piwik no script img

Kolumne LiebeserklärungDer Clown, eine ambivalente Figur

Fiese, aggressive Fratzen beschädigen den Ruf des Clowns. Dabei bräuchten wir alle wieder ein bisschen mehr von ihm.

Der Clown kann mehr als Tröten und Kindergeburtstag Foto: reuters

D ie mediale Aufregung war groß, als sich in der vergangenen Woche die Meldungen über die „Horror-Clowns“ häuften: „231 Fälle allein in NRW“ (Deutschlandfunk), „De Maizière: „Null Toleranz gegenüber Horror-Clowns“ (Tagesschau.de), „Es hört nicht auf“ (bild.de). Fiese Fratzen versetzen Kettensägen schwingend Menschen in Todesangst.

Der Clown ist in Verruf geraten, nicht nur wegen seiner Horrorbrüder. Seit geraumer Zeit schon liegt etwas Clownisches in der Luft, siehe Trump: Der hat nicht nur ein Faible für Toupets, sondern bedient sich fuchtelnd und polternd am Clownsrepertoire. Der Anschein des Lächerlichen funktioniert wie ein Schutzfilm, der ihn unangreifbar macht: Für KritikerInnen ist er der nicht ernst zu nehmende Vollidiot, für seine Fans der „Narr, der die Wahrheit spricht“. Trump macht sich die rote Nase, das anarchische Moment der Clownsfigur, zunutze – und das verfängt bei den Anhängern.

Gerade deswegen, weil das Clownische solche Wellen schlagen kann, muss es ernst genommen und zurückerobert werden. Der Clown kann mehr als Tröten und Kindergeburtstag. Als durchweg ambivalente Figur trifft er einen Nerv – oder besser: einen Softspot unseres Nervenkostüms, an dem einerseits Angst ihren Ursprung hat, aus dem aber auch kindlicher Wagemut erwachsen kann.

Ein bekanntes Motiv klassischer Clownsnummern ist die Verwunderung über das Alltägliche: Der Clown tritt in die Manege und findet einen Gegenstand – einen Schneebesen beispielsweise –, den er nicht einzuordnen vermag. Er weiß nicht, wie man ihn benutzt, kämmt sich damit die Haare, verwandelt ihn in ein Flugobjekt. Das ist dumm und zugleich originell. Traum und Imagination – die natürlichen Habitate des Clowns – sind nicht zufällig auch der Stoff, aus dem visionäre Gedanken gestrickt sind.

Die Kraft des Ambivalenten, das Uneindeutige des Clowns, auf das wir Klartextaffinen oft hysterisch reagieren, sollte nicht Idioten überlassen und unter Zirkuskuppeln verbannt werden. Es ist Zeit, den Manegenstaub abzuschütteln!

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!