piwik no script img

Kolumne Geht's noch?Enthemmt gegen den „Drachenlord“

800 junge Männer versammeln sich vor dem Wohnhaus eines unbeliebten Youtubers. Das ist eine alles andere als harmlose Mobbing-Aktion.

Alle gegen einen – wie bescheuert! Foto: Tom

R ainer Winkler, auf Youtube als „Drachenlord“ bekannt, ist ein unsympathischer Zeitgenosse. Auf der Videoplattform spricht er nicht nur stundenlang über Musik und Politik, sondern pöbelt dabei herum und beleidigt regelmäßig Frauen und Minderheiten. Seine 75.000 Abonnenten sind zu großen Teilen sogenannte Hater. Und er selbst ist wohl einer der meistgehassten Youtuber Deutschlands.

Seitdem er in einem Video seine Wohnadresse genannt hat – verbunden mit einem Aufruf, bei ihm vorbeizuschauen – wird er immer wieder auch offline belästigt. Er wurde bereits geschlagen, mit Eiern beworfen, beleidigt und anschließend mit Videos der Aktionen im Netz bloßgestellt.

Am vergangenen Montagabend ist die Situation eskaliert. 800 Drachenlord-Hater, nahezu ausschließlich junge Männer, sind aus ganz Deutschland in das mittelfränkische 40-Einwohner-Dorf Altschauerberg gereist, um vor dem Wohnhaus des ehemaligen Sonderschülers zu „demonstrieren“. „Dem Drachen das Fürchten lehren“, hieß die Veranstaltung. 10.000 hatten sich angekündigt, bevor das Landratsamt die Demonstration verbot – aufgrund „konkreter Hinweise auf geplante Straftaten bis hin zu Morddrohungen gegen den Drachenlord“, wie ein Sprecher des Amts mitteilte.

Hunderte kamen trotzdem, es flogen Böller, ein Waldstück wurde in Brand gesetzt, Polizisten wurden bespuckt. Abends musste gar ein Unterstützungskommando der Polizei von einem DFB-Pokalspiel abgezogen werden, um die Gefährdung von Dorfbewohnern auszuschließen.

Geht's noch? Um sich selbst zu erhöhen, rottet sich ein Mob gegen einen Spinner zusammen, das enthemmte Kollektiv entlädt sich gegen den Einzelnen. Im Internet geäußerte Lynchfantasien werden zur realen Bedrohung, Hass wird zum Hobby, Verrohung zur Unterhaltung. Aus Lust am Sadismus reisen einige Jungmänner tatsächlich hunderte Kilometer, um einen letzlich harmlosen Youtuber zu terrorisieren.

Organisierte Mobbing-Aktion

Mit Kritik an den problematischen Inhalten von Winklers Videos hat das nichts zu tun. Wer sich an einer solchen organisierten Mobbingaktion beteiligt, wer Banden bildet, um ein Wohnhaus zu belagern, will nicht diskutieren, sondern einen Menschen leiden sehen. Gruppenbildung gegen ein Opfer. Alle gegen einen.

Nochmal: Wenn ein Youtuber mit zehntausenden Abonnenten misogyne oder rassistische Kommentare verbreitet, muss dies selbstverständlich skandalisiert werden. Das bedeutet allerdings nicht, jemanden zum Freiwild zu erklären und in Scharen aufzulauern.

Ohnehin werden seine Hater nicht unbedingt weniger misogyn und rassistisch sein. Die Motivation scheint vielmehr darin zu liegen, sich gemeinsam gegen einen Schwächeren zu richten. Der Youtube-Account des „Drachenlords“ ist mittlerweile abgeschaltet, auf Twitter geht der Hass weiter. Verteidigt wird er dort selten.

Umso wichtiger ist deshalb der Tweet der Journalistin Elke Wittich: „Mich ärgert es, dass so viele Leute es ok finden, den Drachenlord zu quälen, weil er kein lieber, dankbarer, genügsamer Lernbehinderter ist, sondern einfach bloß das haben will, was andere auch haben: Ohne große Fähigkeiten mit ein bisschen Youtube-Gelaber Geld verdienen“.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Frederik Schindler
Freier Mitarbeiter
Bis Juni 2019 freier Mitarbeiter in den Ressorts Gesellschaft/Medien und taz.de. Themenschwerpunkte: Antisemitismus, Islamismus, LGBT-Politik und Fankultur. Jahrgang 1993.
Mehr zum Thema

16 Kommentare

 / 
  • Hab nochmal nachrecherchiert und denke ihr habt ein Stück weit recht. (Selbst-Notiz: erst recherchieren, dann schreiben...) Meine Aussagen zum Thema abschalten von Kanälen sind zwar vernünftig, passen aber nicht auf den Fall "Drachenlord". Kommt (hoffentlich) nicht wieder vor.

