Kolumne Leipziger Vielerlei: Bachs Nummer 20
Durch die Woche in Leipzig mit Hochkultur, laserschießenden Weltraumpiraten, Pokémonkarten und niederländischen Monarchen.
O Mensch, errette deine Seele
Entfliehe Satans Sklaverei
Und mache dich von Sünden frei,
Damit in jener Schwefelhöhle
Der Tod, so die Verdammten plagt,
Nicht deine Seele ewig nagt.
Dieser musikalische Stimmungskillerstammt aus der Kantate „O Ewigkeit, Du Donnerwort“ von Johann Sebastian Bach oder BWV 20, wie wir Bachexperten anscheinend sagen. BWV steht für Bach-Werke-Verzeichnis. 20 steht für … 20, eine Ordnungsnummer. Die gehen im BWV rauf bis 1128 und sortieren Bachs Werk: Orgelwerke, Orchesterwerke, Sonaten mit Cembalo usw. Dazu kommen noch 213 Anhänge mit Fragmenten, verschollenen Werken und solchen, die Bach fälschlicherweise zugeschrieben wurden. Wieder was gelernt.
Zu dieser umfangreichen Arbeitsleistung hortet das ortsansässige Bach-Archiv allerhand historischen Krimskrams – das musikhistorische Gegenstück zu einer Pokémon-Kartensammlung. Während eine 1999 gedruckte Glurak-Karte mit Glitzereffekt in perfektem Zustand auf Ebay aktuell nur knapp 2.000 Euro kostet, ist so eine Bachkollektion schon sehr viel kostspieliger. 1,98 Millionen Euro hat das Bach-Archiv nun für die handgeschriebene Partitur zu BWV 20 ausgegebenen. Laut Archiv ein Freundschaftspreis.
Im Rahmen der „Zukunftswerkstatt“ der taz erscheint jeden Freitag statt der Neuland-Seite eine eigene Seite für Leipzig, die taz.leipzig: geplant, produziert und geschrieben von jungen Journalist*innen vor Ort.
Sie haben Anregungen, Kritik oder Wünsche an die Zukunftswerkstatt der taz? Schreiben Sie an: neuland@taz.de. Das Team der taz.leipzig erreichen sie unter leipzig@taz.de
Bei der Festzeremonie am Dienstag im Alten Rathaus veranstaltete der einst von Bach persönlich geleitete Thomanerchor deshalb ein kleines Freudenkonzert zu BWV 20. Lieblingspassage: „Mein ganz erschrocken Herz erbebt, dass mir die Zung am Gaumen klebt.“ Vielen mag das zu viel Hochkultur sein.
Alternativ konnte am Donnerstag das niederländische Königspaar bei einem Spaziergang durch die lauschigen Plattenbausiedlungen von Grünau begleitet werden. Oder noch besser: In Leipzig hat die erste Videospielhalle für VR-Brillen aufgemacht. Beim „Space Pirate Trainer“ kann man sich von Ufos mit Lasern beschießen lassen. Vielleicht werde ich dort auch meine Pokémon-Karten los.
Links lesen, Rechts bekämpfen
Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!