Kolumne Liebeserklärung: Politik könnte wieder sexy werden
Eine Kooperative Koalition, die den Parteien politischen Freiraum lässt, wäre genau die richtige Antwort auf den Erfolg der AfD.
D as Pferd ist tot. Wer die BeobachterInnen des politischen Berlin fragt, bekommt fast nichts anderes zu hören. Die Koko, also die Kooperative Koalition, wird als Kokolores abgetan. Vor allem die Linken innerhalb der SPD hatten die Idee, dass sich die Partei mit der Union in zentralen politischen Themen auf ein gemeinsames Vorgehen einigt, in allen anderen Punkten aber freie Hand bekommt. Das soll nun also Kokolores sein. Aber warum eigentlich?
Weil Kokolores so gut zu „Koko“ passt? Ja, schöner Witz. Weil die CDU/CSU total dagegen ist? Ach, echt, seit wann ist die Union wieder so stark, dass sie ihren Willen durchsetzen kann? Weil – igitt – die SPD dann „fremdgehen“ könnte?
Da kommt man dem Problem schon näher. Die Koko wäre geradezu exotisch. Sie wäre ein Festival der Demokratie, ein Aphrodisiakum für die Debatten im Bundestag. Politik könnte wieder sexy werden. Kein Wunder, dass man im konservativen politischen Raum ob so viel Freizügigkeit die Nase rümpft.
Dabei würde die Koko es allen Parteien erlauben, ihr politisches Profil zu wahren. Unterscheidbar zu sein. Attraktiv zu bleiben. Sie von dem Vorwurf befreien, sich wegen des Koalitionszwangs bis zur Unkenntlichkeit zu verbiegen. Ja, die Koko hätte ein Problem: die AfD. Bei wechselnden Mehrheiten wird es Entscheidungen geben, die nur zustande kommen, weil auch die Rechtsextremen dafür waren. Aber das ist ein akzeptables Vorgehen, solange sich keine der anderen Parteien bei den Populisten mit Kompromissen anbiedert, um deren Zustimmung zu bekommen.
Dieser Text stammt aus der taz am wochenende. Immer ab Samstag am Kiosk, im eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo. Und rund um die Uhr bei Facebook und Twitter.
Auf jeden Fall wäre das eine bessere Antwort auf den Bundestagseinzug der AfD als die nun wieder von allen Seiten hochgelobte Große Koalition. Die, da waren sich nahezu alle KommentatorInnen noch vor Kurzem einig, ist gleichbedeutend mit politischem Stillstand, fatal für den demokratischen Prozess, Doping für Populisten.
Nein, das Pferd ist nicht tot. Es fehlt nur der Mut, es zu besteigen. Denn die Koko ist wild, nicht einfach zu händeln. Wer sich in ihren Sattel traut, könnte sogar stürzen. Aber sie dürfte das Publikum anziehen, vielleicht sogar begeistern. Jedenfalls mehr als der festgefahrene Karren, an dem zwei Ackergäule in unterschiedliche Richtungen zerren, der neuerdings wieder als Zukunftsmodell gepriesen wird.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Deutungskampf nach Magdeburg
„Es wird versucht, das komplett zu leugnen“
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Gedenken an den Magdeburger Anschlag
Trauer und Anspannung
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
Aktionismus nach Magdeburg-Terror
Besser erst mal nachdenken