  • Der Artikel geht insoweit an der eigentlichen Situation vorbei, als er die Ambivalenz zwischen dem Drachenlord und seinen Hatern übersieht.

    Der Drachenlord wird einerseits von seinen Hatern terrorisiert, andererseits lebt er aber auch von der Aufmerksamkeit, die er bekommt. Sein Leben finanziert er überwiegend aus Einnahmen durch sogenannte "Barrenspenden" und "Freespins" auf der Plattform YouNow.



    Somit hat er selbst ein gewisses Interesse daran, die Sache weiter am Laufen zu halten und die negativen Folgen für seine Nachbarn ignoriert er dabei geflissentlich.

    Immer dann wenn die (überwiegend negative) Aufmerksamkeit nachließ, startete er Aktionen um die Aufmerksamkeit auf´s Neue zu befeuern, beispielsweise indem er durch gezielte Provokationen Streit mit anderen bekannten Youtubern anfing oder indem er noch in diesem Jahr die Leute dazu aufforderte zu einem Posterverkauf auf seinen Hof zu kommen, was (wer hätte es gedacht?) auch schon etwas eskalierte.



    Die Leute, die tatsächlich zu ihm hinfahren und Randale machen, sind oftmals unreife Kids, die der Pubertät kaum entwachsen sind.



    Drachenlord schafft es immer wieder, diese Leute sowohl zu triggern, als auch sich von ihnen triggern zu lassen.



    Was er dabei in seiner grenzenlosen Naivität vollkommen außer Acht lässt, ist, welche Dynamik der Eskalation er damit in Gang setzt. Lieber eskaliert er kräftig mit, wirft mit Gegenständen nach vorbeifahrenden Autos oder besprüht Leute, die vor seinem Haus stehen, mit Pfefferspray.



    Selbst als der Mob in seinem Dorf tobte, setzte er sich genüsslich in seinen Stream, fuchtelte mit einem Samuraischwert herum und gab sich so provokant wie nur irgend möglich.

    Selbst wenn jetzt alle gegenwärtigen Hater zu der Einsicht kämen, dass man den Drachenlord am besten dadurch straft, dass man ihm die Aufmerksamkeit entzieht, würde er es wahrscheinlich innerhalb kürzester Zeit schaffen, sich eine neue Armee von Hatern heranzuziehen.



    Weil er es darauf anlegt und davon lebt.

    • @Florian K.:

      Geben sie dem Sonderschüler bitte nicht zu viel Intelligenz ;)

      In der Schule abgelehnt und diesen Umstand jetzt einfach umgedreht.

      Das ist keine Intelligenz, sondern die logische Folge aus seinen früheren Erfahrungen im Negativen, leider.



      Gut argumentiert. Leider nicht ganz richtig. Sollte es auch nur einen Rechtsfall geben, in dem ein Hater verurteilt wird, wird dieser Mob abrupt aufgelöst und nie wieder stattfinden. Es muss eben immer erst etwas passieren, bevor etwas passiert.

  • Ich verfolge nun auch schon seit einigen Jahren den Drachenlord. Aber dieser Mann ist weder rassistisch noch misogyn, er ist einfach ein zurückgebliebener Mensch (er hat eine Sonderschule besucht und diese mit unterdurchschnittlicher Benotung abgeschlossen). Rassistische Aussagen habe ich in den letzten Jahren eigentlich nie mitbekommen; zwar gibt es diese berühmte Holocaust-Aussage, aber er hat später selbst erklärt, dass er keine Ahnung hatte, was der Holocaust überhaupt gewesen sein soll. Natürlich behauptet er heute anderes, denn der Grund für seinen Antagonistenstatus ist: Dieser Mann lügt und lügt und lügt. Sein Spitzname ist nicht nur der "Oger von Emskirchen", sondern auch, und das schon wesentlich länger, "Lügenlord". Die Memes um den DL fingen um seine Lügen an und durch sein ständiges weiteres Lügen nahm das Ganze immer weiter an Fahrt auf (gewürzt mit Erzählungen über seine Fantasien, Sex mit Tieren zu haben und anderen Dingen). Die Leute sind nicht dorthin gefahren, um gegen Rassismus oder Misogynie zu demonstrieren, sondern um abseits von Markus Söder mal einen Real-Life-Shrek zu sehen, den man wie einen Affen in einem Käfig foppen kann. Und freilich trägt Rainer da einen Großteil der Schuld selbst, so viele Leute haben ihm schon helfen wollen und gesagt, er solle mit seinem Mist aufhören, er solle nicht auf die Leute reagieren, denn das feuert sie nur weiter an. Aber er hört ja nicht und sorgt dadurch selbst für ein scheußliches Leben für ihn selbst und seine Nachbarn. Und für gute Unterhaltung bei den Zuschauern.

