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Kolumne KonservativOtto von Bismarck und Andrea Berg

Matthias Lohre
Kolumne
von Matthias Lohre

Was ist konservativ? Patriotismus, Christentum und Franz-Josef Strauß sind es jedenfalls nicht.

Kein Konservativer? Katholikenschreck Otto von Bismarck. Bild: Bild 146-1990-023-06A Bundesarchiv

J etzt übertreibt sie aber. „Was konservativ ist, lässt sich nicht in zwei, drei Sätzen definieren“, sagt die Freundin mit geweiteten Augen. Die Leute am Nebentisch gucken herüber. „Genauso gut könntest du mich fragen: Was ist Liebe?“ Also bitte.

„Zu sagen, was konservativ ist, kann doch nicht so kompliziert sein“, antworte ich ruhig. „Sogar Markus Söder behauptet, es zu wissen.“ Die Freundin, der ich gerade den Restaurantbesuch verderbe, ist Historikerin. Ich bitte sie um eine kluge Antwort, schließlich will ich meinem neuen Kolumnenthema gerecht werden. Stattdessen sagt sie: „Machen wir’s andersrum. Sag mir, was du für konservativ hältst. In zwei, drei Sätzen.“ Jetzt übertreibt sie aber.

„Also“, sage ich nach kurzer Pause, „Konservative betonen ihre Liebe zur Nation.“

„Falsch“, kontert die Freundin. „Die Verbreitung der sogenannten Vaterlandsliebe ist Folge der Französischen Revolution: Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit der Bürger in einem Staat, der diese Werte gewährleistet. Das Volk als Träger des gesellschaftlichen Willens. Die britischen ’conservatives‘ formierten sich Anfang des 19. Jahrhunderts zur Abwehr der neuen Gedanken vom Kontinent. Obwohl die Situation in den deutschen Staaten etwas anders …“

Keine Liebe

„Wie bitte?“, frage ich in den Wortstrom. Mit süffisantem Lächeln antwortet die Freundin: „Vaterland ungleich konservativ.“ Also, ihr Verhalten ist auf keinen Fall Liebe.

„Na gut. Aber diese ’Christliches Abendland‘-Nummer“, kontere ich nicht mehr ganz nüchtern, „von der spricht auch Söder. Das ist doch beinhart konservativ.“ – „Wer ist das größte Idol konservativer Deutscher?“, fragt die Freundin. Ich bin genervt: „Andrea Berg?“

„Bismarck. Und ebendieser Reichskanzler bekämpfte die katholische Kirche. Sogar auf Kosten von Ansprüchen der evangelischen Kirchen, und mit denen waren die Konservativen verbündet.“

„Aber Markus Söder sagt …“ – „Hör doch mal auf mit diesem Söder!“, ruft die Freundin. Die Tischnachbarn gucken wieder herüber. „Okay“, flüstere ich. „Nehmen wir das zweitgrößte Idol konservativer Deutscher.“ – „Andrea Berg?“ – „Franz Josef Strauß. Strauß soll gesagt haben, man müsse seine Grundsätze so hoch hängen, dass man bequem darunter hindurchlaufen kann. Demnach verändert niemand sein Weltbild schneller und geschmeidiger als der, der behauptet, ein festes Weltbild zu haben.“

Gutes bleibt

Einen Trost gibt es: Konservative und Liberale waren im 19. Jahrhundert nicht Regierungspartner, sondern erbitterte Gegner. Heute ist also nicht alles anders.

Ich zähle auf: „Bundesdeutsche Konservative wie Strauß propagierten den Respekt vor staatlichen Institutionen, bürgerlichen Anstand und Abscheu gegenüber Sozialisten. Gleichzeitig belog Strauß das Parlament, schmierte Saufkumpels und verschaffte den Staatssozialisten in der DDR einen lebensverlängernden Milliardenkredit.“ Die Freundin lehnt sich zurück in ihrem Stuhl, lächelt und fragt: „Wer sagt, dass das einander widerspricht?“

Ich bin verwirrt. Hätte ich stattdessen bloß Andrea Berg gefragt, was Liebe ist.

