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Kolumne Langhans im DschungelcampÜber dem Abgrund

Seit Freitag sendet RTL "Ich bin ein Star, holt mich hier raus". Mit dabei: Rainer Langhans. Hier kommentieren zwei Gefährtinnen täglich die Sendung, solange er im Dschungelcamp dabei ist.

F reitag

Das ganze Camp skandierte: "Raaaaaaaaaiiiner". Aber Rainer ging eigene Wege - dem Zuschauer meist verborgene. Ich musste leider lachen. Auch über die Moderatoren. Nix lassen die aus. Fast bin ich geneigt zu sagen, ich liebe den Dirk Bach und glotze gern in sein freundlich-süffisantes Speckgesicht. Der Sängerin Indira verzeihe ich ihr gekochtes Huhn. Sie hat sich mehr als tapfer geschlagen, auch wenn es manchmal so aussieht, als ob das Sprechen unter Botox schwerfällt.

Wirklich überzeugen konnte auch Schauspieler Mathieu Carrière. Das war klasse und klassisch: ein Weltmann auf Abenteuerfahrt (19. Jahrhundert), der auch elegant mit der Unbill des Lebens in zivilisationsfernen Gefilden umgehen kann. Der mit den "Verhältnissen tanzt" (Kommune I), verspielt und konzentriert - auch irgendwie ein bisschen am Rande des Nervenzusammenbruchs. Es musste wohl sein: Die Tierchen wurden behutsam, aber auch wild entschlossen von Mathieu in den Mund genommen und durften anschließend weiterleben. Gerettet! Mein Schreck war weg. "Hinter Gittern"-Star Katy Karrenbauer hat meine Sympathie vorerst verloren, als sie "Jacob-Sister" Eva Jacob anranzte, sie solle gefälligst den Mund halten, während sie spricht.

JUTTA WINKELMANN

***

Samstag

Mir kommt heute die Welt irgendwie magisch vor. Weil mich am Samstag das Dschungelcamp für einen Moment über jede Realität erhob. Fantastisch! Aber erst mal sah ich fröhliches "Frühstücken" im Camp und einen auf seiner Liege meditierenden Rainer. Der ist tot, frotzelten die Moderatoren. Heute wird sein Tag, das ist klar. Alle wollen dann von dem (bisher) Schweiger was über die Kommune I wissen, damals, 1968. Wir waren Gott, sagt er. Nicht Drogen, Erleuchtung durch allgemeine Zärtlichkeit als neue Politik, so Rainer. Glaube, Liebe, Hoffnung titeln die Macher. Auch: Gegner. Aber diese Teilnehmer sind anders als in früheren Staffeln. Keine Opfer/Loser, selbstbewusster. Rainer nackt im Teich, lustige Kommentare. Bestes Entertainment. Das hier ist alles Kinderkram, sagt Rainer, das Schwierigste für ihn sei zu sterben. So ein Satz auf RTL?

Dann muss er ran, will nicht im Sarg tausende Kakerlaken quälen, weil sie geschubst und gequetscht werden. Grundsatzdiskussion, denn er hat für sich vertraglich Tierschonung vereinbart. Die Moderatorin Sonja Zietlow senkt, selbstgequält, den Blick. Erst Dschungelarzt Dr. Bob kann Rainer bewegen: Er steigt in den gläsernen Sarg, Deckel zu, Kakerlaken strömen auf seinen halbnackten Körper. Im Sarg groß die Kamera auf Rainers konzentriertes Gesicht, Augen geschlossen. Tausende krabbelnde Tiere, eins auf seiner Nasenspitze. Der Geruch ist streng, murmelt er. Elf Minuten (eine Minute für jeden) muss er aushalten. Der Schneewittchen-Sarg hängt jetzt an einem Seil, fährt hoch über einen Abgrund. Ein irres Bild: ein fast nackter Mensch im Himmel, sonnenbeschienen. Apokalypse now? The Mission?

Einer auf Facebook: "Rainer war so göttlich in dem erleuchteten Sarg. Zwei Minuten länger, und die Kakerlaken hätten sich in pures Gold verwandelt." Freude im Camp. Rainer schüttelt die Tierchen ab, taucht in den Teich. Zwei haben was abbekommen, bedauert er und meint die Kakerlaken. Er habe sich um sie kümmern müssen. Die Sendung wird immer besser.

