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Kolumne LügenleserDie Blut-und-Boden-Party

Juri Sternburg
Kolumne
von Juri Sternburg

Matthias Matussek, der alte Mann, der immer schon so schrieb, wie andere alte Männer das mochten, feierte Geburtstag – und alle, alle kamen.

Gute Laune bei Matthias Matussek Foto: dpa

W er kennt es nicht: Da stolpert man mit seiner Westerngitarre nachdenklich durch die Prärie, und plötzlich fällt einem ein, dass man ja noch zum Geburtstag eines alten Freundes wollte, der den Weg der Ehrbarkeit und der Zurechnungsfähigkeit längst verlassen hat. Doch Matthias Matussek, ehemals Feuilleton-Chef beim Spiegel, hat den Pfad nicht nur verlassen, sondern kraucht mittlerweile im Blut-und-Boden-Morast herum.

Wenn dieser Mann also, der sich selbst als „Frauenfeind, Nationalist, Dunkelkatholik“ (Zwinkersmiley) bezeichnet, zum Stelldichein bittet, dann sollte es keine Überraschung sein, dass sich das „Who is who“ der sogenannten neuen Rechten einfindet. Wobei nicht ganz klar ist, woher das „neu“ kommt, die Ideologie der meisten Partygäste stammt aus einer längst vergangenen Zeit.

Ob das ehemalige REP-Parteimitglied und der jetzige Junge-Freiheit-Chef Dieter Stein, Pegida-Bücherwurm Susanne Dagen oder Twitter-Schreckschraube Erika Steinbach, sie alle laben sich am Buffet und posieren bereitwillig für die zahlreichen Selfies, welche Matussek postwendend auf Facebook postet, wie jeder andere vergessene und etwas seltsame Opa auch.

Als Kirsche auf der Torte hat man sich dann doch noch einen aus der neuen Garde dazugeholt. Mario Müller, Schreihals und vorbestrafter Neonazi, der medial vor allem durch seinen hysterischen Auftritt bei der Frankfurter Buchmesse 2017 auf sich aufmerksam machte. Wie wenn sich so ein hausbackener und altertümlicher TV-Sender einen hippen YouTuber in die Sendung holt, um die „Kids“ zu erreichen. Und inmitten dieses ganzen rechtsextremen Karnevals steht Reinhold Beckmann und singt den Gästen ein Ständchen.

Es bist Du, babe

Nicht, dass es nicht generell eine schlechte Idee wäre, auf Geburtstagspartys Bob-Dylan-Songs zu performen, aber das ist Geschmackssache. Beckmann grenzt sich nach der Party und inmitten der viralen Aufregung ab. Er gibt an, sich verlaufen zu haben. Er habe den Text des Songs abgeändert und wollte Matussek somit etwas „zum Kauen“ geben. Nun gut, kein Grund also, sich weiter auf ihn einzuschießen.

Dafür ist es umso interessanter, was er über die Party schreibt. „Kaum noch alte Freunde, dafür viele neue rechte Gesinnungskumpel.“ Wer damit gemeint ist, sagt Beckmann nicht. Auf den Fotos sind jedoch ein paar Beispiele zu sehen. Jan Fleischhauer etwa. Und diverse weitere renommierte Journalisten von Spiegel, Focus, BILD, Stern und Zeit. Sie alle grinsen in die Kamera, während Matussek – ganz Altmännerhumor – eine Gauland-Krawatte trägt.

Das ist die logische Fortführung von journalistischen Beiträgen, in denen man gedankenversunken mit Höcke durch den Wald marschiert oder Gauland einen Gastbeitrag schreiben lässt, in dem er barbarische Rassentheorien verbreitet. Jene, welche gestern mit Rechten reden, sind die, die heute mit Rechten feiern und morgen mit ihnen marschieren.

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Juri Sternburg
Juri Sternburg, geboren in Berlin-Kreuzberg, ist Autor und Dramatiker. Seine Stücke wurden unter anderem am Maxim Gorki Theater und am Deutschen Theater in Berlin aufgeführt. Seine Novelle "Das Nirvana Baby" ist im Korbinian Verlag erschienen. Neben der TAZ schreibt er für VICE und das JUICE Magazin.  
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2 Kommentare

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  • Zitat: „Auf den Fotos sind jedoch ein paar Beispiele zu sehen. Jan Fleischhauer etwa. Und diverse weitere renommierte Journalisten von Spiegel, Focus, BILD, Stern und Zeit.“

    Da kann man mal sehen, was vom Renommee (oder vom „Who ist who“) zu halten ist.

    Nachdem „die Ideologie der meisten Partygäste [...] aus einer längst vergangenen Zeit [stammt]“, wäre es womöglich angebracht, für den Ex-Feuilleton-Chef des Spiegel und seine (mehr oder weniger) honorigen Gäste auch ein veraltetes Vokabular zu benutzen. Die Wikipedia kennt da beispielsweise das schöne alte Verb „renommieren“. Das hat, heißt es, „abfällige Bedeutung“ und meint so viel wie „prahlen“ oder „protzen“. Veraltet ist angeblich auch das davon abgeleitete Substantiv „Renommist“, das Wikipedia mit „Angeber“ übersetzt.



    Erich Kästner hat das seinen Leser*innen seinerzeit so erklärt:



    Der Peter war ein Renommist.



    Ihr wisst vielleicht nicht, was das ist.



    Ein Renommist, das ist ein Mann,



    der viel verspricht und wenig kann.



    Leider vergaß Kästler zu erwähnen, dass ein Renommist a) auch weiblich sein kann und b) nicht gern alleine ist. Er muss immer (mindestens) einen um sich haben, der sich in seinem Glanz zu sonnen wünscht und der zu dumm, zu ignorant oder zu borniert ist, den Menschen hinter der Maskerade zu erkennen – oder der unbedingt auch ein altmodischer Renommist sein möchte.

    Merke: Jene, die gestern mit Rechten geredet haben und heute trotzdem noch mit ihnen feiern dürfen, marschieren womöglich morgen tatsächlich mit ihnen im Gleichschritt. Jedenfalls so lange, wie es nicht Kopf und Kragen kosten kann.

    Ich muss schon sagen: Solche „Kumpel“ kämen mir nicht in mein Haus. Schon gar nicht an meinem Geburtstag.

  • 1.



    Das Wort "neu" sollte nicht im Zusammenhang mit dem Wort "Rechte" verwendet werden.



    2.



    Das Wort "renommiert" sollte nicht im Zusammenhang mit Jan Fleischauer oder Franz-Josef Wagner verwendet werden. Bei letzterem finde ich auch die Bezeichnung "Journalist" unpassend.