Kolumne Liebeserklärung: Alpine Stille
Schweizer Tierschützer wollen den Kühen ihre Glocke wegnehmen. Das Gebimmel sei schlecht für Ohren und Verdauung. Richtig so.
D ie Schweizer sind zu Recht stolz auf ihre Kuhkultur, Bauern und Sennerinnen genießen hohes Ansehen, die Kuhforschung hat weltweite Bedeutung. Als die Wissenschaftler jedoch untersuchten, ob Kuhglocken nicht die reinste Folter für die Kühe seien, gerieten die Agrarfunktionäre in Rage: Sie sollten sich lieber wichtigeren Dingen widmen, die Kuhglocken seien ein hohes Schweizer Kulturgut. Kulturschaffende schwärmen von der „Magie der Kuhglocken“, die Tourismuswerbung vom „Soundtrack der Alpen“.
Als sich eine Bürgerinitiative gegen den Lärm der Glocken bildete, konterten die Milchbauern: Das seien alles Städter – mithin nicht ernst zu nehmen. Die Kuhforscher legten nach: Der Schallpegel der Glocken, bis zu 100 Dezibel, den auch Motorsägen erreichen, könne zu Gehörschäden und Verdauungsstörungen führen. Statt Glocken sollte man heute zur Ortung der Kühe besser GPS verwenden.
Die patriotische Presse und die Bauern tobten. Auf Facebook bekriegten sich eine Pro- und eine Contra-Kuhglocken-Partei. Das Zentrum für tiergerechte Haltung Tänikon gab zu bedenken, man müsste die Kühe selbst befragen. Auch der Wissenssoziologe Bruno Latour riet, den Kühen das Wort zu erteilen.
Aber wie?
Eine vorläufige Antwort gab eine Gruppe von Elefanten in einem indischen Forstbetrieb: Wenn sie nach Feierabend in den Wald entlassen wurden, fielen sie oft in Plantagen ein. Ihre Mahuts banden ihnen schließlich Kuhglocken um, damit die Bauern rechtzeitig gewarnt wurden und die Elefanten vertreiben konnten. Das funktionierte auch – bis zu jenem Tag, als die Elefanten das akustische Warnsignal ausschalteten und ungestört eine Bananenplantage abernteten: Sie hatten alle ihre Glocken mit Schlamm verstopft.
Den Kühen müsste man auf den Almen erst einmal Schlammkuhlen einrichten, damit sie entscheidungsfähig werden.
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