CHRISTA RITTER

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8 Kommentare

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  • I
    ihateusomuchrightnow

    @ Jungle Sister Jay

     

    Was mich antreibt? Um es kurz zu fassen: Ärger!

     

    Da lese ich eine tageszeitung die permanent um spenden und zuwendungen ihrer leser bittet um sich zu finanzieren, und später wird dieses geld dann zwei "gefährtinnen" dieses völlig entrückten möchtegern gurus in den rachen geworfen. Das finde ich, als unterstützer kritischer medien, sehr traurig.

     

    Schön natürlich für ihren (?) "harem" das sich dort nun noch mehr geld sammelt (RTL, BLÖD, SPON und nun eben auch die kohle von der taz). Vielleicht kaufen sie sich ja einen neuen traumfänger oder eine schöne bergkristall lampe davon? Traurig hingegen für die vielen freien mitarbeiter der taz die mit der gleichen summe sicher einen text produziert hätten der zumindest dinge wie informationen, analysen oder kritik enthalten hätte. Ob mir diese dann geschmeckt hätten sei dahingestellt. Der obigen lobhudelei auf einen geltungsüchtigen alten mann der, dank seiner vergangenheit nun kakerlaken in einem glassarg zerquetschen darf, mangelt es daran jedenfalls aufs heftigste. Und das ist einfach ärgerlich, sehr.

  • S
    Seeräuber-Jens

    Nö, ne?

     

    Och nee! Das will doch keiner lesen! Und gar täglich nicht!

     

    Das Langhans-Interview noch, o.k., ein Mann demontiert sich selbst, aber jetzt das? taz kolummniert täglich übers Dschungelcamp? Mit Tussies, die selbst der BLÖD zu blöd sind (sonst täten die die ja drucken)?

  • MG
    Michael G. Symolka

    Solch eine Glorifizierung hat nichts mehr mit Persiflage und Humor zu tun - das ist purer Schwachsinn, grenzdebil - hier haben Leute einfach Wahrnehmungsstörungen. Es geht´s um keine Botschaft - hier geht es nur um Voyerismus, Niedertracht, Eifersucht, Schikane, um die niedrigen Instinkte....und Gottes Zeigefinger berührte die Kakerlaken und auch Rainer nicht...gülden wird hier mit der schlichten Farbe "braun" verwechselt...."wir waren Gott" - klar, weil wir versucht haben, uns selbst zu gestalten - ein kreativer Akt mit Irrungen und Wirrungen und vor allem Scheitern – Schöpfungsgeschichte, aber nix "göttliches" - Auschließlichkeit, Arroganz, die Kraft der Jugend - und letztendlich Linksfaschismus. - Und Angst vor dem Sterben hat so mamcher...in den Vorstädten, den Dörfern, auf dem Berg und in dem Tal, der Reiche und auch der Arme, man staune, da muss man nicht ins Dschungelcamp, um dies als feststehende Größe zu erkennen – „so ein Satz bei RTL..“. er wird Mediengeschichte machen, ein philososophisches Manifest auf Zeit werden, festgestampft in australischer Erde und nicht in Heimaterde - was wollen die werten Kolumnistinnen uns hier suggerieren - Rainer stellt die platte Medienwelt auf den Kopf, weil er in der Scheisse sitzt und „platte“ Plattitüden von sich gibt, sich wie ein Sack Valium geriert und die Verkörperung der Langeweile als meditative Nische der wuchtigen politischen Agitation nutzt, um Bewußtsein zu schaffen (immer bei der Arbeit der Gute, auch wenn er schläft, und das tut er meist!), in einer exemplarisschen Sendung über die Fehlkonstruktion der Evolution, den Menschen – die Krone der Schöpfung, das Schwein, der Mensch – wie der anfänglich Hitleraffine große Gottfried Benn in seiner Jugend so präzise verlauten ließ – und das auch noch lyrisch in Morgue!

