Kolumne Liebeserklärung: #MeTwo
Eine Woche nach Özils Erklärung lohnt es sich zu lesen, wie Menschen auf Twitter von ihren Erfahrungen mit Alltagsrassismus berichten.
D ie meisten Hashtags sind wie Kleingeld: Sie kommen, gehen, und tags drauf ist es so, als hätte es sie nie gegeben. Behauptet also jemand, dass ein Hashtag gerade die Runde macht, lohnt es sich oft abzuwarten. Ob mehr dahintersteckt als der Wunsch einer Handvoll aufgewühlter Social-Media-Nutzer oder PR-Strategen, ihr Anliegen groß zu machen, ohne sich physisch zu bewegen. Puff – und weg.
#MeTwo, dieser Hashtag, den Journalist und Aktivist Ali Can in dieser Woche ins Leben rief, scheint mehr zu sein als das. Seit Tagen berichten darunter Menschen mit Migrationshintergrund über Ausgrenzung und Alltagsrassismus, die sie in Deutschland erfahren haben.
Über Wohnungen, die sie mit ausländisch klingenden Nachnamen nicht bekamen. Über Polizisten, die sie anlasslos verdächtigten. Über Herabsetzungen durch Lehrer. Über Mütter von Partnern, die ihnen aufgrund ihrer Hautfarbe Krankheiten andichteten, und vieles andere. Eine Lektüre, die betroffen macht angesichts der geballten Wucht der Anfeindungen, eine wichtige Lektüre in Woche eins nach Özil. Lohnenswert zu lesen, gerade für Menschen ohne Migrationshintergrund.
Der Hashtag ist eine Einladung, einfach mal zuzuhören. Was natürlich im überhitzten Wutklima des Sozialdigitalen schwerlich funktioniert – wobei #MeTwo jede Menge neue Leugnung, Relativierung und Hass produziert. Doch vielleicht liegt sogar darin eine Chance – wenn diesmal genau diejenigen öffentlich widersprechen, denen das Ausmaß der Anfeindungen erst jetzt bewusst wird.
Wenn es gut läuft, dann könnte aus alldem tatsächlich etwas entstehen. Im besten Falle das, was bei #Aufschrei oder #MeToo passierte: Mittels Tausender Anekdoten wurden Summe und Spektrum eines Problems sichtbar. Diese Hashtags sind ähnlich wie #BlackLivesMatter und #NotJustSad Synonyme für ein Problem geworden und Hoffnung für alle, die sich einen Wandel wünschen, die ihn brauchen. Sie haben verändert, wie wir über sexuelle Übergriffe, über Rassismus und Depressionen sprechen. Allen Garstig- und Unbenutzbarkeiten der heutigen sozialen Medien zum Trotz. Weil sie ein Momentum auf ihrer Seite hatten.
Vielleicht sind wir ja genau jetzt auch bereit für #MeTwo.
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