Kolumne Kapitalozän: Schaut auf die Hunde!
Unternehmen wir eine Zeitreise – nicht nur in die Zukunft der SPD, sondern in die gesamtdeutsche, ach was: in die globale und liberale!
D er Hund ist nur glücklich, wenn er etwas zu tun hat. Er ähnelt dabei dem Menschen, allerdings nur bedingt. Was die große Chance der SPD ist.
Wenn wir etwa im Wald spazieren gehen, dann trabt der Hund selbstbewusst neben dem Kinderwagen und denkt, er sei ein starker Wachhund. Dabei hat er Angst vor Plastiktüten und ist so klein, dass er nicht einmal glaubhaft Rechtspopulisten verbellen kann. Er lebt, kurzum, in einer Illusion.
Sonntag haben wir mit Friedrich August, dem Geist des Kapitalismus, „Anne Will“ geschaut. Der nur 30 Zentimeter große Wicht ist seit den zehn Prozent für die FDP siegestrunken. „Süß, was die da debattieren“, sagte ich. „Wir haben globale Probleme. Klima, Armut, Steuerflucht. Finanzkrisen zerstören die Sozialstaaten, und Spekulanten lassen die Massen verarmen. In dreißig Jahren sind die meisten Jobs, die wir heute kennen, weg. Und die quatschen über den ostdeutschen Mann.“
Friedrich August rümpfte die Nase: „Du denkst im Kern totalitär. Wer die ökonomische Freiheit verteufelt, der verteufelt die Freiheit an sich!“, wienerte er. „Freiheit ist auch die Freiheit des Geringverdieners“, sagte ich. „Freiheit ist die Freiheit des Geringverdieners, sich einen besseren Job zu suchen“, sagte Friedrich August. „Egoist“, sagte ich. „Ist fürn Liberalen ein Kompliment“, sagte er. Und so ging das. Seit Tagen.
Das Kapitalozän ist die linksökologische Erweiterung des Anthropozäns. Demnach ist es nicht der Mensch an sich, der Ánthropos, der den Planeten geologisch verändert. Nein, es sind die Kapitalisten. Schließlich können, global gesehen, die meisten Menschen nichts für die Naturzerstückelung.
Zischbrtzlwosch, 2047
Also unternahmen wir eine Zeitreise, was seit der Wahl nur mit rechts drehenden Wurmlöchern geht. Wir pürieren die Parteiprogramme (FDP: USB-Stick mit Digitalversion) und einen Weltkriegsorden von Großonkel Heinz, nuschelten DAS MANTRA („2017 ist eine Zäsur in der deutschen Geschichte“) und leckten an einer Steckdose. Zischbrtzlwosch, 2047.
Leider ist die Kolumne zu kurz, um all die Wunder zu erzählen, die wir sahen. Das Wichtigste in Kürze: Superschnelle Algorithmen haben die Finanzmärkte komplett übernommen. Es kommt alle 23,536 Sekunden zu einer Weltfinanzkrise. Superschnelle Regierungen beteuern dann alle 24 Sekunden, dass so etwas nie wieder passieren werde. Und Achtung, Spoiler!: In Staffel 34 von „Game of Thrones“ lebt Khaleesi noch.
Außerdem regiert im Jahr 2047 seit 26 Jahren Bundeskanzlerin Schwesig (SPD). Hat voll geklappt mit der Opposition bis 2021. Der Trick war, die SPD hat sich von einer Arbeiterpartei in eine Nichtarbeiterpartei umdefiniert. Statt immer weniger Arbeit auf immer mehr Leute aufteilen zu wollen, hat die SPD ein System entwickelt, das Nichtarbeit fair verteilt.
SPD? Diese linken Populisten!
Großen Erfolg zeitigte die Kampagne für ein Grundeinkommen zur Wahl 2021, bei gleichzeitig kostenloser SPD-Mitgliedschaft für Leih- und Zeitarbeiter. Die Gegenfinanzierung mit Vermögen- und Finanztransaktionsteuer brachte der SPD den Ruf einer populistischen Protestpartei ein. Alle redeten nur noch über linken Populismus. Selbst Alexander Gaulands Move, 2022 den Reichstag anzuzünden und Andrea Nahles zu beschuldigen, brachte keine Wende zugunsten der AfD.
Neues Leitbild der Nichtleistungsgesellschaft ist der Hund: Den stellt völlig zufrieden, wenn er ein klein wenig fürs Rudel tut, und sei’s eine Illusion. Und wenn der Hund gerade nicht gebraucht wird, dann greint er nicht, dass die Migranten ihm den Napf leer fressen. Sondern schläft.
Minderheitenvotum von Friedrich August: „Der Typ hat einen Stromschlag und red an Schas daher. Leistung muss sich lohnen!“
Halt die Fresse, du Quälgeist!
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Umfrage zu Sicherheitsgefühl
Das Problem mit den Gefühlen
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
Der alte neue Präsident der USA
Trump, der Drachentöter
„Freiheit“ von Angela Merkel
Die Macht hatte ihren Preis
Ärzteschaft in Deutschland
Die Götter in Weiß und ihre Lobby