    • @John Farson:

      Ich habe mal selber etwas länger recherchiert und würde mich ihrer Aussage im Wesentlichen anschließen. In diesem Fall muss man doch etwas genauer hinschauen um das einzuordnen. Die Posts sind so wirr, dass sie tatsächlich nicht als "echte" Hassbotschaften fungieren.

    • @John Farson:

      Wenn sich da jemand durch seine Inkompetenz (für die er wohl nix kann) selber gefährdet, ist natürlich legitim mal nachzufragen, ob bestimmte Einschränkungen seiner Handlungsfähigkeit notwendig sind.



      Wenn er durch die Verbreitung seiner Videos sich selbst gefährdet, dann sollte in dem Kaff dort mal jemand darüber nachdenken, ob er die Betreuung für ihn übernimmt. Wobei mir dabei auffällt, dass ich nicht weiß, worunter das Veröffentlichen von Videos fällt. U.U. gibt es diesbezüglich noch gar keine Punkt für gesetzliche Betreuung, die das für ihn regeln kann. Wäre ja nicht das erste Mal, dass der Gesetzgeber noch nicht mitbekommen hat, dass es das Internet gibt.

    • @John Farson:

      Wenn dieser Typ nicht, wie Sie "berichten", nicht eine "Sonderschule besucht und diese mit unterdurchschnittlicher Benotung abgeschlossen" hätte, könnte man glatt denken, er wäre gar kein Affe. Man könnte statt dessen annehmen, er hätte einfach seinen Spaß daran, den Möchtegern-Hatern einen Spiegel vorzuhalten – und sich diebisch zu freuen, wenn die sich selber nicht erkennen können beim Blick hinein. Das, habe ich mal irgendwo gelesen, stellt sie schließlich auf eine Stufe mit Zweijährigen. Affen, meine ich.

    • @John Farson:

      Völlig egal. Schuld sind die Mobber, nicht der Gemobbte.

      "Ignorier' Sie einfach, dann hören Sie auf" war im Übrigen schon immer Nonsense. Das impliziert, dass alle rücksichtslosen Arschlöcher, deren größtes Vergnügen es ist, andere zu demütigen, einen einfachen Aus-Schalter hätten. Protip: Haben Sie nicht.

      • @TobyR:

        "Schuld sind die Mobber, nicht der Gemobbte."

        Dieser pauschale Satz stimmt spätestens dann nicht mehr, wenn der vermeintlich "Gemobbte" ein profundes finanzielles Interesse daran hat, die Sache weiter zu befeuern und dies auch ganz gezielt und planvoll tut.

        Oder warum fängt er just in dem Moment wo er selbst merkt, dass der Hate etwas nachlässt gezielt Streit mit anderen Youtubern an, die große Communities haben und provoziert da wirklich so lange, bis irgendwer (in diesem Fall "Exsl95") darauf eingeht?

        Drachenlord hat im Übrigen mehrfach selbst gesagt, dass er an den Hatern verdient.

        Klar ist es nicht ok als aggressiver Mob ein Dorf zu stürmen, aber diese Schwarz-Weiß-Malerei von wegen hier der "arme Drache" und dort die "bösen Hater" ist halt doch etwas unterkomplex.

      • @TobyR:

        Das Internetmobbing beim Drachenlord läuft etwas anders ab als reales Mobbing, weil hier Ignorieren wirklich die bessere Alternative ist. Diese Leute wollen sehen, wie der Mann vor der Kamera explodiert, wie er ausrastet. Gleichzeitig stellen sie sich selbst unter Pseudonym ins Rampenlicht und feiern sich, wenn seine Lordschaft sie bemerkt. Das 1x1 des Internetdaseins besagt: Ignoriere deine Trolle und Hater, denn ihnen geht es nur um Aufmerksamkeit. Als Reiner letztes Jahr oder vorletztes ein paar Monate keinen Strom hatte, ist das ganze "Drachengame" sehr ruhig geworden.

