Kolumne Generation Camper: Zeitgeist und Unterwäsche
Schluss mit den Stinkeklamotten! Statt stylischen, synthetischen Funktionsklamotten liegt die gute, alte Merino-Wolle im Trend.
W ill ich das wirklich? Will ich zurück zur Wolle? Zur kratzigen Unterwäsche meiner Kindheit? Nach so vielen Jahren Hightech? Immerhin war es toll zu erleben, wie locker eine neue Outdoorbewegung das verstaubte Loden-Karo-Biedermann-Image der alten Wandervögel hinter sich ließ. Nämlich in stylischen, synthetischen Funktionsklamotten.
Aber jetzt führt mir Wanderfreundin C. ihr neuestes Shirt vor: Wolle pur. Es ist super weich, warm und chic. Und damit nicht genug. Auf dem Computer soll ich mir ansehen, wohin uns der eingenähte „Baacode“ führt. Ans andere Ende der Welt nämlich. „Trace this natural, sustainable Icebreaker right back to the farm in New Zealand“ fordert uns Icebreaker’s Website auf. Und dann haben wir sie vor uns, die freundlichen Schafszüchterfamilien, inmitten einer großartigen Natur. Ihre Farmen nennen sich Mount Nicholas Station oder Walter Peak Station. Eine Szenerie, in der sich nicht nur Wolle, sondern das ganze Leben vollkommen richtig anfühlt.
Von hier aus hat der neuseeländische Anthropologe Jeremy Moon den neuen und weltweiten Merinoboom im Outdoorbereich losgetreten. Wie es heißt, aus Überzeugung. Es mache, so Moon, keinen Sinn, sich draußen zu bewegen, um der Natur nahezukommen – und dabei Plastik zu tragen.
20 Jahre hat es gedauert. Inzwischen grasen bis zu 400.000 Merinoschafe allein für seine Firma Icebreaker. Eine Existenzgrundlage für rund 190 Schafszüchter. Die, so versichert man uns, „nachhaltig“ wirtschaften und ohne das verpönte „Mulesing“ auskommen.
„Endlich ist Schluss mit der ewigen Wascherei“, sagt C. Und ich weiß genau, was sie meint. Synthetikschweiß ist nämlich Ekelschweiß. Wollschweiß riecht anders. Fast erotisch. Auf dem Bildschirm zeigt sich der imponierende Icebreaker-Widder mit den gewundenen Hörnern. Ein großartiges Tier. Dick verpackt ins eigene Fall. Besser: richtig gut eingekuschelt. Ich denke an den kommenden Winter. Wo bitte geht es hier zum Shop? Wärme muss sein!
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert