Kolumne Fußball im Eishockeyland: Dildo und Swastika machen Yoga
Was politisch korrekt ist, bestimmt in Kanada immer noch Ottawa. Unbeugsame Dildoer und Swastikaner wehren sich.
G rade noch malte ich mir in meinen Anti-Hauptstadt-Phantasien aus, warum der Hitler-Mercedes nicht zufällig in Ottawas Kriegsmuseum steht, schon hat die Hauptstadt des politsch korrektesten Landes der Welt einen Nazi-Skandal.
Ok, es ist ein nur winzig kleiner, ein klitzekleiner Nazi-Skandal. Und er spielt auch nicht in Ottawa, sondern in der Stadt gegenüber, in Gatineau. Offiziell liegt die schon in der Provinz Québec, ist aber mit Ottawa durch mehrere Brücken verbunden und quasi ihr französischer Vorort. Auf der anderen Seite des Ottawa-Rivers jedenfalls wurden zwei Straßen entdeckt, die nicht sein dürfen.
Bislang hießen sie nach zwei Nobelpreisträgern, von denen man erst kürzlich herausfand, dass die mit Adolf Hitler gut konnten.
Den Gatineauern ist das sehr egal. Die haben vor allem schlicht keine Lust, ihre Adressen überall ändern zu lassen. Egal ist aber der Regierung, was die Bewohner denken. Wie etwas genannt wird, bestimmt immer noch die politisch korrekteste Regierung der Welt. Die nennt schließlich auch die Ureinwohner Kanadas First Nations, ob die das wollen oder nicht.
Und bestimmt auch, wer eine First Nation sein darf und wer nicht. Schließlich kann ja trotzdem jeder jeden Mittwoch am öffentlichen Yoga vor dem Parlament teilnehmen. Egal, ob er aus Dildo, Swastika oder den Northwest Territories kommt.
Dildo und Swastika
Das im nördlichen Ontario gelegene Swastika sollte aus politisch korrekten Gründen umbenannt werden. Die Swastikaner argumentierten aber, dass sie vor Hitler die Idee mit dem Hakenkreuz hatten. Ebenfalls erfolgreich ist bislang das neufundländische Dildo, das mit Touristenattraktion argumentiert.
Auch das südlich von Toronto gelegen Berlin während des Ersten Weltkriegs in Kitchener umbenannt. Allein, es nützte nichts. In Kitchener wird bis heute Oktoberfest und Christkindlmarkt und wer weiß, was noch gefeiert. In Ottawa feiert derzeit Little Italy sein Straßenfest, die Kunstszene ihr Glowfest, die Beamtenszene ihr Grillfest und jedes versprüht den Charme eines Bürgerfestes von Pirmasens oder Castrop-Rauxel.
Am Ende muss ich zugeben, wurde Ottawa nochmal ganz sympathisch. Und zwar wegen Vincent. Vincent ist 79, stammt aus Kalifornien und betreibt in Downtown „VJ‘s Lounge“. „Warum glauben Sie, arbeite ich 14 Stunden am Tag in dieser Kneipe?“, fragt er spät nachts. „Damit ich dieses todlangweilige Ottawa nicht sehen muss.“ Lang lebe Vincent.
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