Kolumne Liebeserklärung: Der Schweizer Spion
Die Schweiz – zu harmlos für einen Geheimdienst? Wer das glaubt, ist arrogant. Oder er kennt die Abgründe des Alpenstaates nicht.
D ieser Kommentar ist arrogant. Er ist geleitet von blöden Vorurteilen, die wir im großen Kanton im Norden gegen unsere Brüder und Schwestern fast gleicher Sprache im Südwesten haben. Sie wissen schon: Schweizerinnen und Schweizer sind gemütlich, harmlos, langsam et cetera. Aber irgendwie lieben wir sie. Wenn wir nicht über sie lächeln. Über ihren Geheimdienst etwa. Wozu braucht ein Land wie die Schweiz überhaupt einen Geheimdienst?
Solch Denken ist natürlich dumm: Warum sollte die Schweiz keinen – und keinen guten – Geheimdienst haben? Ist nicht die Tatsache, dass erstmals seit 1648 überhaupt ein Schweizer Spion hierzulande auffliegt, Beleg genug dafür, dass der Schweizer Geheimdienst sogar ziemlich gut sein muss? Denn nur ein Dienst, von dem man über Jahrzehnte nichts hört, ist ein guter Geheimdienst.
Es gibt eine unschöne Tradition in Deutschland, unsere Nachbarn mit den hohen Bergen zu unterschätzen. Als reiche der Konsum einiger „Heidi“-Trickfilm-Folgen, um den angeblich so gutmütigen Nationalcharakter der Schweizerinnen und Schweizer zu verstehen – wobei das Konstrukt „Nationalcharakter“ sowieso ziemlich blöd ist. Hinter diesem Denken steckt die Arroganz des Großen gegenüber dem Kleinen. Und sicherlich Neid. Denn so ein fast perfekt organisiertes Land wie die Schweiz hätten viele Deutsche auch ganz gern. Gerade die deutschsprachige Schweiz ist für viele hierzulande so etwas wie ein Sehnsuchtsort.
Vor allem liberale oder linke Schweizerinnen und Schweizer haben da ein ganz anderes Bild von ihrer Heimat – und von ihrem Geheimdienst. Sie verweisen etwa auf den „Fichenskandal“. Das war die jahrzehntelange Überwachung von irgendwie links vermutetem Pack durch die eigene Regierung. Rund 150.000 Bürgerinnen und Bürger waren davon betroffen, darunter etwa der Schriftsteller Max Frisch, ein ganz gefährlicher Hund.
Nicht zuletzt deshalb also: Man sollte nicht über den Geheimdienst der Schweiz lächeln … Obwohl: Der Schweizer James Bond spionierte noch mal wo? Klar, in einer Steuerbehörde. Wo sonst?
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Greenpeace-Mitarbeiter über Aufrüstung
„Das 2-Prozent-Ziel ist willkürlich gesetzt“
Keith Kelloggs Wege aus dem Krieg
Immer für eine Überraschung gut
Rücktritte an der FDP-Spitze
Generalsekretär in offener Feldschlacht gefallen
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Ampel-Intrige der FDP
Jetzt reicht es sogar Strack-Zimmermann
Antisemitismus in Berlin
Höchststand gemessen