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Kolumne LiebeserklärungDie IAA ist einfach klasse

Kai Schöneberg
Kolumne
von Kai Schöneberg

Immerhin Europas größte Autoschau tut was gegen das dieselfeindliche Klima im Land. Die modernsten Autos sind konsequenterweise nicht zu finden.

Neu und technisch schon veraltet – trotzdem sind Kanzlerin Angela Merkel (rot) und die Autobosse (schwarz) begeistert Foto: reuters

Z ur Eurobike, der weltgrößten Fahrradmesse Ende August in Friedrichshafen, konnte sie ja leider nicht kommen. Umso besser, dass Angela Merkel am Donnerstag Zeit für die Eröffnung der IAA hatte. Hier in Frankfurt auf der Autoshow ulkte die Kanzlerin, im selbstfahrenden Audi fehle jetzt nur noch eine Küche. Merkel in lustisch – bald ist Wahl.

Und natürlich gab es auch ein bisschen du, du, du. Ja, die Branche müsse „schnellstmöglich Vertrauen zurückgewinnen“ und ganz, ganz viel in neue Antriebstechnologien investieren. Nur so sei es auch zu schaffen, „Fahrverbote für Diesel zu verhindern“.

Die IAA („Zukunft erleben“) ist einfach klasse. Bei den 1.000 Ausstellern sind zwar die Nachhaltigsten und Spannendsten (Tesla, Volvo, Nissan . . .) nicht dabei. Dennoch tut Europas größte Brumm-brumm-Ausstellung endlich was gegen dieses mobilitätsfeindliche Klima im Land, in dem Autos das neue Rauchen sind.

Die Naturschützer vom BUND haben die Stände der deutschen Hersteller abgelatscht – und keinen einzigen Diesel gefunden, der die neue Euro Norm 6d erfüllt. Für 6d werden die Kisten unter realistischen, verschärften Bedingungen getestet. Schmu ist also zumindest erschwert. Und folgerichtig machen die deutschen Hersteller auf der IAA da nicht mit.

Natürlich jede Menge SUV

Die Messe erfreut uns stattdessen mit einem realistischen Bild der Reue- und Lernfähigkeit der hiesigen Autobauer: Von dieser ganzen Diesel-Entschuldigungs-Lawine haben die echt den Kanal voll. Wir sehen den Mercedes-AMG Project One mit 1.100 PS und 350 Spitze für 3 Millionen Euro, den mit 388 PS und 286 km/h schnellsten Seriendiesel der Welt; den BMW Alpina D5S; den neuen Audi A8; den Rolls-Royce Phantom. Oder die dritte Auflage des Porsche Cayenne. Natürlich jede Menge SUV – trotz Skandalen und Klimazielen sind die Pseudo-Jägerkisten der am schnellsten wachsende Sektor der Branche. Schön ist ja auch, dass die Hersteller damit die höchste Rendite einfahren.

Die meisten der Quasigeländewagen fahren übrigens – Überraschung! – mit Selbstzünder. Deshalb darf der Diesel auch nicht so schnell sterben. Neue Hybrid- und E-Fahrzeuge gibt es auf der IAA selbstredend auch – aber vor allem als Zukunftsvisionen.

Und wir wissen ja: Wer Visionen hat, sollte . . .

Und sehen Sie, ganz ähnlich erklärte es auch die Regierungschefin im Bundestag: Nur mit dem Diesel könne Deutschland seine Klimaziele erreichen. Auch bei der Auftaktveranstaltung der IAA sagte Angela Merkel ganz offen, wie hoch der Einfluss der Autobranche im Kanzleramt ist: „Es geht kein Weg daran vorbei, dass wir auf Jahrzehnte noch Verbrennungsmotoren brauchen.“

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Kai Schöneberg
Ressortleiter Wirtschaft und Umwelt
Hat in Bonn und Berlin Wirtschaftsgeschichte, Spanisch und Politik studiert. Ausbildung bei der Burda Journalistenschule. Von 2001 bis 2009 Redakteur in Bremen und Niedersachsen-Korrespondent der taz. Dann Financial Times Deutschland, unter anderem als Redakteur der Seite 1. Seit 2012 wieder bei der taz als Leiter des Ressorts Wirtschaft + Umwelt, seit August 2024 im Sabbatical.
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3 Kommentare

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  • 5G
    571 (Profil gelöscht)

    Mein Traum: Street-Scooter der Post für alle.

  • Jepp, der Kipppunkt wird viel schneller kommen. Allerdings hängt der von der Akzeptanz und Erwartungshaltung der Käufer ab - und es wird gerade mit allen Mitteln versucht, die zu senken: keine ausreichende Ladeinfrastruktur, miserable technische Daten, grauenhaftes Design, zu wenig Modelle...und als Gegenpol irgendwelche "supergeilen" fossilen Monster: tja, Leute, was anderes gibt es leider noch nicht.

    Es werden Lügen verbreitet und forciert, dass die Technik noch nicht so ist, "wo soll der ganze Strom herkommen" und ähnlicher geistiger Dünnschiss.

    Das mit den Aktien ist genau der Punkt bzw. generell das Fremdkapital: genau das soll in den etablierten Firmen gehalten werden, deswegen dieses ganze künstliche Niedrighalten und Schlechtmachen.

    Uns fehlt ein Elon Musk, aber auch so ein Pionier würde hier mit allen Mitteln gebremst. Einen technologischen Evolutionssprung verkraftet die deutsche Autoindustrie nämlich nicht.

  • Wer jetzt noch Aktien deutscher Autobauer im Portfolio hat sollte schnellst möglich verkaufen, offenkundig hat man in den Chefetagen immer noch nichts verstanden.

     

    In den USA hat Tesla in den Luxuslimousinen einen Marktanteil von 34%. Das Modell 3 hat das Potential im Mittelklassenbereich das selbe zu erreichen.

     

    Die Zeit der Verbrenner läuft binnen der nächsten 10 Jahre ab, der technologische Wandel ist in vollem Gange. Die Aussage der Kanzlerin, dass der Verbrenner noch für Jahrzehnte benötigt wird, hat allenfalls begrenzte Gültigkeit. Für den Massenmarkt der privaten Verbrauchen ist dies Aussage sogar grob falsch und kann allenfalls darin begründet sein, dass man keinen Einbruch der mittelfristigen Nachfrage nach PKW vermeiden will.