen Themen auseinandersetzt. Aber seufz, es ist mehr Arbeit, als auf den Tee zu warten.

  • 1G
    10025 (Profil gelöscht)

    Hier der brillianten Kommentar von Rachel Moran, Überlebende der Prostitution und Vorkämpferin für die Abschaffung der Prostitution, über das, was die Pro-Sexwork-Rhetorik für sie persönlich und für ihren Versuch, gehört zu werden, bedeutet: http://abolition2014.blogspot.de/2014/09/ich-habe-die-kraft-des-abolitionismus.html

  • Ob alt oder neu: Der Feminismus steckt seit 40 Jahren in den Kinderschuhen.

  • " „Ach, guck an, wie du aussiehst, anscheinend bist du untervögelt/überfressen/unterdrückt/übertrieben blöd.“ Freiheit kann verschiedene Formen annehmen. Freiheit kann für eine Frau heißen, nackt zu tanzen. "

    Für den Mann gleichermaßen - der darf noch viel weniger nackt tanzen...

  • "woman of color" zu schreiben ist schon rassistisch genug.

    was spielt ihre hautfarbe für eine rolle?

    damit wird die hautfarbe herausgehoben, obwohjl sie völlig irrelevant ist.

    und wieso color?

    aber dann noch der emma unterstellen sie sei rassistisch?

    absurd.

    • @peter shaw:

      Der Begriff 'person of color' bzw 'women of color' ist nicht rassistisch. Siehe Wikipedia für eine umfangreiche Erklärung und die Historie des Begriffs, der auch durch Dr. Martin Luther King geprägt wurde.

      Der Zusatz 'of color' wird heute vor allem von nicht-weißen Menschen verwendet, da sie von einer besonderen Kombination von Diskriminierungen betroffen sind. Zum Beispiel Misogynie, Homophobie oder Transphobie in Kombination mit Rassismus. Diese Unterscheidung ist sehr wohl relevant, weil z.B. in den USA statistisch weiße Frauen ca 75% des Einkommens weißer Männer erhalten, schwarze Frauen aber sogar nur 69% oder weniger.

  • beste margarete, herzlichen glueckwunsch trotzdem!

  • 7G
    738 (Profil gelöscht)

    Den Anspruch der Deutungshoheit haben halt so manche Spartenpublikationen. Die TAZ ist da auch nicht anders, allerdings nimmt man sich hier glücklicherweise nicht so ernst.

  • Trittbrettfahrer lassen sich durch einen Lokführerstreik nicht aufhalten.

  • Ist das bitter, sich von diesen oberflächlichen us mainstream popkünsilern links überholen zu lassen!!

  • Dem habe ich fast nichts hinzuzufügen, außer, dass ich mir wünschte, es wäre erwähnt, wie viele Sexarbeiter*innen ihrem Ärger unter #EMMAistfürmich Luft machten, denn im Gegensatz zu anderen müssen diese sich seit langer Zeit gezwungenermaßen mit der Agitation der EMMA auseinandersetzen, da sie gefährliche Gesetzesinitiativen mit hoffähig macht. Ansonsten: erste Sahne!*

     

    *bei Belieben für den Tee

    • 1G
      10025 (Profil gelöscht)
      @Matthias Lehmann:

      Wichtiger als immer nur auf die Sprecherinnen des privilegierten Anteils der prostituierten Frauen zu verweisen, finde ich, den Survivorn der Sexindustrie zuzuhören. Sie berichten von der Gewalt und den Schattenseiten, die dem System Prostitution inhärent ist. Und da sind einige aktiv, z.B. in SPACE.

    • 1G
      10025 (Profil gelöscht)
      @Matthias Lehmann:

      Das Nordische Modell wird international von Survivorn der Sexindustrie gefordert. Sie berichten von der Gewalt und dem, was im sexpo-Diskurs so gerne unter den Tisch fallen gelassen wird. Deswegen sind sie für mich glaubwürdiger. Listen to survivors! Zum Beispiel hier: http://www.youtube.com/watch?v=RLqz2jC0QgE

    • @Matthias Lehmann:

      Ja, gefährlich wenn man umdenkt um der massenhaften sexuellen Ausbeutung/ des Missbrauches durch das „Prostitutionsgewerbe“ Herr zu werden. – „Herr“ zu werden… .

      • @Weller:

        Gegen Sexarbeit zu sein ist als wolle man die Lohnarbeit verbieten, weil es Sklaverei gibt.

         

        Es ist weder Ausbeutung noch Mißbrauch wenn ich die Dienste einer Masseurin/Sexarbeiterin/Altenpflegerin in Anspruch nehme.

         

        Warum ist es plötzlich ein Unterschied ob ich mir den Nacken oder den Penis massieren lasse?

        • @Robert:

          OK wenn dein Nacken für dich dieselbe Bedeutung hat wie dein Genital kann ich dir nichts entgegensetzen. Unsere Wahrnehmung ist eine andere, aber danke für deine ehrliche Antwort. Mit diesem empfinden den Prostitutionsmarkt zu rechtfertigen.. nein, kann ich nicht nachvollziehen.

          • @Weller:

            Ich verstehe einfach nicht, was sich qualitativ ändert wenn Sex ins Spiel kommt.

            Wenn eine "Bizarlady" einen Erwachsenen Mann windelt weil er darauf steht dann ist das für mich ebenso in ordnung als wenn eine Altenpflegerin das mit einem Pflegebedürftigen tut.

             

            Der Unterschied ist wohl der Stundenlohn von 250 Euro.

             

            Man kann doch den Leuten ihren Beruf nicht verbieten, weil man ihn aus ekel oder moralischen Gründen ablehnt.