Kolumne Habseligkeiten: Junge Mutter ohne Stil
Ich dachte immer, ich würde auf dem Sperrmüll von Duisburg leben. Irrtum! Es geht noch schlimmer.
S chau mal einer an", dachte ich. Meine Freunde hatten mich zu Tine und Björn geschickt, offiziell zur Besichtigung des gemeinsamen Kindes, bei der ich alles erdenklich Gute wünschen und das gemeinsame Geburtsgeschenk überreichen durfte. Doch vor allem sollte ich Nachricht bringen, wie sie sei, diese Tine. So saß ich an einem Montag auf einem Sofa und starrte auf die TV-Bank Oppli. In Birke-Furnier. Oder Birkenachbildung-Furnier. Unglaublich hässlich.
Der Säugling schaute niedlich aus, aber die Wohnung wirkte trist wie nie. Das Biedermeiertischchen im Flur war weg, dafür stand dort eine große Metallkiste, auf die achtlos meine Jacke geworfen wurde. Anstelle der liebevollen Installation kleiner Rahmen klebte ein riesiges "Kill Bill"-Poster an der Wand. In einer großen Schale lagen getrocknete Blumen und im Wohnzimmer, unter dem Fernseher, fand ich eben Oppli. Ich kenne mich gut aus mit dem Anblick dieser furchtbaren TV-Bank. Bei uns steht leider die gleiche, wir leben sowieso in einem Ikea-Scherbenhaufen.
Aber Oppli bei Björn? Bisher kannten wir Björn nur mit Julia. Sieben Jahre lang luden sie uns zum Essen zu sich ein, brachten, wenn sie zu uns kamen, geschmackvolle kleine Geschenke für die Kinder mit, urlaubten an den richtigen Flecken Mallorcas und wurden gemeinsam mittelalt. Um sie herum wurde geheiratet und fortgepflanzt, Julia und Björn aber taten weder das eine noch das andere. Stattdessen lebten sie in einer Wohnung, um die sie alle beneideten. Nicht wegen der Größe oder der Lage, sondern weil sie sich von Besuch zu Besuch änderte, hier ein Spiegel vom Flohmarkt aufgehängt -, dort ein kleines Foto neben die Wagenfeld-Leuchte gestellt wurde und alles lässig und elegant wirkte. Nach einem Abend bei Julia und Björn kehrte ich meistens zerknirscht nach Hause zurück, weil ich mich fühlte, als wohnte ich mit meiner Familie auf dem Sperrmüll von Duisburg-Rheinhausen.
NATALIE TENBERG ist taz-Autorin und schreibt regelmäßig diese Kolumne.
Dann wurde Björn vor kurzem von einem anderen Unternehmen abgeworben. Schneller als man "Headhunter" sagen könnte, hatte er seine neue Kollegin Tine geschwängert. Julia zog aus mit allem, was ihr gehörte, die andere ein. So läuft nun Tine mit Baby durch die Wohnung, um die wir Julia und Björn immer beneidet hatten, weil wir annahmen, sie sei das Werk zweier Menschen. Doch als ich mich umschaute, merkte ich, dass Björns Idee vom Einrichten höchstens sein könnte, irgendwo einen Ficus hinzustellen. "Es sieht hier", meint Björn in der nächsten Stillpause, zu der sich Tine zurückgezogen hat, "ein wenig anders aus als zu Julias Zeiten." Ob es ihn störe, wollte ich wissen. "Ein wenig", antwortete er. "In Bezug auf Sachen war Julia einfach super." Tine hingegen, fand er, sei zwar nicht besonders stilsicher, dafür warmherzig und zugänglich.
"Und?", fragte Julias Vorhut, ihre beste Freundin, als ich wieder zu Hause war. "Wie war es bei Björn?" Es habe, antwortete ich, in der Wohnung einige Veränderungen gegeben. "Björn hat jetzt nicht nur ein Baby, sondern auch die TV-Bank Oppli." "Super", antwortet sie. "Das wird Julia trösten."
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