Kolumne Liebeserklärung: Danke, Faktenprüfer

In der „Spiegel“-Affäre kamen Faktenfinder schlecht weg. Der Fall Menasse zeigt, wie wichtig es ist, dass es sie gibt: Menschen, die nachschlagen.

Ein Mann schuat durch eine Lupe und prüft damit die Qualität eines Ausdrucks

Druckprüfung in einer Maschinenfabrik in Heidelberg – so manch anderes Druckerzeugnis braucht ebenfalls strenge Prüfer Foto: dpa

Sie sind schwer zu finden. Ihr Lebensraum ist ein Schreibtisch, von dem aus sie stumm das prüfen, was andere für wahr halten. Weil sie erst einmal nichts glauben, sind sie hungrig nach Fakten, Quellen und Beweisen. Am besten alles schriftlich und schwarz auf weiß: die Faktenfinder.

Bislang kannte kaum jemand diese Spezies der Wahrheitssucher, denn gemeinhin ist sie unsichtbar. Meist hinterlässt sie keine Spuren, da sie alle Fehler aus den Texten der Journalisten entfernt hat.

Leider hat sich jüngst gezeigt, dass ihr immer nur dann besondere Ehre zuteil wird, wenn Fehler in Texten auftauchen, die schon gedruckt sind. Wenn gar ganze Geschichten erfunden waren und es niemand gemerkt hat. Die Mitarbeiter der Spiegel-Dokumentation haben dieses Problem. All die Male, als sie dafür sorgten, dass alles stimmte, wäre niemand auf die Idee gekommen, ihnen dafür einen Preis zu verleihen. Doch als im Zuge der Relotius-Affäre herauskam, dass sie mehrfach versagt hatten, waren sie plötzlich in aller Munde. 2018 endete schlecht für Faktenfinder.

2019 aber beginnt gut für sie. Mit dem Fall Robert Menasse. Der Schriftsteller hat mehrfach in nichtliterarischen Äußerungen eine Rede des einstigen EWG-Kommissionsvorsitzenden Walter Hallstein zusammenfantasiert. Berauscht von der Autorität des Literaten, haben gewiss viele dessen Behauptungen einfach weitergetragen. Nicht so der Historiker Heinrich August Winkler. Er machte sich die Arbeit, mal nachzuschlagen. Er prüfte die Rede mit seinen kritischen Historikeraugen und deckte die Fälschung im Spiegel auf.

Dieser Text stammt aus der taz am wochenende. Immer ab Samstag am Kiosk, im eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo. Und bei Facebook und Twitter.

Die emphatische Europa-Rede von Hallstein ist zu schön, um wahr zu sein. Wir wollten es glauben. Dass der ehemalige Kommissionspräsident die Notwendigkeit einer europäischen Einigung mit einer pathetischen Rede in Auschwitz begründete, passte für viele enthusiastische Proeuropäer einfach zu gut ins Bild. Wie toll, dass es noch Leute gibt, die erst mal nichts glauben, auch wenn es gut klingt.

Dieses nüchterne Nachprüfen macht einen selten weltberühmt, hat aber die Macht, eine ganze Medien- oder Literaturbranche in Schockstarre zu versetzen. Der kritische Blick ist die mächtigste Waffe der Faktenprüfer. Das Schöne daran: Jeder, der erst mal nicht alles glaubt, kann zum Faktenprüfer werden. Sie werden dringend gebraucht.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Ich berichte über Politik, insbesondere LGBTI, Menschenrechte, soziale Bewegungen. Gern auch investigativ.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.