Kolumne Fußball-Wissenschaft: Prinzip Überrumpeln
Chile kann bei der WM in Brasilien für Furore sorgen. Nicht verwunderlich nach den letzten Auftritten. Aber was macht die „La Roja“ eigentlich so stark?
![](https://taz.de/picture/106191/14/chile_2014_06_13_reuters.jpg)
V erblüffte deutsche Spieler schlichen Anfang März nach dem selten schmeichelhaften 1:0-Sieg gegen Chile vom Platz. Spätestens seit dem Spiel gegen Deutschland ist klar: Mit diesen Chilenen ist zu rechnen. Dass sie die radikalverjüngten Niederländer in ihrer Gruppe hinter sich lassen können, gilt als ausgemacht.
Schon 2010 in Südafrika galt die chilenische Mannschaft im 3-3-3-1-System unter ihrem argentinischen Trainer Marcelo Bielsa als eines der innovativsten, als das „aufregendste“ Team. Allseits bedauert wurde das klare Aus im Achtelfinale gegen effiziente Brasilianer (die nun wieder ihr Achtelfinalgegner sein könnten). Als die Chilenen in der WM-Quali unter Bielsas Nachfolger zunächst strauchelten, übernahm Jorge Sampaoli, ebenfalls Argentinier – und reanimierte den Stil seines Landsmannes.
Das heißt: Rasantes und variables Kombinationsspiel in flexiblen Spielsystemen mit Mut zu Steilpässen; defensiv eine hochstehende, mal mannorientierte, mal aggressiv zum Ball pressende Abwehr. Seit 2010 sind die Schlüsselspieler Alexis Sanchez und Arturo Vidal, der „beste Sechser der Welt“ (Vidal über Vidal), noch stärker geworden. Gleiches gilt für Wirbelstürmer Eduardo Vargas, der seit Sampaolis Amtsantritt trifft und trifft.
1,71-Meter-Terrier Gary Medel organisiert rabiat die Abwehr, das Tor hütet Claudio Bravo, der voraussichtlich Marc-André ter Stegens Rivale beim FC Barcelona wird. Kurzum: Die Chilenen verfügen neben einem eingeschworenen Kollektiv auch über die Individualisten, ihr riskantes, aufopferungsvolles Spiel zu zelebrieren – und über die Kampfkraft, es durchzuhalten.
Deutschlands Defensive wurde im März nach Ballverlusten immer wieder mit schnellen Pässen aus der Zentrale auf die Flügelspieler überrumpelt und mit flachen, scharfen Flanken auf die zahlreich nachrückenden Spieler ins Wanken gebracht. Und dennoch: In solch Schönheit stirbt es sich leicht, wenn sich die Angreifer im Vergeigen von Chancen überbieten. Wenn der Gegner außerdem das aggressive Pressing zu umspielen schafft, öffnen sich weite Räume. In diesen kommt es auf Zweikämpfer wie Anführer Arturo Vidal an, dessen Knieprobleme im Moment Chiles größte Sorge sind.
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