Kolumne Habseligkeiten: Alle Jahre wieder
Wie schwer es ist, saisonale Dekoartikel aus der Wohnung zu schaffen.
D en Weihnachtsbaum kann ich leider nicht entsorgen", klagt meine Nachbarin. Sie habe noch die ganze Bude voller Festtagsschmuck stehen und keine Chance, den loszuwerden. Nicht, weil sie faul wäre oder depressiv und dadurch antriebslos. Nein, sie wirkt sogar recht fröhlich, und das trotz ihrer misslichen Lage.
Meine Nachbarin nämlich hat sich beim nachweihnachtlichen Skifahren verschiedene Finger an beiden inzwischen bandagierten Händen gebrochen und damit die beste Ausrede, allen Krempel, den man in der Adventszeit in die Wohnung stellt, einfach sechs bis acht Wochen länger rumdümpeln zu lassen.
Neidisch bin ich auf diese Schonzeit, denn ich tue mich nur mit einem schwerer als der Anschaffung von Saisonartikeln, und das ist die Entsorgung von Saisonartikeln. Ein oder zwei überleben immer. Mein lethargisches Wesen muss schuld sein, denn sollte ich, sagen wir mal am dritten Dezember, sechs Christbaumkugeln im Flur aufhängen, müsste ich bereits am vierten anfangen, mir einzureden, dass sie sofort wieder verschwinden müssen.
NATALIE TENBERG ist taz-Autorin und schreibt regelmäßig für die Kolumne.
Den Adventskranz aus Tannenzweigen hätte ich am besten gleich nach dem Kauf, noch bevor ich ihn überhaupt hochgetragen habe, in den Container werfen sollen, damit er mir nicht monatelang zur Last fällt. Die Leine mit den 24 bunt bemalten Wäscheklammern, an denen kleine Papiertüten hingen, die das Kind glücklich an Heilig Abend heranführten, könnte ich in zwei Handgriffen abnehmen. Habe ich aber noch nicht. Der Pappstern, der Festtagsstimmung verbreiten sollte, baumelt seit einem Jahr am Türrahmen zwischen Wohn- und Esszimmer.
Ich weiß, dass die Frist für all diese Dinge am sechsten Januar ablief, aber ich bin einfach eine Niete im de-dekorieren. Leider beschränkt sich diese Unfähigkeit, Dinge zur rechten Zeit wegzuräumen, nicht auf Weihnachtsschmuck. Koffer werden nach einem Urlaub nicht ausgepackt, sondern Stück für Stück zerrupft. Seit über drei Monaten schwebt ein roter Luftballon mit einer aufgedruckten "4" über den Flur, und die Vase, in der der Osterstrauch stand, steht bei den Stiefeln vor der Wohnungstür.
Wirklich Sorge bereiten mir die WM-Reste. Im Badezimmer liegt eine dieser kleinen Deutschlandfahnen aus Papier im Regal. Ich dachte, die hohe Raumfeuchtigkeit würde das kleine Rechteck schon von selbst erledigen, aber das stimmt nicht. Ab und an landet die Fahne sogar in den Händen eines nackten Kindes, das anstatt wie befohlen in die Wanne zu steigen, "Deutschland vor, noch ein Tor", grölt. "Die Fahne muss weg", nehme ich mir dann ganz fest vor, damit aus unseren Kindern keine Hooligans werden.
Das Übrigbleibsel, das aber alle anderen toppt, ist ein Mistelzweig, der zwischen Flur und Esszimmer hängt. Den hatten unsere Vormieter hinterlassen, als sie im August 2005 auszogen. "Nette Leute", sagt meine Nachbarin. "Aber sie wohnten nur kurz hier, der Zweig stammt noch von den Vormietern." Da ist sie sicher. Ich reiche ihr eine Bionade, in die ich einen orangenen Strohhalm gesteckt habe. "Hübsch", sagt sie und ich ihr nicht, dass er noch von Karneval 2000 übrig blieb.
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