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Kolumne LügenleserDie Gebote der Schluchtenscheißer

Juri Sternburg
Kolumne
von Juri Sternburg

Wenn man glaubt, mehr rechts außen geht wirklich nicht mehr – dann kommt ein FPÖ-Minister eines österreichischen Bundeslandes daher.

So trocken das Land, so angestaubt die Minister: Szene aus Niederösterreich Foto: dpa

H allelujah! Es ist mal wieder soweit. Vor wahrscheinlich über 3000 Jahren stieg der Prophet Mose vom Berg Sinai herab, um dem Volk der Israeliten die Zehn Gebote zu präsentieren. Der ein oder andere Zeitgenosse mag sich erinnern, Alexander Gauland etwa wurde damals gerade eingeschult.

Die äußeren Umstände im damaligen Sachsen waren natürlich etwas anders, denn während im Mittelmeerraum um Troja gekämpft wurde und Tut-Anch-Amun in unvorstellbarem Prunk beerdigt wird, ist das „heilige Deutschland“ größtenteils damit beschäftigt, herauszufinden was Ackerbau ist.

Und ausgerechnet jetzt, mehrere tausend Jahre später und zu Zeiten grandioser Erfindungen wie dem hausgemachten Klimawandel, libyschen Foltergefängnissen für Flüchtlinge und europäischen Waffenlieferungen an Despoten, kommt ein Prophet aus dem bisher relativ unbekannten Ländchen Österreich daher und bringt uns erneut Zehn Gebote. Hallelujah & Kruzitürken! Dass wir das noch erleben dürfen.

Überraschenderweise handelt es sich nicht um den obersten Führer der rechtsnationalen Schluchtenscheisser, Heinz Christian-Strache himself, der frisch von seinen Neonazi-Wehrsportübungen aus den niederösterischischen Wäldern die Gebotstafeln zu seinen Jüngern bringt, sondern um einen seiner treuen Fußsoldaten.

Rituelle Fußwaschungen

Ein bis dato eher unbedeutunger Jünger der FPÖ erscheint stattdessen auf der Bildfläche: Landesrat Gottfried Waldhäusl, welcher die Dreifaltigkeit aus Hinterwäldlertum, Heimattümelei und einem nicht existenten Gott bereits im Namen trägt. Und wo uns damals so profane Gesetze wie „Du sollst Vater und Mutter ehren“ vor die Nase und neben das goldenen Kalb gesetzt wurden, verpflichtet der gebürtige Landwirt Waldhäusl beispielsweise sämtliche Asylbewerber dazu „Dankbarkeit gegenüber Österreich zu leben“.

Wie diese Dankbarkeit aussehen soll ist bisher nicht überliefert, Zwangsarbeit auf Waldhäusls Bauernhof oder die Eheschließung mit einem seiner drei Kinder liegen allerdings im Bereich des logisch Ableitbaren. Zumindest rituelle Fußwaschungen wären angebracht.

Die anderen Gebote sind offiziell noch nicht veröffentlicht. Ganz Europa ist gespannt darauf, was sich die dank der angeblichen „Besetzung“ im Zweiten Weltkrieg nie wirklich entnazifizierten „Fetznschädl“ aus dem putzigen Nachbarland so ausgedacht haben. Dank ausgezeichneter Kontakte zum Wurmfortsatz Deutschlands, ist es mir allerdings gelungen, einen ersten Einblick zu erhalten.

So heißt es in den in Steirisches Wurzelfleisch gemeißelten Geboten unter anderem „Du sollst deine Tochter im Keller halten und eine zweite Familie mit ihr zeugen“ und „Du sollst deine Sonnenkönige vollkommen betrunken bei einem Autounfall sterben lassen“. Diskutiert wird aktuell noch, ob das Gebot „Du sollst Rechtsextremisten mit Regierungsgeldern finanzieren“ einfach unter den Tisch gekehrt wird. Hallelujah!

Die TAZ möchte sich übrigens – in der jüngeren Tradition österreichischer Medien – ausdrücklich von diesem Beitrag distanzieren, denn: Satire darf alles, außer die Wahrheit aussprechen, lieber ORF.

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Juri Sternburg
Juri Sternburg, geboren in Berlin-Kreuzberg, ist Autor und Dramatiker. Seine Stücke wurden unter anderem am Maxim Gorki Theater und am Deutschen Theater in Berlin aufgeführt. Seine Novelle "Das Nirvana Baby" ist im Korbinian Verlag erschienen. Neben der TAZ schreibt er für VICE und das JUICE Magazin.  
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6 Kommentare

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  • Naja, ich finde die Nadelspitze erheblich treffender als den plumpen Holzhammer. Aber immerhin eine gelungene Abschlusspointe.

  • Herrlich, das ist Satire auf hohem Niveau. Und an alle Bedenkenträger und andere: Satire ist (fast immer) böse.



    Und noch einen: wir sind Kartoffeln, schon immer gewesen.

  • Die Überschrift entspricht niedrigstem Stammtischniveau. Das kann der restliche Artikel dann (leider) nicht mehr retten.

  • Danke dafür. Ich konnte darüber sogar lachen, was gute Satire ja durchaus im Sinn hat. Aller Traurigkeit zum Trotz. Und den Begriff Schluchtenscheißer zu gebrauchen macht outet einen durchaus. Und zwar als deutschen. Woll?

  • Eigentlich ein sehr guter und vor allem treffender Artikel, dessen Verfasser sich leider durch den Gebrauch einer zutiefst diskriminierenden Bezeichnung für unsere österreichischen Nachbarn als selbst keineswegs frei von rechtem Denken outet.



    Schade - so schadet er der guten Sache mehr, als er ihr dient!

    • @boidsen:

      Was hat das mit "rechts" oder "links" zu tun, wie man Einwohner von Österreich nennt.

      Die Bezeichnung "unsere österreichischen Nachbarn" ist maximal rechts, weil Sie damit behaupten, irgendein Österreicher wäre mein Nachbar. Ich lebe am Rande Ostfrieslands und meine Nachbarn auch. Ich habe nix mit den Österreichern zu tun. Die Herstellung einer nicht vorhandenen Gemeinschaft schon zwischen Ihnen und mir ("unsere") aufgrund einer eventuell gleichen Staatsbürgerschaft zeigt eher rechtes Denken.