Kolumne Frankfurter Gedränge: Auf der Suche nach dem E-Reader
Die Frankfurter Buchmesse bietet für jeden was:Stilettoabsätze auf dem Cover, Tonbänder aus Stammheim und Fleisch, das als Gemüse verkauft wird.
Zur Sache Schätzchen. Frauen und Macht so der angeblich bewusst "reißerische" Titel eines mit Portraits erfolgreicher Frauen gespickten Buches, welches beweisen soll, dass "Frauen genauso viel Bock auf Macht haben wie Männer". Allein diese These ist schon mehr als streitbar, denn viele weibliche Lebensläufe und Verhaltensweisen beweisen etwas anderes. Außerdem gehören zu den Frauen die immer wieder angeführten Paradebeispiele wie Bunte-Chefredakteurin Patricia Riekel, neben der es nach wie vor nicht allzu viele "Macht-Frauen" gibt.
Ein Grund dafür sei, neben den Rollenerwartungen auf beiden Seiten der Geschlechter, dass Frauen sich selbst im Weg stünden, meinen die Autorinnen - und geben ein Buch heraus auf dessen Cover ein Damenfuß in einem Schuh mit Stilettoabsatz steckt. Welche machtbewusste Frau kauft sich so ein Buch, mit diesem Cover und mit diesem Titel? Hier stehen sich offenbar auch zwei Frauen selbst im Weg - auf dem Weg zum Erfolg.
Und Antworten auf die Frage, wie Frauen, die sowohl Kinder als auch Karriere wollen, das bitte bewerkstelligen sollen, ohne unter den sich ins Bodenlose addierenden Verpflichtungen und Belastungen erdrückt zu werden, haben sie auch keine. Außer eine "positive Einstellung", dass sich das in den nächsten Generationen ändern wird, denn die Zeit sei aufgrund des Fachkräftemangel "reif" dafür.
Wenn das so ist, dann werden jetzt bestimmt in Nullkommanix Ganztagsbetreuungsplätze für alle Kinder in Deutschland geschaffen, so dass sich die Eltern keine Gedanken mehr darüber machen müssen, wer sich nachmittags um die Kinder kümmert und welche qualifizierten Fachkräfte die täglichen Hausaufgaben überwachen. Aber die staatliche Betreuung ist ja sowieso nicht jedermanns Sache.
ZDF-Moderatorin Gundula Gause hat das Buch Die Elternuni. Die ersten 12 Semester geschrieben und erklärt, man brauche eine liebevolle Bezugsperson für die Kinder, wenn man wieder arbeiten will. Schließlich habe sie ihre Kinder nicht bekommen, um sie in staatliche Einrichtungen zu geben. Sie habe für sich das Problem so gelöst, dass sie einen Arbeitsplatz geschaffen hat, und diese Person kümmert sich zudem auch noch um den Haushalt. So sieht es aus: Wer es sich nicht leisten kann, familiär oder finanziell, die Lücken im Bildungssystem individuell zu stopfen, dessen Kinder sind spätestens in der Grundschule aufgeschmissen. Da hilft dann auch kein noch so gut gemeintes, nett geschriebenes Ratgeber-Buch für ohnehin schon lesende, interessierte Eltern.
Einer der offenbar ganz besonders gern gesehenen Interview-Gäste auf der diesjährigen Buchmesse in Frankfurt/Main ist Stefan Aust. Wo man hinkommt, er ist schon da und redet über sein vor Jahrzehnten veröffentlichtes Buch Der Baader-Meinhof-Komplex. Und so passiert es dann auch, dass direkt neben einem solchen Interview für den Bertelsmann Buch Club am Spiegel-Stand nebenan die Ex-Terroristin Astrid Proll mit Michael Sontheimer über die jetzt neu beim DAV erschienenen "Stammheim-Tonbänder" spricht – und sich sehr über den plötzlichen RAF-Hype wundert. Für sie sei das alles bereits weit weg und auch nicht mehr besonders interessant. Das aber sehen die dichtgedrängten Zuschauer und -hörer ganz anders.
Auch Stefan Aust spricht noch immer ausgesprochen gern über dieses Thema, "weil er sich damit auskennt", wie er im Interview-Café der Zeitschrift Galore gut gelaunt erklärt.
Nach ihm kommt Heinz Strunk und setzt sich auf das von Aust angewärmte Sofa. In seiner ihm eigenen Art erklärt er seinen Besuch auf der Messe erst einmal als einen Pflichttermin, der ihn nicht sonderlich interessiere. Lakonisch erzählt er dann ein wenig über sein neues, dem großen Erstlingserfolg Fleisch ist mein Gemüse folgendes Buch Die Zunge Europas. Der Titel bezieht sich auf einen Kaffeetester. Das Buch soll sich - das sei hier noch angemerkt - nach Angaben des Autors durch mehr Tiefgang und durch Plotlosigkeit von seinem Vorgänger unterscheiden.
In Anbetracht der durch Reich-Ranicki losgetretenen deutschen Comedy-Debatte erklärt Strunk sich dann noch einer humoristischen Gegenbewegung zu Mario Barth zugehörig, dessen Wörterbuch Deutsch-Frau Frau-Deutsch sich bei Langenscheidt bereits über 1,2 Millionen mal verkauft hat - man wünscht Strunk, wohl leider vergeblich, eine doppelt so hohe Auflage.
Die Nachricht, Sony wurde in Halle neun seine E-Reader verstecken, erwies sich übrigens als haltlos. Zwar gab es die eine oder andere Präsentation der Geräte, einen Stand dazu aber war nicht auszumachen. Dafür zeigte mir gestern abend ein amerikanischer Autor sein iPhone, auf dem er als Lektüre für den Flug zwischen den Kontinenten 20 Bücher gespeichert hat.
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