     

    Ist das schon Altersstarrsinn - oder echte Verblödung. Die Instumentalisierung einer Schmuddelquotensendung für tanszendierte Botschaften - wär´s nicht fast ein bisschen traurig, lächerlich (ohne lustig zu sein), man müsste sich ausgiebig kugeln (rumkugeln - und das nicht in der Konditorei)!, ob solch weltnaiver Verzerrung von schwachsinnigen Tatsachen - kein Wunder, dass 68 mit seinen Anliegen breitflächig gescheitert ist, historisch - und als Zukunftsmodell, sofern der Gedanke je eine tragfähige Ideologie hatte - bei derartigen Protagonisten. Von der ekstatischen Spasskommune I in die lebensnahe Dschungelkommune 5 oder 6 - Karriere eines Aussenseiters und intellektuellen Autisten! Das Format ist übrigens eine Idee des Kriegstreibers und Populisten Murdock! Bach und Zietlow sind aber wirklich gar putzich boshaft (wie immer!) – das einzig unterhaltsame an der Quotenschmuddelekelunterhaltung, was die Kommunikation und den „Austausch“ angeht (der findet aber nur mit den Zuschauern statt, die hämisch einen Haufen von relativ eindimensional vulgären und einfältigen Zeitgenossen mit Miesen auf der Bank begutachten dürfen! Würdelos! Oder nennt man das wirklich „lebendiges dynamisches Altern“ im Falle des langen Hänschens, kurz vor der gefürchteten Agonie?“ Bäum dich auf ein letztes Mal und sei es nur um einer Kakerlake auf dieser Welt publikumswirksam das eventuell redundante Leben zu retten. Was gäbe ich um ein Puddingattentat auf die Moderatoren, aber woher nehmen…die Zutaten meine ich, nicht den oder die Gedanken, die imaginär „floaten“ , diese sind nicht die Stärke der Kombattanden? Heldenverehrung war ja immer schon eine pathetische Stärke der deutschen Volks-Seele – und man merkt, dass Rainer neben dem Innerlichen, der Ekstase auch der Berufsoffizier hier beim Überleben dienlich ist, hat noch niemand geschadet zu dienen. Ob er eigentlich ein Schweizer Offiziersmesser mit sich führt? Wohl eher nicht – was will er denn schneiden, australische Möhrchen kann man auch mit den dritten Nagezähnchen raspeln…

  • JS
    Jungle Sister Jay

    @ ihateusomuchrightnow

     

    Und nicht nur einen Klick verschwendet... sondern sogar noch ca. 400 x Buchstaben auf der Tastatur gedrückt... Beeindruckend, sehr. Was treibt Sie nur an?

  • H
    Hering

    Nö. Das ist ein verfrühter April-Scherz. Ihr wollt nicht im Ernst diesen Schwachsinn auch noch jeden Tag "kommentieren" lassen?.

  • I
    ihateusomuchrightnow

    warum habe ich nur meinen klick verschwendet? taz goes spon, aber mit schnellen schritten. kaum sitzt ein esoterisch verschwurbelter alt 68er im camp darf auch in der taz stattfinden was bisher (zum glück) nicht stattgefunden hat. wenn claudia roth in 10 jahrem ihrem ego im selben format luft machen muss gibt es bestimmt ne ganze sonntaz darüber. traurig.

  • A
    atypixx

    @ Heul-Sarah

     

    Die taz schreibt wenig darüber. Ich persönlich würde gern etwas mehr darüber lesen, auch hier. Auch wenn es natürlich nicht annähernd so wichtig ist wie die gefühlte 555. Auflage einer Steuersenkungsdiskussion :-) - und viel weniger unterhaltsam noch dazu.

  • H
    Heul-Sarah

    Liebe taz,

     

    SUPER, dass ihr über das Dschungelcamp berichtet.

    Denn was gibt es Schöneres, als bei Meedia lesen zu können, dass die Zahl der taz.de-Besucher schon wieder gestiegen ist?

    Da ist es genau der richtige Weg, ausführlich über Themen von allergrößter nationaler Relevanz zu berichten.

     

    Ach, ich freu mich so, dass die taz ENDLICH aufgewacht ist und ENDLICH über die wirklich wichtigen Dinge des Lebens berichtet.