Kolumne Fremd und befremdlich: Hübsches Hamburg
Die CDU will, dass die Binnenalster „erlebbar“ wird. Aber wenn wir es wirklich schöner haben wollen in Hamburg, dann müssen wir etwas gegen den Straßenverkehr tun.
A n der Binnenalster, am Jungfernstieg, hängen am Abend junge Leute rum, die sich diese Binnenalster sozusagen angeeignet haben, und trotz des etwas spärlichen Angebotes an Attraktionen diesem Platz etwas abgewinnen können. Freies W-Lan bei Apple zum Beispiel. Bratwurst und Pommes. Aber wie wäre es denn damit, die Binnenalster etwas hübscher zu machen, damit vielleicht auch Leute, die weniger jung und etwas anspruchsvoller sind, sich dort gerne aufhalten? Damit diese Binnenalster „erlebbar“ wird. Das ist übrigens ein Vorschlag, den die CDU in die Bürgerschaft eingebracht hat. Sie will die Stadt, so heißt es immer: „attraktiver“ machen.
Wie soll diese Binnenalster hübscher gemacht werden? Mit Pontons und Restaurants. Nach innen würde also der Bereich des Wassers durch diese Pontons etwas verkleinert werden. Außen herum änderte sich nichts. Wer sich einmal an der Binnenalster unterhalten hat, der weiß, dass man etwas lauter werden muss. Deshalb sitzen dort auch gar nicht mal so viele Menschen. Ich bin dort letzte Woche telefonierend entlanggegangen. Ich sagte immer: „Was? Was? Kannst du es bitte wiederholen?“
Es ist zuweilen so, dass der Straßenverkehr einer flüssigen Unterhaltung entgegenwirkt. Da haben wir zum Beispiel den Ballindamm, der den Jungfernstieg mit dem Glockengießerwall verbindet. Dort braust recht flott der Verkehr. Schicke Schlitten, in denen schicke Männer mit aufgekrempelten Ärmeln sitzen. Ich habe nichts dagegen, dass Pontons entstehen, auf denen diese schicken Männer fröhlich feiern und essen. Es ist vielleicht schon schade, dass an der Binnenalster nicht mehr gefeiert und gegessen wird.
Diese Menschen, die dann dort feiern und essen, die merken vielleicht auch gar nicht, dass es laut ist. Es könnte ein bisschen so sein, wie auf dem Wandsbek Markt, wo regelmäßig auf der Verkehrsinsel die Oktober- oder Weihnachtsmärkte stattfinden, umflossen von dichtestem, mehrspurigem Verkehr. Da dreht man einfach die Anlage etwas lauter auf, und dann orgelt und rumst es über den Verkehr hinweg.
Katrin Seddig ist Schriftstellerin in Hamburg mit einem besonderen Interesse am Fremden im Eigenen. Ihr neuer Roman „Das Dorf“ ist kürzlich bei Rowohlt Berlin erschienen.
So ähnlich könnte es an der Außenalster doch auch sein. Die Außenalster kann dann ähnlich erlebbar werden, wie der Wandsbek Markt. Der Wandsbek Markt ist an einem Oktoberfest im Frühjahr oder Herbst sehr gut erlebbar.
Es ist der Fraktionsvorsitzende André Trepoll von der CDU, der diese Hoffnung auf Erlebbarkeit der Alster hat. Wenn die Geschäfte zu sind, und die Leute nichts mehr kaufen können, dann fahren sie einfach nach Hause, aber sie sollten die Außenalster erleben können, nach dem Einkaufen. Wie erlebt man ein Gewässer? Mit Gastronomie.
Tatsächlich habe ich mich öfter schon beschwert, dass im Gegensatz zu anderen europäischen Metropolen, die Hamburger Innenstadt so verwaist ist. Dass es jenseits des Shoppens so kaum ein Straßenleben gibt. Sollte ich mich nicht eigentlich freuen, anstatt so zynisch zu sein? Habe ich mir nicht eigentlich so etwas gewünscht? Stühle auf der Straße? Aber es sollen keine Stühle auf der Straße stehen. Es sollen Stühle auf der Alster stehen. An der Straße wird nicht gerüttelt.
Es wird immer enger
Bis Dienstag konnte man einen Fragebogen der Hamburger Umweltbehörde zum Lärmschutz ausfüllen. Wird das irgend etwas ändern? Was ist, wenn die Behörde plötzlich erfährt, dass die Bewohner ihrer Stadt unter Lärm leiden? Werden sie sich wundern?
An der A7 in Schnelsen wird demnächst der erste Lärmschutzdeckel fertig. Das ist wichtiger, als Pontons auf der Alster. Aber Pontons, im Freien liegende Restaurants, die machen auch nur Spaß, wenn es nicht so laut, und die Luft nicht so schlecht ist.
Es wird immer enger in dieser Stadt, die Luft schlechter und der Lärm bedrückender. Wenn wir es wirklich schöner haben wollen, auch an der Alster, dann müssen wir etwas gegen den Straßenverkehr unternehmen. Nur, wenn die Leute keine andere Wahl haben, als mit der Bahn in die Stadt zu fahren, wird es außer dem Straßenverkehr noch etwas Erlebbares wahrzunehmen geben, in dieser Stadt.
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