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Kolumne KonservativWir Spießer

Matthias Lohre
Kolumne
von Matthias Lohre

Neun von zehn Jugendlichen finden „Heimat“, „Sicherheit“ und „Ordnung“ gut. Wo haben sie das bloß her?

Sie können auch anders: Junge Menschen demonstrieren vorm Berliner Kanzleramt gegen Jugendarbeitslosigkeit in der EU. Bild: Reuters

D as Lebensmotto konservativer Deutscher lautet nicht: „Familie, Kirche, Nation“ oder „Mir san mir“. Es lautet: „Ob das mal gut geht.“ Lassen Sie mich das erklären.

Vor Kurzem veröffentlichte die Konrad-Adenauer-Stiftung eine Studie. Sie soll Antworten auf die Frage geben: Wie unterscheiden sich die politischen Einstellungen der Jugendlichen von denen der anderen Altersgruppen? Jugendliche, das sind der Studie zufolge 16- bis 29-Jährige.

Beide Gruppen assoziieren mit folgenden Begriffen ganz überwiegend etwas Positives: „Freiheit“, „Zusammenhalt“, „Respekt“, „Ordnung“, „Mitgefühl“, „Heimat“, „Sicherheit“, „Vertrauen“, „Stabilität“, „Sozial“ und „Leistung“. Kurzum: Gesamtbevölkerung und Jugendliche unterscheiden sich kaum in ihren Ansichten.

Die Augsburger Allgemeine titelte: „Echte Spießer? Studie: Jugendliche werden immer konservativer“. Die Welt am Sonntag höhnte: „Deutschlands Jugend ist schon ganz schön alt.“ Man ahnt, dass eine gehörige Begriffsverwirrung herrschen muss, wenn einen sogar die WamS als „alt“ bezeichnet. Geht man nach dem Presseecho, gehören die Begriffe „konservativ“, „alt“ und „spießig“ eng zusammen. Zum Glück bin ich nicht jung, sonst fühlte ich mich jetzt ziemlich alt.

Konservativ, spießig, alt

Paradoxerweise gelten Jugendliche also gerade dadurch, dass ihre Ansichten sich von denen der Gesamtbevölkerung nicht sonderlich unterscheiden, als besonders konservativ – und zugleich als spießig und alt. Dahinter vermute ich eine kognitive Dissonanz: Obwohl fast alle in vielerlei Hinsicht struktur- und/oder wertkonservativ denken, möchten die wenigsten als konservativ gelten. Einer der wenigen Begriffe, der bei den angeblich besonders konservativen Jungen eher schlecht wegkam, war übrigens „konservativ“.

Offizieller Titel der Studie: „Wo bitte geht’s zum Generationenkonflikt?“ Darin klingt die tiefe Prägung durch die 68er Generation an. Sie hat sehr erfolgreich definiert, was als jung und progressiv zu gelten hat. Bis heute gibt „68“ die Schablone ab für alle bundesdeutschen Konflikte zwischen Älteren und Jüngeren. Jene Erzählung, der zufolge die Jungen einst ihre verschwiegenen, verstockten Eltern mit der Nazizeit konfrontierten und von morgens bis abends Denkverbote, gesellschaftliche Tabus und Mauern in den Köpfen einrissen.

Heute beziehen die einstigen Kämpfer wider das „Schweinesystem“ staatliche Renten und Pensionen in Höhen, die ihre Kinder nie erlangen werden.

Auf ihrem Weg sind deutsche Linke deutschen Konservativen immer ähnlicher geworden. Beide blicken sentimental in die Vergangenheit und verunsichert in die Zukunft. Wer Jungen eine Art Frühvergreisung vorhält, projiziert auf sie das eigene, diffuse Unwohlsein: Irgendjemand sollte mal was tun angesichts von Eurokrise, NSA-Abhörskandal und Klimawandel – auch wenn sowieso alles schlimmer wird. Die Jungen beispielsweise. Sie sollten sich gemeinnützig engagieren – ohne ihr durchgetaktetes Studium zu vernachlässigen. Sie sollen Rabatz machen – aber bitte ab 22 Uhr bei Zimmerlautstärke. Ob das mal gut geht.

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Matthias Lohre
Schriftsteller & Buchautor
Schriftsteller, Buchautor & Journalist. Von 2005 bis 2014 war er Politik-Redakteur und Kolumnist der taz. Sein autobiographisches Sachbuch "Das Erbe der Kriegsenkel" wurde zum Bestseller. Auch der Nachfolger "Das Opfer ist der neue Held" behandelt die Folgen unverstandener Traumata. Lohres Romandebüt "Der kühnste Plan seit Menschengedenken" wird von der Kritik gefeiert.
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8 Kommentare

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  • 6G
    688 (Profil gelöscht)

    "Freiheit", "Zusammenhalt", "Respekt", "Ordnung", "Mitgefühl", "Heimat", "Sicherheit", "Vertrauen", "Stabilität", "Sozial" und "Leistung", "Demokratie", "Menschenwürde", usw.,

     

     

     

    Diese Welt- und "Werteordnung" im "Recht des Stärkeren" und geistigem Stillstand, herrlich konfus und multischizophren, eben NICHT EINDEUTIG. Du kannst deine "Chance" nutzen, in dem du vor dem System KONSERVATIV kapitulierst und dich zu funktionaler Suppenkaspermentalität auf systemrationaler Sündenbocksuche bilden läßt (von Staat & Kirchen), um an der Überproduktion von BEWUßTSEINSSCHWACHEM Kommunikationsmüll bewußtseinsbetäubend beteiligt zu sein, oder ...!?

