Kolumne Geht’s noch?: Bock auf jung – als Frau?!
Model Heidi Klum hat eine Beziehung zu dem ehemaligen Teenie-Star Tom Kaulitz. Klum ist 44, er 28 – und die Redaktionen drehen durch.
Jetzt kommt's: Frauen haben gerne Sex. Und sie begehren.
Für manche Menschen scheinen diese Banalitäten auch im Jahr 2018 noch immer eine kranke Vorstellung zu sein. Aber es ist ja auch das Jahr, in dem der eigentlich reflektierte Schriftsteller Thomas Meinecke im Nachrichtenmagazin Der Spiegel (Ausgabe 13/2018) der feministischen Bloggerin und Edition F-Chefredakteurin Teresa Bücker gegenüber unentwegt sein Feministen-Dasein akzentuiert, um dann aber die „Andersartigkeit des weiblichen Begehrens“ anzuranzen.
Warum die Sexualität des Mannes noch immer als triebhaft betrachtet wird, während Frauen stets erst „rumgekriegt“ werden müssen, sei kurz erläutert: Wie viele sinnentleerte Narrative hält auch dieses das patriarchale System am Laufen, denn so kennt jede*r ihren und seinen Platz. Er: penetrierend, sie: akzeptierend.
Wer diese Abmachung negiert, irritiert. Vor allem jene, die sich an tradierte Vorstellungen gewöhnt haben, wie die, dass Männer nach Schönheit und Frauen nach Stärke suchen. Im besagten Spiegel hat die gern zur Blusenschließung ratende Autorin Birgit Kelle das als Naturgesetz herausgearbeitet.
Vor diesem Hintergrund bleibt einem derzeit nichts anderes übrig, als Heidi Klum dankbar zu sein. Weil sie mit ihrer gerade öffentlich gewordenen Beziehung zu dem 16 Jahre jüngeren Ex-Tokio-Hotel-Star Tom Kaulitz etwas Wichtiges deutlich macht: Auch Frauen können Bock auf Sex (mit einer/m jüngeren) haben. Der Beziehung zwischen Klum und Kaulitz sei damit unterstellt, dass nicht der intellektuelle Austausch im Vordergrund steht. Natürlich ist das biologische Alter nicht immer ein Indiz für Lebenserfahrung – und es gibt Beziehungen mit krassen Altersunterschieden, die auf Augenhöhe stattfinden. Und doch ist anzunehmen, dass die Ästhetik bei der Entscheidung für eine*n jüngere*n Partner*in oft eine Rolle spielt.
Das schlimme an der Causa Klum/Kaulitz ist: Es scheint viele noch immer zu überraschen, dass ältere Frauen Beziehungen zu jüngeren Männern haben. Zuletzt hatten wir diese Aufregung über den französischen Präsidenten Emmanuel Macron und seine 25 Jahre ältere Partnerin Brigitte.
Was genau ist daran das Problem? Dass Frauen auch ab 40, 50 und 60 für Männer noch sexuell attraktiv und – noch schlimmer – sexuell aktiv sind? Erst kürzlich ist der Flirt verendet, und jetzt nehmen uns die alten Schachteln auch noch die jungen Männer weg?! Come on!
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Landesparteitag
Grünen-Spitze will „Vermieterführerschein“
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Frauen in der ukrainischen Armee
„An der Front sind wir alle gleich“