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Matthias Lohre
Schriftsteller & Buchautor
Schriftsteller, Buchautor & Journalist. Von 2005 bis 2014 war er Politik-Redakteur und Kolumnist der taz. Sein autobiographisches Sachbuch "Das Erbe der Kriegsenkel" wurde zum Bestseller. Auch der Nachfolger "Das Opfer ist der neue Held" behandelt die Folgen unverstandener Traumata. Lohres Romandebüt "Der kühnste Plan seit Menschengedenken" wurde von der Kritik gefeiert. Anfang 2025 veröffentlichte er seinen zweiten Roman "Teufels Bruder" über Heinrich und Thomas Mann in Italien.
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10 Kommentare

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  • 6G
    688 (Profil gelöscht)

    Konservativ - Die Büchse der Pandora

     

     

     

    In der Büchse: Die funktional-gepflegte Symptomatik der Dummheit im geistigen Stillstand seit der "Vertreibung aus dem Paradies"

     

     

     

    Der / die Konservative ist, der / die mit dieser Dummheit nur egozentrierte Ränkespiele betreiben will, also die normale / bewußtseinsbetäubte Beteiligung an der Überproduktion von systemrationalem Kommunikationsmüll.

  • Schöne Kolumne, dazu ergänzend anregende Kommentare über einen wie ich finde schillernden Begriff.

     

     

     

    Zudem denke ich, dass jeder Mensch auch mehr oder weniger konservative Seiten hat, ohne die könnte ja auch keine Veränderung Bestand haben.

  • A
    Acaloth

    Es wäre viel interessanter gewesen wenn man sich wirklich damit befasst hätte anstatt einen solchen Text zu schreiben der nichts erklärt, keine Ernsthaftigkeit mitbringt usw....

     

    Natürlich ist Vaterlandsliebe konservativ, wer sagt das erst die französische Revolution Vaterlandsliebe erzeugte kennt sich vor allem in der Geschichte Frankreichs aber auch Deutschlands nicht sonderlich aus.

     

    Eine klassische konservative Linie liesse sich am einfachsten mit "Ehre und Vaterland" erklären je nach Art, Ausprägung und Neigung zu ergänzen durch Dinge wie Freiheit, Gott oder einige andere.

     

     

     

    Und ob FJS konservativ war lässt sich eindeutig mit JA beantworten....sagt ja keiner das Konservativismus vor Dummheit, Arroganz und anderen menschlichen Fehlern schützt...

     

     

     

    Auf jeden Fall wird dieser Artikel der Komplexität des Themas, dem politischen Gegner und schliesslich der TAZ Leserschaft nicht gerecht, eine der wichtigsten politischen Strömungen der letzten Jahrhunderte kann man nicht in ein paar Zeilen und bei einem lockeren Cafe-Gespräch mit der Freundin behandeln.

  • M
    Montherlant

    Ist diese Auseinandersetzung mit dem Begriff "konservativ" wirklich ernst gemeint? Ist das tatsächlich der intellektuelle Anspruch des Autors so oberflächlich und nicht aneckend durch das seichte Gewässer zu schippern? Oder soll das ein Test sein, ob die Leserschaft der taz noch in der Lage ist redlich mit ihren Gegnern umzugehen? Dem Autor sei, um seiner Kolumne etwas mehr Tiefe zu verleihen, Schrenck-Notzings Lexikon des Konservatismus ans Herz gelegt. Anschließend sollte er sich die ebenfalls von Schrenck-Notzing herausgegebene Zeitschrift Criticon vornehmen. Da sollte es so einige tiefgründigeren Anregungen für seine Texte geben als Gespräche mit bildungsangehauchten Kollegen am Mittagstisch.

  • Die Bedeutung eines Wortes ist nicht immer identisch mit seiner Entstehungsgeschichte. Deshalb reicht es nicht, zu behaupten, "Konservativ" lasse sich ganz einfach erklären als "konservierend", also "erhaltend".