     

     

     

    "Heute beziehen die einstigen Kämpfer wider das „Schweinesystem“ staatliche Renten und Pensionen in Höhen, die ihre Kinder nie erlangen werden."

     

     

     

    Und du, wo ist der Sinn, der alternative Text, der Verstand von Vernunftbegabung in wirklicher Wahrhaftigkeit, den man überordnen könnte???

  • „Freiheit“, „Zusammenhalt“, „Respekt“, „Ordnung“, „Mitgefühl“, „Heimat“, „Sicherheit“, „Vertrauen“, „Stabilität“, „Sozial“ und „Leistung“ - das mögen konservative Werte sein, aber die hierzulande sogenannten Konservativen vertreten sie ja doch nicht. Einige davon tragen sie als Standarten demonstrativ vor sich her. Kein Wunder, dass niemand sich "konservativ" nennen will.

    • S
      Sabine
      @Anton Gorodezky:

      Niemand? Doch - ich. Ich bin gerne konservativ, "bewahrend". Obwohl es nicht immer leicht ist, sich damit zu outen, denn konservativ wird leider meistens mit "rechtslastig" gleichgesetzt. Ich freue mich, dass die geannten Begriffe, die dem konservativen Menschen wichtig sind, wieder im Trend liegen. I bin i, und mia san mia!

      • @Sabine:

        Ich verlinke mal den Text einer Rede, in der (meiner Meinung nach) sehr schön herausgearbeitet wurde, dass sich Wertkonservative und Linke durchaus vertragen können: nachdenkseiten.de/?p=13253

         

         

         

        Möglicherweise ist ihnen das auch eine Hilfe dabei, falls sie mal wieder einer belehren will, dass Konservative zwangsläufig rechts sein müssen.

        • S
          Sabine
          @Anton Gorodezky:

          Vielen Dank; das ist eine interessante Seite.

           

          Den satirischen Wochenrückblick kannte ich schon ;-)

  • M
    Marcel

    Ja wo haben sie das bloß her, titelt der Artikel. Schade, dass er keine Antwort bietet. Wir gehen mal oberflächlich davon aus, dass es die Sozialisation war..

     

    Wieso, gerade vor der Wahl, fehlt hier Tiefe? Aus dem Thema hätte man so viel mehr machen können.

     

     

     

    Aus der Studie:

     

    "Allerdings zeigen Untersuchungen, dass Jugendliche ein geringeres

     

    politisches Interesse aufweisen als ältere Menschen.

     

    Zudem belegt die Shell Jugendstudie, dass zwei Drittel der Jugendlichen sich nicht aktiv über Politik informieren.

     

    Das geringe Interesse an und Wissen über Politik könnte natürlich auch ein Grund für die geringere Politikverdrossenheit sein.

     

    Verdrossen, verärgert oder enttäuscht kann schließlich

     

    nur sein, wer sich auch dafür interessiert und damit auseinandersetzt.

     

    Wo jedoch Desinteresse und Unwissen überwiegen, kann auch

     

    kein Ärger entstehen."

     

     

     

    Leider fehlt der Studie ein qualitativer Tiefgang. Will er das?

     

    Mit dem Hintergrund, dass es sich um eine CDU nahe Stiftung handelt, verdeutlichen die Schlussbemerkungen, dass es sich nicht um eine Werteanalyse handelt, sondern - und ja das können Sie als polemisch deuten - um eine Wähleranalyse.

     

     

     

    Ach ja TAZ Artikel eignen sich für Rabatz sehr gut, da diese meist unter Zimmerlautstärke zu lesen sind, leider fehlt auch hier selbiger.

  • F
    Fuffziger

    "Neun von zehn Jugendlichen finden „Heimat“, „Sicherheit“ und „Ordnung“ gut. Wo haben sie das bloß her?"

     

     

     

    Herr Lohre, diese Jugendlichen wurden NICHT mit schlaffen, zugekifften Lenden von den 68er-Versagern wie Sie im Rausch gezeugt!

     

     

     

    Diese Tugenden finden diese Jugendlichen schon in uralten Schriften: Bibel, Koran, etc...

     

     

     

    Diese (maskulinen) Jugendlichen rasieren sich, bevor sie ein Paßfoto ins Netz stellen!!!

     

     

     

    Und was zum Teufel soll daran spießig sein?!

  • P
    Panzerkreuzer

    Willkommen im Zeitalter der neoliberalen Werte - eines muss man den Friedman's, Hayek's & Co schon mal lassen - im Moment verdrehen sie halt jedwedes Gehirn.