piwik no script img

Kolumne LandmännerBauer suchte Mann und fand ihn

Ostelbischer Großgrundbesitz kann belastend sein, wenn man sich nicht damit auskennt.

Bild: taz

Martin Reichert, 34, ist der Liebe wegen Wochenend-Brandenburger. In Berlin wünscht er sich fast täglich an einen stillen See, in Brandenburg sieht er abends am Horizont die Lichter Berlins schimmern - und bekommt Sehnsucht.

Es gibt viele gute Gründe für schlaflose Nächte, aber dass nun ausgerechnet der braun-schwarze Thuja-Borkenkäfer (Phloeosinus aubei) einmal zu diesen gehören könnte - wer hätte das gedacht? Er besiedelt Zypressengewächse, Mammutbäume und den gemeinen Wacholder, wie das Brandenburger Landesamt für Landwirtschaft und Flurneuordnung mitteilte. Flurneuordnung ist das Stichwort: Mein Freund und ich sind jetzt ostelbische Großgrundbesitzer. Acht Hektar Land inmitten der Prignitz! Wenn wir möchten, können wir einfach einen Zettel hinterlassen, "Wir sind dann mal weg", und Wanderungen durch die Mark Brandenburg auf dem eigenen Grundstück machen.

Ich hatte dieses larmoyante "Besitz ist ja so belastend"-Geheule bislang immer für einen ärgerlichen Ausdruck von Wohlstandsverwahrlosung gehalten. Und jetzt liege ich nachts wach und habe Angst, dass die Borkenkäfer uns fertigmachen. Wenn man im Reihenhaus groß geworden ist, braucht man ja in der Regel keinen Feldstecher, um bis ans Ende des Grundstücks schauen zu können. Da muss man sich ja auch erst mal daran gewöhnen, an die neue Rolle.

Zum Eingrooven habe ich mir erst mal "Namen, die keiner mehr kennt" von Marion Gräfin Dönhoff gekauft. So als Ratgeberliteratur für Neujunker, aber die Lektüre hat mir auch nicht wirklich weitergeholfen: Soll ich mir jetzt eine Barbour-Jacke kaufen? Wild und Hund abonnieren? Brauchen wir jetzt einen Geländewagen?

Fragen über Fragen, nur mein Freund ist natürlich wieder die Ruhe selbst. Er sagt, dass dieses Stück Land ganz einfach ein Stück Sicherheit für unser Alter sei. "Ja was, sollen wir uns dann mit 67 zum Sterben auf die nackte Wiese legen oder wie?", fragte ich, bevor es losgehen sollte: zum ersten Besuch auf der Scholle. Auch auf der Hinfahrt war ich einfach nicht zu beruhigen und dachte darüber nach, ob wir zwei beiden nicht wenigstens eine Sternfahrt nach Brüssel machen sollten, um für eine Erhöhung der Stilllegungsprämien zu demonstrieren. Die LPG, die das Grundstück derzeit "nutzt", macht das ja schließlich genau so: Sie zahlt Pacht und macht dabei Gewinn, aber nicht etwa, indem sie dort etwas anbauen würde oder Viehzucht betriebe. "Wenn Landwirtschaft so geht, dann kann ich das auch", sagte ich, "ein paar Mails schreiben und Formulare ausfüllen, schon ist man EU-Bauer."

Also dann weniger Barbour-Jacke, sondern mehr so "Bauer sucht Frau"-Outfit? Mustang-Jeans mit Karohemd und Gummistiefel?

Als wir dann endlich vor dem Grundstück standen, musste ich feststellen, dass es genau zwischen einem Friedhof und einem Golfplatz gelegen ist. Einem Golfplatz in Brandenburg! Bauerland in Yuppie-Junkerhand? Wobei die Einputtenden mit ihren SUVs eher den Eindruck erweckten, als ob sie ihr Geld mit illegalen Pornoseiten und Investmentfonds machten anstatt mit Kartoffelschnaps.

Wir nahmen dann unser Land in Besitz, indem wir es gemeinsam abschritten. Ich war zwar immer noch nervös, weil ich Angst vor vagabundierenden Golfbällen hatte, aber man muss sagen: Ostelbischer Großgrundbesitzer sein ist ganz o.k. so weit. Auch die Sache mit dem Borkenkäfer stellte sich als undramatisch heraus: Kein Wacholder nirgends, und Mammutgewächse und Zypressenbäume findet man auch in Brandenburg eher in Reihenhaus-Vorgärten, nicht auf stillgelegten LPG-Flächen.

Wenn die Borkenkäfer sich weiterhin brav auf dem Nachbar-Friedhof verlustieren, haben wir auf unseren acht Hektar genug Platz für andere Viechereien: "Equus ferus caballus" und "Capra hircus hircus". Kennen Sie nicht? Pferd und Ziege. Wir Junker reden eben manchmal etwas geschwollen. Besitz verändert ja auch. Die Verantwortung, verstehen Sie?

In diesem Sinne: Es lebe das heilige Deutschland. Mein letztes Problem besteht jetzt nur noch darin, eine Steckdose für den Elektrorasenmäher zu finden. Die Mäherei bleibt ja sowieso wieder an mir hängen.

Ackerbürger bleibt eben doch Ackerbürger.

Fragen an die Junker? kolumne@taz.de Morgen: Philipp Maußhardt über KLATSCH

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!