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Kolumne KonservativStalin, Mao und ein Ideal

Matthias Lohre
Kolumne
von Matthias Lohre

„Was ist konservativ?“, fragt die Publizistin Bettina Röhl. Und liefert eine Antwort, die zumindest sie logisch findet: Idealbilder, die nicht utopisch sind.

Auf diesem Foto sind mehrere extrem unsympathische Menschen versteckt. Bild: reuters

V ergessen Sie, was Sie über Konservatismus zu wissen glaubten. Die Publizistin Bettina Röhl liefert eine neue Definition. Dabei rückt sie einiges gerade. Auch Dinge, von denen ich nicht wusste, dass sie schief hingen.

„Was ist konservativ?“, fragt Röhl in ihrer Kolumne auf der Internetseite der Wirtschaftswoche. Die Tochter Ulrike Meinhofs versteht sich als Konservative. Was antwortet jemand, der beide Seiten des alten ideologischen Grabens kennt?

„Konservativismus ist also im Prinzip eine systematisch vorgehende, eine im historischen Kontext denkende Herangehensweise. Und zwar eine Herangehensweise an die Menschen, die Gesellschaft und die Welt. Konservativismus ist demnach eine wissenschaftliche Methodik mit Herz und Verstand.“ Und ich dachte, das nähmen die Traditionsgegner des Konservativen in Anspruch: Sozialismus und Kommunismus.

Da lag ich falsch. Denn Röhl fährt fort: „Vergessen Sie unbedingt den fanatischen und grenzenlos ideologischen, sich irreführend wissenschaftlich nennenden Sozialismus! Sozialismus ist Fiktion, ein Ersatz für irgendeine furchtbare, aber für edel und hehr erklärte Scheinrealität, Utopie genannt.“ Eine Utopie, dachte ich, ist ein gesellschaftliches Idealbild. Konservative aber misstrauen Idealbildern. Aber auch da lag ich falsch.

Bessermachen ist das neue Konservativ

Denn „Konservativismus ist ein Ideal“, schreibt Röhl. „Dieses Ideal verpflichtet dazu, permanent in inspirierter, empathischer, kreativer, und […] informierter Weise darüber nachzudenken, was kann man, was kann ich, besser machen. Im Bessermachen (wollen) liegt bereits der Kern des Konservativismus.“ Und ich glaubte, die Bewahrung des Bestehenden sei konservativ.

Über Röhl schrieb Spiegel Online einst: „Wegen ihrer Kindheit unter der RAF-Frau Meinhof hasst sie alles, was links ist, fühlt sich von Kommunisten umzingelt.“ Falsch. Denn Röhl schreibt: „Konservativ sein ist eine menschliche Eigenschaft, eine humanistische Haltung, die das Leben licht, warm, froh und nachhaltig werden lässt.“

Weil ihr Leben voller Licht, Wärme und Nachhaltigkeit ist, ist Röhl bereit zum Dialog: „Konservative lehnen Ideologien nicht einfach ab, sondern setzen sich mit ihnen kritisch auseinander und führen sie aus einer überlegenen Position heraus ad absurdum.“ Genau: Sie gehen unvoreingenommen auf Leute zu, von denen sie von vornherein wissen, dass sie Unrecht haben.

Diese Unvoreingenommenheit fehlt Linken: „Das heutige furchtbare ’Gesellschaftsspiel‘, dass die geistigen Enkel und Urenkel Mao Tse Tungs und Stalins im linken Mainstream mit dem Begriff ’Rechts‘ alles nicht Linke als braun mindestens bemakelt attackieren, ist ein permanenter unmoralischer Angriff auf diese Gesellschaft als Ganze.“ Genau: Rufmörderische Verbindungen zu ziehen zwischen massenmörderischen Diktatoren und heutigen Personen, ist schändlich. Wann merken Maoisten und Stalinisten das endlich?

Röhl ist da anders. Dem Konservativen „geht es um das Argument. Er ficht mit dem Instrumentarium der Logik.“ Und manchmal unterliegt in dem Duell die Logik.

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Matthias Lohre
Schriftsteller & Buchautor
Schriftsteller, Buchautor & Journalist. Von 2005 bis 2014 war er Politik-Redakteur und Kolumnist der taz. Sein autobiographisches Sachbuch "Das Erbe der Kriegsenkel" wurde zum Bestseller. Auch der Nachfolger "Das Opfer ist der neue Held" behandelt die Folgen unverstandener Traumata. Lohres Romandebüt "Der kühnste Plan seit Menschengedenken" wurde von der Kritik gefeiert. Anfang 2025 veröffentlichte er seinen zweiten Roman "Teufels Bruder" über Heinrich und Thomas Mann in Italien.
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7 Kommentare

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  • D
    D.J.