     

     

     

    Wie Bedeutung (= Verwendung) von Worten kann sich mit der Zeit ändern. Zum Beispiel kommt das Wort "Kommilitone" vom lateinischen "commilito", was so viel heißt wie „Waffenbruder" oder "Mitstreiter". Heute meint man damit Menschen, die mit einem gemeinsam studieren. Von der Wortherkunft her, könnte man eigentlich auch z.B. Kameraden bei der Bundeswehr als Kommilitonen bezeichnen. Wenn ich aber sage, jemand sei mein ehemaliger Kommilitone, dann werden Sie zurecht vermuten, dass ich mit dieser Person gemeinsam studiert habe, und eben nicht, dass ich mit dieser Person z.B. bei der Bundeswehr gedient habe.

     

     

     

    Der Fehler, nur von der Wortherkunft auf die Wortbedeutung zu schließen, ist ganz typisch; er hat auch eine Bezeichnung: "Etymologischer Fehlschluss".

     

     

     

    Begriffe ändern sich mit der Zeit. "Konservativ" kann heute etwas anderes bedeuten als im 19. Jahrhundert, und konnte in Deutschland auch womöglich etwas anderes bedeuten als in Frankreich. Deshalb kann Vaterlandsliebe durchaus heute gemeinhin als Konservativ verstanden werden, obwohl das am Ende des 18. Jahrhunderts anders war.

     

     

     

    Das alles heißt gar nicht, dass es keine sinnvolle Definition des Begriffs geben kann - es bestätigt nur die These der Historikerin, dass der Begriff "Konservativ" kompliziert ist und sich nicht (im Gegensatz zu vielen anderen Begriffen) einfach und locker definieren lässt.

    • J
      Jakob
      @Megestos:

      Wenn ein Wort seine Bedeutung ändert hat das häufig mit einer falschen Verwendung zu tun. Es ist da eine spannende Frage, inwiefern man Sprache sich in der Hinsicht ändern lassen oder Sprachpflege betreiben sollte.

       

      Aber im Fall von "konservativ" ist das nicht weiter von Belang, da sich hier die Bedeutung im Prinzip gehalten hat. "Konservative" wollen das bewahren, was sie kennen.

       

      Da sich die Welt trotz ihnen weiter entwickelt kennt jede Generation von Konservativen etwas anderes, das sie erhalten wollen.

  • Komischer Kommentar. Ja klar, "konservativ" ist ein superschwammiger Begriff (ähnlich wie "links") und natürlich haben sich die politischen Inhalte, die damit verbunden werden, in den letzten 200 Jahren mehrfach geändert. Dass Otto von Bismarck auf andere Weise "konservativ" war als bayerische Christsoziale hundert Jahre später, was für eine Erkenntnis! Dazu muss man wirklich Geschichte studieren, um solche Weisheiten von sich geben zu können.

     

    Es geht auch einfacher für den durchschnittlichen taz-Leser: die Konservativen, das sind einfach die Bösen.

  • J
    Jakob

    Der Begriff "konservativ" lässt sich sehr leicht in wenigen Sätzen erklären. Anstatt sich anzuschauen, was Leute gemacht haben, die sich konservativ schimpfen (oder geschimpft werden) sollte man das Wort selbst unter die Lupe nehmen.

     

    "Konservativ" bedeutet, dass man etwas "konservieren", also "erhalten" will. Wenn jemand ein "Konservativer" ist heißt das nichts anderes, als dass diese Person möchte, dass alles genau so ist und bleibt, wie er es aus seiner Kindheit kennt.

  • R
    ridicule

    Konservativ?

     

    Die Kolumne zeigt unfreiwillig wie's geht!

     

     

     

    Konservativ - ist, wenn man einen ehemaligen Revolutionär anbetet.

     

    Bestes zeitnahes Beispiel:

     

    Helmut Kohl - ging immer schwadronierend zum Hambacher Fest;

     

    wo sie ihn dunnemals in seiner reaktionären Attitude mit Sicherheit

     

    a la laterne verholfen hätten.

     

     

     

    Denn - reaktionär wirste/wirds dann durch weiteren Zeitablauf!

  • N
    Nachdenklich

    Na bitte. Was sich politisch "konservativ" schimpft, ist (fast) immer schon was ganz anderes gewesen - nur eben nicht konservativ (= "bewahrend") im Sinne von ethischen Grundsätzen, sozialer Gerchtigkeit, Naturschutz...