        Wenn man sich übrigens andere Youtube-User anschaut, die ebenfalls auf ihre Haider reagieren (Mimon Baraka, Kopfnusskalli usw.) unterstützt das nur meine These. Würden sie nicht auf die Leute reagieren, würden sie es gar nicht mehr versuchen.

        Im Reallife geht das natürlich nicht. Da hilft dann oft nur Gewalt, um in Ruhe gelassen zu werden.

        • @John Farson:

          Das unter "Internetmobbing" zu verbuchen oder auf vermeintliche Gepflogenheiten der betreffenden Plattformen zu verweisen: Reine Ablenkungsstrategie.

          Hier geht es um sehr reale Nachstellung, unter der nicht nur das eigentliche Opfer, sondern auch seine Nachbarn zu leiden haben.

          (@ Allgemeinheit, nicht @ John Farson)

  • Da gehen ja wohl die Bezugsebenen ein bisschen durcheinander. Mob-artige Zusammenrottungen und Gewaltdrohungen sind falsch.



    Die Aussagen "Drachenlord" sei "ein letztlich harmloser Youtuber", der "einfach bloß das haben will, was andere auch haben: Ohne große Fähigkeiten mit ein bisschen Youtube-Gelaber Geld verdienen" sind allerdings auch arg falsch.



    Wieso wird hier die Mär perpetuiert, es wäre harmlos, misogyne und rassistische Hasspropaganda zu verbreiten?!



    Die entscheidende Frage ist doch, wieso der Staat nicht willens oder fähig ist, einen solchen Kanal abzuschalten; was ist denn mit dem Netzwerkdurchsetzungsgesetz? Dann nämlich käme es gar nicht dazu, dass ein Teil der Bevölkerung den Eindruck bekommt, man müsse selber für Recht/Gerechtigkeit sorgen und dies dann mit falschen Mitteln versucht umzusetzen.

    • @Arno Birner:

      Der Man ist weder Rassist noch Frauenfeindlich. Die Leute die Ihn so hart mobben verleumden Ihn mit diesen falschen Behauptungen. Die Presse recherchiert schlecht und verbreitet diese Lügen ohne weitere Prüfung.



      Fast alle seine "Hater" sind auch anderweitig sehr aktive Hetzer gegen Ausländer, Schwule und jede Art von anderssein. Die Szene nennt sich auch "Sifftwitter" und besteht ausnahmslos aus loosern die jemanden zum reintreten brauchen.



      Der Drachenlord ist eigentlich ein netter Kerl.

      • @Mo13:

        seine lordschaft hat sätze wie: „ein holocaust wäre mal ne nice sache.“ rausgehaun. wenn das nicht rassistisch ist was dann?



        der ist so garkein netter kerl. leider lassen sich uninformierte menschen leicht von seinem dackelblick und seiner drolligkeit täuschen und finanzieren ihm sein leben obwohl er professionelle betreuung bräuchte und nicht mehr von dem was ihn in den abgrund zieht. zb sasha lobo oder andere

    • @Arno Birner:

      Meinungsäußerungsverbote durch den Staat sind ihre Antwort?

    • @Arno Birner:

      Laber kein'!



      Dumme Ausreden, von wegen "Recht/Gerechtigkeit". Hier tun sich Egomanen zusammen (praktisch alles weiße junge Männer, interessanterweise), um sich daran zu ergötzen, diesen Typen fertigzumachen. Und wie beim Mobbing in der Schule trifft es halt den Loser, der viel Angriffsfläche bietet. Und um sich irgendwie rauszureden oder gar in völligem Größenwahn als Ritter der Gerechtigkeit zu präsentieren, versucht man den Fokus auf den an sich völlig bedeutungslosen Rainer W. zu lenken statt auf die eigene Lynchmobmentalität.

      Der Staat sollte sich eher dabei durchsetzen, diesen Mob wegen der dabei infrage kommenden Straftatbestände an den Hammelbeinen zu packen. Dass es normal ist, wenn so eine Bande einfach schalten und walten kann wie sie will, finde ich bedenklicher als wenn irgendwer auf Youtube rumrantet.