    @Andreas Müller,

     

    na, da haben wir sie ja alle zusammen, die Hassfiguren der Linken: Röhl, Fleischhauer, Röhl. Aber kleiner Tipp: Broder ist gewiss nicht konservativ, sondern liberal, meinetwegen heutzutage auch rechtsliberal. Oder woran machen Sie dessen vermeintlichen Konservatismus fest?

  • L
    Lowandorder

    Och Nöhl - erst Rainer, nu Bettina

     

    " Konservativismus…ist eine humanistische Haltung…"

     

    Nach humanistischer Penne

    sach ich mit

    Wolfgang

    ik setz mir mal bei Richie

    Neuss

    "…bin ich viel zu viel Määänsch

    um Humanist sein zu können!"

  • J
    Jay

    Ich musste mich wortwörtlich schlapplachen beim Lesen. Vielen Dank für diese Kolumne, Herr Lohre: Sarkasmus in Hochkultur.

  • Das Gesülze von Frau Röhl ist eine Mischung aus larmoyantem Verfolgungswahn, der auch ihren Bruder im Geiste, den S.P.O.N.-Kolumnisten Jan Fleischhauer heimsucht, und aggressivem Halali, mit dem Frau Röhl zum Angriff auf die verhassten Linken bläst. Wer links ist, das entscheidet die Dame ex cathedra, schließlich hat sie keinen anderen Rechtfertigungsgrund ihrer Expertise als die Tochter einer Mutter zu sein, die glaubte mit der RAF den bewaffneten Kampf für die Befreiung-, ja wovon eigentlich: am Ende setzte sich wohl die primitiv-begriffslose Weltsicht des Andreas Baader gegen Ulrike Meinhofs schwindende analytische Kraft zum politisch-begrifflichen Verständnis der Zeit durch, was tragische Konsequenzen.

     

    Aufgrund dieses tragischen familialen Hintergrundes der Zwillingsschwestern Röhl erkärt sich so einiges. Eine Erklärung ist aber keine Rechtfertigung: einen Fehler kann man erklären, aber selbstverständlich nie und nimmer rechtfertigen. Frau Röhl hat zur aktuellen politischen Debatte ebensowenig wie ein Jan Fleischhauer zu sagen. Beide aber verstehen es recht clever, sich im Biotop des Konservatismus eine kommode Heimstatt einzurichten. Das ist schlicht lächerlich und unterhalb aller Kritik.

     

    Ein konservativer Hardliner wie der miserable Historiker Michael Stürmer erklärte vor einiger Zeit in einem Beitrag zum 'Politischen Feuilleton' von Deutschlandradio Kultur, das Credo der Konservativen laute: Noch ist nicht aller Tage Abend! Die darin enthaltene Drohung mit einer gewaltsamen Reform der politischen Zustände im Lande sollte man ernstnehmen. Auf das Gesülze der Röhls, Fleischhauers, Broders und ähnlicher Schwundstufen konservativer Ideologie braucht hingegen des weiteren keinen Gedanken zu verschwenden. Sie agitiert unterhalb aller Kritik.

    Andreas Müller

    • B
      Brecht
      @Andreas Müller:

      Haha, Herr Müller, Sie sind mir ein kleiner Witzbold. Lesen Sie mal die Originaltexte der 68er, da können Sie lernen, was Verfolgungswahn ist, wie ein angeblich übermächtiges Nazisystem alles, was irgendwie auch nur im Ansatz liberal ist, verfolgt. Dagegen sind die Texte von Frau Röhl analytisch neutrale Lichtblicke ;)

       

      Uuuii, und Herr Stürmer (wer bestimmt, daß der Mann ein Hardliner ist, bzw. daß er ein miserabler Historiker ist) droht implizit mit dem Umsturz? Hoho, ich verweise wieder nur einmal auf die Texte der 68er, wenn das keine Drohungen gegenüber der bestehenden Gesellschaft waren, dann weiß ich auch nicht.

       

      Mit Ihrer Antwort geben sie also implizit zu, daß es nur um die Sicherung der eigenen Fleichtöpfe geht.

  • M
    MattF

    Man kann ja mal nach dem Artikel suchen in dem Frau Röhl Joschka Fischer damals angegriffen hat, schon damals wurde klar, dass Logik und Frau Röhl keine Freunde werden.

  • J
    jojodat

    Sehr schöner Artikel, handwerklich wie nhaltlich.